Eine große Geste

Nein, man darf nicht davon ausgehen, dass die Diskussionen um den Offenbachplatz abreißen werden. Im Herbst beginnt der Kommunalwahlkampf, und auch der demnächst vorgelegte »Masterplan Innenstadt« mit Leitlinien zur Stadtentwicklung, dürfte Zünd­stoff bergen. Immerhin liegt nun für das Opernquartier das Ergebnis des Architekturwett­bewerbs zur Neugestaltung vor.

Dass die Oper von Wilhelm Riphahn grundsaniert werden muss, während das ebenfalls marode Schauspielhaus sowie der Restaurant-Pavillon abgerissen wer­den, stand bereits fest. Ein neues Schauspielhaus samt Werkstätten und Probebühnen – bis dato größtenteils über die Stadt verteilt – soll 2010 gebaut werden. Das gesamte Projekt beläuft sich auf eine Summe von immerhin 234 Millionen Euro.

Elegante Massivität

Die Jury des Architekturwettbewerbs unter Leitung des Hamburger Architekturprofessors Jörg Friedrich entschied sich Ende Juni einstimmig für den Entwurf, den das Kölner Büro JSWD zusammen mit Chaix + Morel aus Paris eingereicht hatte: ein voluminöser, 36 Meter hoher Kubus aus Glas und Stahl, der seine Massivität elegant zur Schau stellt – dort, wo jetzt noch der Restaurantpavillon steht, am südöstlichen Ende des Offenbachplatzes.

Der Kubus erscheint als gro­ße architektonische Geste – jeden­falls auf den schicken Schautafeln der Wettbewerbs-Pressekonferenz. Aber wenn die dort dar­ge­stellte goldgelb strahlende nächt­liche Innenbeleuchtung tags­über entfällt, könnte der Bau auch wieder an die 50er-Jahre-Kaufhof-Warenhäuser erinnern – solche Assoziationen stellen sich ein, betrachtet man die ornamental wirkende Fassadenverkleidung: eine kleinteilige Stahl-Keramik-Konstruktion, die unterschiedli­che Licht­wirkungen nach innen ermöglicht und den Kubus mit seinen verschieden dimensionier­ten viereckigen Ausstülpungen um­man­telt. Ihr Grundmotiv ist – eine Verneigung vor dem großen Kölner Architekten – der Eingangssei­te der Riphahn-Oper entnommen.

Alles in einem Bau

Ein Problem, das Kulturdezer­nent Georg Quander und Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger – die beide in der Jury saßen – im Vorfeld sahen, war die Integration von Großer Bühne, Studiotheater (jetzige Schlosserei) und Kinderoper (derzeit in der Oper) in einem einzigen Bau. Dies aber hat der Siegerentwurf mit seiner Stapelbauweise überzeugend gelöst. Er beherbergt alle drei Bühnen – mit 675 und zweimal 200 Plätzen.

Die Vorstellung, dass das Kölner Schauspiel unter Intendantin Karin Beier bald in diesem Solitär agieren soll, hat etwas fast Mondänes. Vielleicht hätte Karin Beier auch die Arbeit des dritten Preisträgers Atelier 5 aus Bern besser gefallen. Ein Entwurf, so die Jury, der den »Werkstattcharakter« des Schauspiels betonen möchte. Die leicht wirkende, semi-transparente Hallenkonstruk­tion mutet vergleichsweise experimentell an – und passte vielleicht besser zu Beiers wagemutigem Spielplan. Doch man sollte sich nicht täuschen: Die Intendantin hat durchaus Sinn fürs Große und Repräsentative, das legen viele ihrer eigenen Inszenierungen nahe. Man weiß bislang nicht, wie Beier zum Wettbewerbsergebnis steht: Sie war weder Jurymitglied noch auf der Pressekonferenz, sondern in den Ferien. Als Bühnenvertreter saß Geschäftsführer Peter Raddatz in der Jury, er zeigte sich auch unter funktionalen Gesichtspunkten hoch zufrieden mit dem Entwurf.

Freier Blick auf Riphahns Oper

Die Jury entschied sich auch deshalb für den Entwurf von JSWD und Chaix + Morel, weil dieser als einziger an der Stelle des alten Schauspielhauses einen länglichen »Operngarten«, einen Park entlang der Brüderstraße, schafft und so den Offenbachplatz ganz neu fasst: Die Sicht auf Riphahns Oper ist damit von Süden her frei. Unterhalb des Operngartens sind die Schauspiel-Werkstätten geplant, über Sichtfenster sind sie mit Tageslicht versorgt und können teilweise von oben eingesehen werden.

Neben einem Restaurant mit Terrasse auf dem Dach des neuen Schauspielhauses, sind auch im neuen »Operngarten« an der Brüderstraße Gastronomien vorgesehen. Dies auch als Versuch, das Opernquartier, das am Abend ebenso menschenleer ist wie die umliegenden Einkaufsstraßen und der Neumarkt, endlich zu beleben. Derzeit fehlt dem Areal jegliche großstädtische Anmutung – belebt wird der Platz allenfalls durch den vorbeirauschenden Autoverkehr der Nord-Süd-Fahrt.

Der Siegerentwurf präsentiert hierzu – wenngleich nicht beabsichtigt – eine weitere Idee: Die Perspektive der Computer­simulationen lässt den Offenbachplatz derart weitläufig erscheinen, wie es nur möglich wäre, wenn die Nord-Süd-Fahrt unterirdisch verliefe. Und das verdeutlicht, was wirklich nötig wäre, um das Opernquartier zu jenem zentralen Punkt zu machen, der angestrebt wird.