Die bürgerliche Maskerade

Von Ressentiments und »Angstthemen«: Alexander Häusler hat

eine Studie zu rechtspopulären Bewegungen herausgegeben

Was sind das eigentlich für Gestalten, die für »Pro Köln« im Stadtrat sitzen, gegen Moscheen und Migranten wettern und sich überregional vernetzen? Und wie geht man mit Rechtsaußen-Politi­kern wie denen von »Pro Köln« um? Solche Fragen versucht das Buch »Rechtspopulismus als Bürgerbewegung« zu beantworten. Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler hat diesen Sammelband als eine lesenswerte und politisch wichtige Milieustudie vorgelegt, eine brandaktuelle Studie zu einem notwendigen Diskurs.
Die Auseinandersetzung um die »Pro-Bewegung« bekommt in dem Werk eine neue Dimen­sion, da nicht alleine darüber ­reflektiert wird, ob es sich um justiziablen Rechtsextremismus handelt. Mit dem Begriff des rechten Populismus wird das Phänomen hinter bürgerlicher Maskerade versteckter Ressentiments enttarnt: Als »wir­kungsvolles Angstthema« wür­den gezielt Vorurteile gegen eine »schleichende Isla­misierung« geschürt. Zwischen Islam als Religion und Islamismus als politisch ummanteltem Terrorismus würden die Politiker von »Pro Köln« nicht unterscheiden. So gehe es den Rechtsaußen-Politikern nicht um eine differenzierte Betrachtung und Lösungsansätze für soziale Pro­bleme, »sondern schlicht um die Bündelung von Ressentiments«.

Wo immer das »Modell Pro Köln« in anderen Städten kopiert wird, geht es meist um Protest gegen Moscheebauten: Unterstützer entsprechender Resolutionen werden oft mit ihrer Anschrift bei der »Pro-Bewegung« zentral erfasst, um fortan rechtes Propagan­damaterial zugeschickt zu bekommen. Immer wieder setzen die Rechten auf die gleichen Themen, um sie laut zitiertem Konzept­papier für ihre Zwecke zu instrumentalisieren: »Multi-Kultura­lismus, Kriminalitätsentwicklung, Korruption und soziale Gerechtigkeit«. Grundprinzip ist die Beschwörung eines »Volkswillens«, eines »gesunden Menschenverstandes«, einer Haltung des »Wir« gegen »die Anderen«. Demo­kra­tische Politiker werden als »verbraucht« und »korrupt« beschimpft, weshalb die SPD-Ratsfrau Susana dos Santos Herrmann eine Parallele zu Hitler und ­Goebbels zieht, die stets von »Systemparteien« sprachen und die NSDAP ebenfalls »Bewegung« nannten.

Die Autoren begeben sich auch auf Spurensuche in der Vergangenheit der »Pro«-Protagonisten. Da wird in Erinnerung gebracht, dass der Kölner Ratsherr Markus Beisicht mal im ­Bundesvorstand der »Republikaner« saß und sein Fraktionskollege Manfred Rouhs einst NPD-Bundestagskandidat war. Die Sozialisation im rechtsextremen Lager wird so deutlich sichtbar. Inzwischen distanzieren sich die »Pro«-Leute zwar von Nazi-Parteien, auf internationaler Ebene ko­operieren sie aber mit Rechts­außen-Formationen. Die Zusam­men­arbeit von Rechtspopulisten aus europäischen Ländern beim jüngsten »Anti-Islamisierungskon­gress« ist keine Neuigkeit: Schon 1992 und 2007 gab es entsprechende Treffen in Köln.

Das Buch beschäftigt sich auch mit dem gesellschaftlichen Nährboden, auf dem die rechte Saat gedeihen kann. Es wird kritisiert, dass die türkisch-islamische Organisation Ditib den Bau der Ehrenfelder Moschee nur mangelhaft in der Öffentlichkeit kommuniziert habe. Die Ditib sei dem türkischen Staat unterstellt, und die Imame (Vorbeter) würden in der Türkei ausgebildet und müssten alle paar Jahre wechseln. Das erschwere eine nachhaltige Gemeinde- und Integrationsarbeit. Als »eigentliches Dilemma« wird gesehen, dass sich die Muslime in Deutschland nicht zentral
organisieren, weshalb Politiker keine einheitlichen Ansprechpartner haben.

Die Behandlung des Islam als »Ausländerreligion« sei ein weiteres Problem: Als in den 1960er Jahren »Gastarbeiter« in die Bundesrepublik kamen, hätten sich Staat und Gesellschaft kaum um sie gekümmert. Dass die Muslime jetzt repräsentative Moscheen errichten zeige ihre Bereitschaft, hier eine neue Heimat zu finden: Die Widerspiegelung ihres Lebensstils in der Öffentlichkeit müsse eine »Selbstverständlichkeit darstellen«.

Was man aus den Erfolgen von »Pro Köln« lernen kann? »Auf Resonanz treffen sie vor allem dort, wo die offizielle Politik lokale Probleme oder Fragen der Bürgerinnen und Bürger nicht oder nicht angemessen aufgreift und bearbeitet.« Politiker hät­ten meist »ungenügende Kenntnis rechts­­populistischer Strategien«. Auch die Medien hätten, um die Rechtsaußen-Gruppierung nicht unnötig aufzuwerten, zu lange geschwiegen. Das müsse sich genauso ändern wie die schulische Bildung. Immer noch stehe auf den Lehrplänen eher die Auseinandersetzung mit Skinheads und Neonazis, während aktuelle Ent­wick­lungen wie rechter Popu­lismus und »Autonome Nazis« bei vielen Lehrern nahezu unbekannt seien.

Alexander Häusler (Hrsg.): »Rechts­populismus als Bürgerbewegung«, VS Verlag 2008, 292 S., 24,90 Euro