Die Kamera im Schlüsselloch

Mit seinem klaustrophobischen Thriller »Panic Room« erweist sich David Fincher (»Fight Club«) erneut als einer der formal brillantesten Filmemacher Hollywoods. Interview mit Finchers langjährigem Cutter James Haygood.

StadtRevue: »Panic Room« ist nach »The Game« und »Fight Club« erst Ihr dritter gemeinsamer Film mit David Fincher, obwohl Sie mit ihm schon seit 1985 arbeiten. Wie kommt das?

James Haygood: Wir haben vor 17 Jahren begonnen, Werbung und Musikvideos zu machen: »Love Is Strong« für die Rolling Stones und »Vogue« für Madonna, sowie etliche Werbespots für Nike, Levi’s, Budweiser. Die erste gemeinsame Kinoarbeit war dann 1997 »The Game« mit Michael Douglas. Davids erster Film war »Seven«, aber da hatte er noch nicht den Einfluss bei den Produzenten, um alle die Leute zu holen, die er haben wollte. Das Studio hat ihm das Team zugeteilt, aber seine Position hat sich dann natürlich mit dem Erfolg von »Seven« schlagartig verändert.

Was macht Ihre Zusammenarbeit aus?

Wir haben die selbe Art von Humor, und daraus hat sich auch eine Freundschaft entwickelt. Es gibt natürlich auch Unterschiede in unseren Auffassungen – David will häufig schnellere Schnitte haben, als ich sie machen würde. Entscheidend für die gute Zusammenarbeit von Regisseuren und Cuttern ist, dass sie nicht viele Worte machen müssen, um dem andern zu verdeutlichen, was sie wollen.

Sie haben noch nicht mit anderen Regisseuren gedreht und sich auch noch nicht als Regisseur versucht, übt das keinen Reiz aus?

Größeren Ehrgeiz habe ich in diese Richtung nicht. Vielleicht werde ich auch irgendwann einmal mit einem anderen Regisseur zusammen arbeiten, doch das ist auch immer eine Zeitfrage, schließlich bin ich ja weiterhin viel beschäftigt mit der Produktion von Werbung.

Was unterscheidet den Schnitt von Werbung und Hollywood-Filmen?

Bei Werbung ist einem schon immer sehr stark bewusst, dass es um sehr viel Geld geht, und dass dieses Geld nicht das eigene ist. Und es geht nicht darum, schöne Geschichten zu erzählen, sondern Schuhe zu verkaufen. Ich verwirkliche mich nicht, sondern gehe einer gut bezahlten Arbeit mit dem Geld fremder Leute nach, also stelle ich meine Ambitionen zurück hinter die Interessen der Auftraggeber.

Einige der großartigsten Szenen in »Panic Room« wurden im Computer produziert, ist das die Richtung, in die Kino geht?

Sie meinen, ob viele von uns demnächst arbeitslos werden, weil man Filme inzwischen auch am Macintosh machen kann? Ich glaube nicht. Sicherlich wird die Software beim Filme machen immer wichtiger werden. Wir haben Szenen in »Panic Room«, die man gar nicht drehen kann. Das weiß man auch als Zuschauer, wenn man diese Szenen sieht, und trotzdem merkt man es nicht, das ist das Tolle! Real- und Computerbilder lassen sich fantastisch kombinieren. Die Arbeit am Computer ist ideal, es ermöglicht, die Szenen perfekt vorzubereiten, bevor es dann ans Set geht, und später hat man noch die Möglichkeit, ein paar Blätter an die Bäume zu kleben, denn so etwas nachzudrehen, wäre ja allein aus Kostengründen kaum möglich. Aber um meinen Job mache ich mir Sorgen, ganz einfach, weil er ja auch darin besteht, dem Regisseur zu helfen, Bilder, Szenen, Sequenzen auszuwählen – und das macht zu zweit einfach mehr Spaß. Ohne diesen gewissen human touch werden keine guten Filme gelingen.

Gibt es verschiedene Richtungen beim Schnitt, unterschiedliche Lehrmeinungen?

Viele meiner Kollegen gehen sehr dogmatisch an die Arbeit, sehr theoretisch. Sie wissen im Grunde vorher, wie sie schneiden werden. Ich arbeite nicht so, ich lasse mich vom Material und vom Regisseur inspirieren, damit komme ich zu den besten Ergebnissen. Mich haben akademische Stilfragen nie sonderlich interessiert, ich arbeite viel lieber aus der Situation heraus.

Der Job des Cutters wird der Postproduktion zugerechnet, wann beginnt für Sie die Arbeit an einem Film?

Wenn der Dreh beginnt, fängt auch meine Arbeit an, anders geht es gar nicht. Man könnte nicht erst nach Drehschluss beginnen zu sichten und zu schneiden, das wäre zu aufwendig und zu teuer. Außerdem käme man durch die Berge von Material kaum noch durch. Also wird parallel zum Dreh schon einmal gesichtet und grob geschnitten. Ich halte mich während der Dreharbeiten am Set auf oder wir ziehen uns in Davids Haus zurück.

Interessieren sich Schauspieler für Ihre Arbeit, für die Postproduktion ihrer Filme?

Also, ich sage es mal so: David ermutigt keinen seiner Schauspieler, zur Postproduktion zu kommen. Er ist ein ziemlicher Kontrollfreak, der weder die Tonmischung noch die Farbbestimmung aus seinen Händen lässt, und der klare Vorstellungen vom fertigen Film hat und sich da nicht reinreden lassen möchte.

Sind sie beim nächsten Film von Fincher wieder dabei?

Ich sage ihm immer, dass er auf jeden Fall Bescheid sagen soll, wenn es los geht. Möglichst nicht früher, denn er hat ständig Ideen im Kopf, aber dann fehlen noch Gelder oder sonst irgendetwas, also ist mir am liebsten, erst bei konkreten Projekten angefragt zu werden. Ich schätze seinen Stil sehr. Und ich bin gespannt, inwieweit das inzwischen mein Stil ist. Das werde ich ja sehen, wenn ich irgendwann einmal mit einem anderen Regisseur arbeite und dann gewisse Ähnlichkeiten beim Resultat sichtbar werden.

Panic Room (dto) USA 02, R: David Fincher, D: Jodie Foster, Forest Whitaker, Jared Leto, Kristen Stewart, 108 Min. Start: 18.4.