4. Kölner Musiknacht

Eigentlich sind die Spielregeln glasklar: In der vierten Kölner Musiknacht ist die gesamte freie Musikszene Kölns vertreten – 300 Musiker, 100 Konzerte, 27 Veranstaltungsorte. Aber – die gesamte freie Szene? Nur, insofern es sich nicht um Rock und Pop handelt. Die Kölner Musiknacht ist seit jeher ganz der »E-Musik« gewidmet: Alte Musik und Neue Musik, experimentelle Elek­tronik und Klassik, traditioneller Jazz und Freie Improvisation.

Noch vor ein paar Jahren hätten die Veranstaltung Pop-Schnösel als ins Gigantische aufgeblasenes Spartenprogramm abgetan. Heute gehören die Pop-Schnösel selbst in die Sparte. Das System »Popmusik« ist kollabiert. Die CD-Verkäufe brechen durch sämt­liche Kellergeschosse, mittelgroße Veranstalter kriegen ihre Hallen immer selte­ner voll, mit den Sub­szenen ver­knüpfen sich kaum noch reale Lebensentwürfe. Und die wenigen erfolgreichen Acts müssen sich irgendwelchen »Mega­events« andienen. Pop im emphatischen Sinne ist heute genauso »elitär« wie, sagen wir, ein Synthe­sizerkonzert von Thomas Lehn: Wer sich mit Madonna beschäf­tigen will, braucht schon den ­Diskursführerschein.

Zeit, Abschied zu nehmen! Und um den Abschiedsschmerz zu bekämpfen, helfen die Konzerte der Musiknacht ganz vorzüg­lich (wie immer gilt: ein Ticket, alle Konzerte). Die Formenvielfalt ist in dieser Ballung einzigartig, selbst wenn die Spielar­ten der Neuen Musik überwiegen: Es gibt Krach (Koro), Bach-Stücke für Cembalo-Solo (Christian Rieger), a-Musik in bester Plunderphonics-Tradition (FX Ran­­do­miz und C-Schulz), ein dirigiertes Improvi­sationsorchester (Adam Noidlt Missiles), den wunderba­ren Beschwerdechor, einen Toten­tanz (Par­tita Radicale), lupen­reinen Jazz (Sackenheim/Duppler), und auch die klassische Moderne (Arnold Schönberg!) ist zu erleben.
Es ist eine Ironie des Zeitgeistes, dass der Veranstalter, der seit fast zehn Jahren in Köln tätige ­Initiativkreis Freie Musik, eine popkulturelle Präsentationsform wählt: eine Musiknacht – das ist eben auch ein Event. Ein Wort, das so gar nicht zu Schönberg passt. Aber man muss es noch einmal betonen, die Grenzen zerbröseln, und wer sich abgrenzt, ist ein anachronistischer Langweiler.


Sa 20.9., ab 18 Uhr. Komplettes Programm unter www.koelner-musiknacht.de und im Tageskalender. Mehr zu ­einzelnen Highlights s. unsere Konzertvorschau, ab S.34