Sonne statt Regen

Wenn sie nicht ansteckend wirkt, kann gute Laune auch eine Plage sein. In Mike Leighs neuem Film zeigen sich eine ganze Menge Leute immun gegen die fröhliche Plaudertasche Poppy (Sally Hawkins). Allerdings sind gerade genügend mit ihrem Virus infiziert, damit die Komödie den Sieg über das Tragikomische davonträgt. Gleich zu Beginn wird Poppy das Fahrrad gestohlen. Doch statt sich zu beklagen, zuckt sie mit den Schultern und sagt lachend: »Und ich hatte nicht mal Zeit, mich von ihm zu verabschieden.« Außer mit ihrem Fahrrad ist Poppy noch mit der halben Welt auf Du und Du und fällt mit ihrer letztlich entwaffnenden Unbekümmertheit stets mit der Tür ins Haus. Als Zuschauer reibt man sich erstaunt die Augen, gleichzeitig beschleicht einen die Sorge, Leigh könnte dieses sonnige Gemüt solange mit Schicksalsschlägen auf die Probe stellen, bis sich auch Poppy der allgemeinen Großwetterlage beugt.

Zum Glück geschieht nichts dergleichen. Wir begleiten Poppy durch ihren Alltag und stellen zusehends verwundert fest, dass sich hinter dem scheinbar kindlichen Gemüt eine tüchtige Erwachsene versteckt. Als solche muss sie dann doch einige Prüfungen überstehen, aber die sind nicht allzu tragisch und passen zum Leben einer alleinstehenden Grundschullehrerin. So prügelt sich einer ihrer Schüler, weil es mit dem Stiefvater Schwierigkeiten gibt, woraufhin Poppy sich um ihn kümmert. Bei der Gelegenheit lernt sie dann gleich einen ledigen Sozialarbeiter genau in ihrer Kragenweite kennen. Größere Probleme bereiten der 30-Jährigen ihre Fahrstunden. Sie ist ziemlich schlecht, macht sich aber nicht viel daraus und bringt ihren Fahrlehrer damit beständig auf die Palme. Der ist das genaue Gegenteil seiner kichernden Schülerin, nämlich todernst, paranoid und von Vorurteilen zerfressen. Natürlich verliebt er sich in Poppy und beginnt, ihr zwanghaft nachzustellen.
Mike Leigh ist bekannt dafür, dass er ohne Drehbuch in die Proben geht und so lange mit dem Ensemble arbeitet, bis die Figuren beinahe ein Eigenleben führen. In seinem historischen Sozialdrama »Vera Drake« fühlte man sich trotz dieses dokumentarischen Anstrichs gegängelt, bei »Happy-Go-Lucky« feiert Leighs Methode dafür einen Triumph. Mit Sally Hawkins‘ Poppy wird die Leinwand lebendig, und man hat den Eindruck, dass ihre Geschichte nach dem Vorhang einfach weitergehen könnte. Auf paradoxe Weise braucht Poppy uns nicht. Wir brauchen sie.


Happy-Go-Lucky (dto) GB 08, R: Mike Leigh, D: Sally Hawkins, Eddie Marsan, Nonso Anozie, 118 Min. Start: 3.7.