Reise durch die Vergangenheit

So bodenständig wie experimentierfreudig – eine Hommage an den Filmamateur Bernard Shakey alias Neil Young

 

Als ein langhaariger Mann aus der Nachbarschaft nebenbei sagte: »Weißt du, ich finde viel Trost darin, mit meinem Laster zu reden«, wusste Bernard Shakey, dass dieser Mann unbedingt in seinem Film auftreten und genau das tun musste: mit seinem Truck reden. Der Truck antwortet ihm dann, und das ist gut so und genau richtig in jenem Augenblick in »Journey Through the Past« (1973), diesem Meisterwerk des Rätselhaften, nach dem man lediglich weiß, dass man nichts weiß.

Bernard Shakey ist das Filmemacher-Pseudonym von Neil Young. Kreative Differenzen zwischen beiden gibt es nicht, denn auch in seinem Zweitmedium erweist sich der gebürtige Kanadier als ebenso bodenständig wie experimentierfreudig. Mit Super-8 her­um­gespielt hat Shakey schon lange vor »Journey Through the Past«. Aber erst in den frühen 70ern zog es ihn dann in die Öffentlichkeit und damit zur Sinn­stiftung – was auch immer das bei einem Regisseur bedeuten mag, der schon mal, wenn sein Film völlig konfus zu werden droht, lässig Bilder von Lurchen dazwischenschneidet. Auf die Frage: »What’s ›Journey Through the Past‹ about?«, soll Shakeys Haupt­mitarbeiter Larry Johnson geantwortet haben: »About ninety minutes«. Vielleicht kann man sich darauf einigen: »Journey Through the Past« ist eine Pseudokumentation.

Oden an die intellektuelle Freiheit

Bernard Shakey ist ein reiner Amateur, der mit seiner Kamera macht, was ihn interessiert – ob das in gängige Schemata passt oder nicht, ist egal, so lange die Harmonien stimmen. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht entwickelt hätte. So improvisiert, durchgeknallt und poetisch wie sein Debüt wurde kein weiterer seiner Filme. Kino ist schließlich, wie Musik, vor allem Kommunikation. Oden an die spirituelle, inszenatorische, intellektuelle Frei­heit blieben die Filme trotzdem: Man könnte sie Folk-Home-Movies nennen.

Shakeys zweiter Film »Rust Never Sleeps« (1979) war sein konventionellstes Werk: ein Konzertfilm zur gleichnamigen Tour. Eingestreut wurden lediglich ein paar Surrealismen, die aus »Journey Through the Past« stammen könnten: zwergwüchsige Roadies mit Leuchtaugen in Kapuzenmäntelchen (es war die Zeit von »Star Wars«) und riesige falsche Verstärkertürme, die herumstehen wie der Strand-Obelisk, um den der Truck in seinem ersten Film tuckert.
Mit »Human Highway« (1983) wurde es dann wieder etwas durchgedrehter. Eigentlich wollte Shakey eine Art Remake von »Der Zauberer von Oz« drehen: auf 16-Millimeter, auf der Stra­ße, auf gut Glück. Im Mittelpunkt sollte die fiktive Figur Lionel Switch stehen, ein Träumer und Musiker, der Shakey dann aber zu sehr an Neil Young erinnerte. Am Ende drehte er auf 35-Millimeter in einer Studio-Kleinstadt eine Atomparanoiaparabel, in der Young selber Lionel Switch und dessen Alter ego Frankie Fontaine spielt, die ihm jetzt beide ähneln. Das heißt: »Human Highway« wurde das Gegenteil von dem, was eigentlich geplant war. Das muss man erst einmal hin- und vor allem bezahlt kriegen! Die Verständnislosigkeit war entsprechend. Nach diesem Zerschellen an den Klippen der Kleingeistigkeit zog sich Shakey für rund zwei Dekaden zurück.

Das Comeback gelang ihm großartig. Das Konzeptsingspiel »Greendale« (2003) ist einer der feinsten US-Filme dieses Jahrzehnts – großzügig und weit, auf kauzig-beißende Art ironisch und dennoch von einem Glauben an den Menschen erfüllt, der einem die Tränen in die Augen treibt. Alles, was gut ist an den USA, gibt es in der Ortschaft Greendale, darunter diverse Helden des zivilen Ungehorsams, aber auch Satan selbst, ein vergnügter Trickster, der mit Irrungen und Leid spielt. Als Soundtrack fungiert das gleichnamige Album von Neil Young, neu arrangiert, die Darsteller bewegen ihre Lippen entsprechend. Das alles wurde auf Super-8 gedreht und aufgeblasen auf 35-Millimeter, damit der Seelenatem besser wehen kann.

Ein aufmüpfiges Kino an die Zivilcourage

Der künstlerische Erfolg von »Greendale« bestärkte Shakey offenbar, denn das nächste Werk hat nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich haben die USA ein aufmüpfiges Kino der Zivilcourage, des Insistierens auf freiheitlich-demokratische Grundwerte mittlerweile auch bitter nötig. Es ist an der Zeit, Klartext zu sprechen, und genau das tut »CSNY – Déjà Vu« (2008), eine Dokumentation über Crosby, Stills, Nash & Youngs »Freedom of Speech«-Tour. Wie alle Werke Shakeys ist »CSNY – Déjà vu« Flickwerk-Poesie, zu deren Elementen dieses Mal unter anderem Aufnahmen des Kriegsjournalisten Mike Cerre gehören, der gewissermaßen als Berichterstatter in die Tour »eingebettet« wurde. Außerdem: Konzertmomente, oft genug mit einem Publikum, das sich politisch verhöhnt fühlte, sowie Treffen mit intelligenten und redegewandten Veteranen der Irak-Kriege, die aus ihren Erfahrungen einiges gelernt haben und sie nun teilen wollen. Klar wird dabei, dass man nach vierzig Jahren wieder dieselben Lieder singen muss. Einfach nur mit seinem Truck zu reden, reicht nicht.


Crosby, Stills, Nash & Young – Déjà Vu (dto) USA 08, R: Bernard Shakey. Start: 10.7.
Preview im Radstadion Open Air: 4.7., Einlass 20 Uhr. Vor dem Film spielt die Kölner Band Cowboys on Dope.