Strafende Pädagogik

Remake von Michael Haneke

Eine wohlhabende Familie, Vater, Mutter und Kind, fährt übers Wochenende in ihr Ferienhaus am See. Auf dem Weg halten sie bei ihren Nachbarn, die in der Gesellschaft zweier properer junger Männer sind, halten ein kurzes Schwätzchen zum Autofenster hinaus und wundern sich ein wenig über die beklommene Reaktion der Freunde. Noch beim Auspacken erhalten sie Besuch von den beiden Fremden, die sich erst als rechte Hausplage erweisen und dann in sadistische Quälgeister verwandeln. Den Ehemann setzen sie mit einem Golfschläger außer Gefecht und demütigen die Familie nach Lust und Laune. Schließlich wetten die clownesken Peiniger mit sich selbst, dass ihre Opfer die nächsten zwölf Stunden nicht überleben werden.

Das ist erst die halbe Geschichte von Michael Hanekes »Funny Games«, einem vor zehn Jahren zum ersten Mal in die Kinos gekommenen Lehrstück über die Komplizenschaft zwischen Publikum und Gewalt. Wer mit den Leinwand-Opfern leidet und den Tätern ein jähes Ende wünscht, macht sich in Hanekes Augen mitschuldig, weil er sich von Mord und Totschlag unterhalten lässt. Doch Gewalt ist alles, nur nicht unterhaltsam, und so stößt Haneke sein Publikum nicht nur mit der Nase auf dieses vor allem im Genrekino gepflegte stillschweigende Einverständnis, sondern er gibt der Gewalt auch ihre mediale Unverträglichkeit zurück. So wie Haneke die Konventionen des Horrorfilms beständig unterläuft und zugleich karikierend auf die Spitze treibt, ist »Funny Games« eine einzige Zumutung – und genau das soll der Film auch sein.

An diesem Bekenntnis zur strafenden Pädagogik hat sich in Hanekes amerikanischem Remake »Funny Games U.S.« nicht das Geringste geändert. Immer noch wird im Kino zum Vergnügen des Publikums gestorben, und so ähneln sich die beiden Filme beinahe bis aufs i-Tüpfelchen. Die Besetzung (Naomi Watts, Tim Roth, Michael Pitt) ist jetzt freilich prominenter und der erhoffte Wirkungskreis entsprechend größer. Allerdings lässt auch diese Neuauflage Zweifel daran, ob Haneke tatsächlich verstanden hat, was er zu entlarven glaubt, und ob der rigide Moralist in ihm nicht etwas zu glatt in der Rolle des Agent Provocateur aufgeht. Ständig soll sich der Zuschauer bei etwas ertappt fühlen, während sich Haneke beständig vor seiner eigenen Unerschrockenheit verneigt. Am Ende geht man mit der Einsicht heim, dass nicht nur die Darstellung der Gewalt abstumpfen lassen kann, sondern auch ihre Kritik.

Info
Funny Games U.S. USA 07, R: Michael Haneke, D: Naomi Watts, Tim Roth,
Michael Pitt, 112 Min. Start: 29.5.