Junge, wer bist du denn?!

Die Porzer HipHop-Crews Deadline Dynastie und Komekaté

spielen mit dem Ghetto-Image ihres Viertels.

Oliver Minck hat sie getroffen

Porz hat eine beachtliche musikalische Tradi­tion. Mit dem Reggae-Sänger Gentleman und der HipHop-Crew Die Firma kommen zwei der erfolgreichsten musikalischen Kölner Exportartikel der letzen 15 Jahre aus dem rechtsrheinischen Stadtteil. Über die 1975 eingemeindete Vorstadt rümpft man anderswo schon mal die Nase, denn Teile von Porz gelten, so wie Chorweiler, als Ghetto von Köln, als triste Sattelitensiedlungen, um die man einen Bogen macht. Dabei sind es natürlich nicht die ländlichen Gebiete und bürgerlichen Reihenhaussiedlungen, die dieses Image prägen, sondern die Ende der 60er Jahre errichtete, rund siebentausend Bewohner fassende Hochhaussiedlung in Porz-Finkenberg, die auch »das Demo« genannt wird, weil es einst als »Demonstrativ-Bauvorhaben« ausgegeben wurde.

Die kriegen Weiber

Während Gentleman und Die Firma nie viel Aufheben um ihre Herkunft gemacht haben, gibt es nun eine neue Generation von HipHop-Musikern, die darum bemüht sind, den Ruf ihres Viertels imageträchtig zu nutzen. Besonders ein Clip zieht auf der Videoplattform YouTube schon seit einigen Monaten weite Kreise: »Köln Porz Deadline« heißt der Track von Deadline Dynastie, einem Haufen im Schnitt 19-jähriger Rapper, allesamt mit ausländischem Hintergrund und fantasievollen Künstlernamen: JA2NI hat Wurzeln in Griechenland, A-C-H in Tunesien, Joe Vegaz in Mexiko, A-k-O in Albanien, Dihad in Indien und Afghanistan, Big Non in der Dominikanischen Republik und Cherritio in Kolumbien. Ihr Track hat trotz der ungelenken Raps eindeutig Hitqualitäten. Schon beim zweiten Durchgang möchte man den Refrain mitgrölen: »Köln Porz Deadline, le, le, la, 51 Nordrhein«. Auf dem schmalen Grad zwischen Ghetto-Klischee und Multikulti-Romantik inszenieren die Jungs visuell und verbal auf originelle Weise sich und ihr Viertel.

»Wir haben vor fünf Jahren angefangen mit dem Rappen«, erinnert sich Joe Vegaz beim Treffen an einer Sparkasse etwas außerhalb des Demos, wo die Jungs meist abhängen. »Wir wa­ren vorher schon ein Freundeskreis und haben das einfach aus Spaß gemacht«. A-k-O ist erst vor drei Jahren dazugestoßen: »Ich hab gesehen: Das ist cool – ich will auch cool sein. Und die kriegen Weiber.« So läuft das im Gespräch mit den Deadline-Jungs: Jeder ernst gemeinte Satz wird abgefedert mit einem dummen Spruch. Rappen ist für sie eben »einen auf dicke Hose machen«, einer der Gründe, »weshalb Frauen nicht so gut in die Crew passen würden«.
Für die seriöseren Ansagen ist bei Deadline vor allem Joe Vegaz, der auch die Videos dreht, zuständig: »Wir können nicht nach Miami an den Strand fliegen. Wir sollen rüberkommen, wie wir sind. Deswegen sag ich auch nicht: Bringt alle eure Waffen zum Dreh mit. Wir haben auch mal einen Pitbull im Video, aber das ist eher Zufall, weil gerade ein Freund mit \'nem Hund vorbeikam. Wir gehen raus vor die Tür und drehen einfach.« Und vor ihrer Tür, da sind nun mal die Hochhäuser. »Porz ist nicht außergewöhnlich. Probleme gibt es überall, in Porz vielleicht ein bisschen mehr.«

Das in den eigenen Tracks propagierte Ausländer- und Plattenbauklischee geht den Jungs inzwischen selbst ein wenig auf den Geist. Weshalb für die neueste Veröffentlichung, das auf der Homepage kostenlos angebotene »Hakke-Mixtape«, ein ganz anderes Motto gewählt wurde: Alkohol. »Das war ein Spaßding«, erklärt JA2NI. »Schließlich sind wir immer derbe besoffen am Wochenende.« Joe Vegaz relativiert: »Bei uns ist immer Ironie und Übertreibung mit drin. Alle rappen immer nur darüber, wie hart sie sind und dass sie aus dem Ghetto kommen. Wir wollten mal ein wenig Abwechslung.«

Großen Wert legen die Jungs darauf, dass es sich bei ihrem Projekt um eine Spaßangelegenheit handelt. Alle gehen zur Schule oder machen eine Ausbildung, Joe Vegaz hat ein Studium begonnen. Migrantenkinder also, die eher von einer soliden beruflichen Zukunft als von einer Rapkarriere träumen: »Wir sind locker und sehen das nicht so verkrampft wie viele andere.«

Porz hat uns zusammengebracht

Diejenigen, die Vegaz mit den »anderen« meint, hören zum Beispiel auf den Namen Komekaté: Die aus sieben Porzer Jungs bestehende Crew meint es ernst und plant eine professionelle Karriere im HipHop-Business. Dafür hat sie sich gut vorbereitet – mit eigenen Räumen auf der Porzer Hauptstraße, die momentan zu einer Studio- und Bürozen­trale ausgebaut werden. Auch Komekaté besteht aus sieben Protagonisten mit unterschiedlichen Wurzeln: Irak, Iran, Kongo, Tunesien, Kurdistan, Türkei und Deutschland.

Mit 20, 21 Jahren sind Komekaté zwar nur ein paar Jahre älter als die Deadline-Jungs, dennoch gibt es einen Masterplan: Vor der Veröffentlichung des ersten Tonträgers im Handel soll von jedem Künstler ein Solo-Mixtape im Netz veröffentlicht werden, das zuvor gemeinsam produziert wird. Rapper Fly war als erster an der Reihe, derzeit wird Benyo Hussain promotet. Zu seinem düs­teren Track »Tränen für Irak« wurde in Eigenregie ein aufwändiges Video gedreht, für das er viel Aufmerksamkeit von überregionalen HipHop-Magazinen einheimsen konnte.

»Porz hat uns zusammengebracht, wir haben uns auf der Straße kennen gelernt«, sagt Sänger Kurdy A. Dass dabei die Rauheit des Viertels auf den eigenen Habitus abfärbe, ließe sich nicht vermeiden, sagt Mette Makkat. »Wenn du ein Leben lang mitbekommst, dass die harten Jungs die Kohle machen, und dass, wer \\\'ne dicke Uhr hat, auch die meisten Weiber abbekommt, dann fängst du irgendwann selbst an, das zu zelebrieren. Wir sind so aufgewachsen: Wenn du aus Porz kommst und die Fresse aufreißt, sagt keiner was. Die Leute haben nicht viel, aber sie haben ihren Stolz, aus Porz zu kommen.« Dennoch betrachtet Mette, der gemeinsam mit Easy Digital für die Produktion zuständig ist, seine Crew nicht als Gangster-Rapper: »Unsere Ausdrucksweise ist manchmal hart. Ich will aber nicht, dass Komekaté bekannt wird als das Label, das sagt: Wir ficken alle in den Arsch.«

Und selbst wenn die Crew in ihren Videos Porz gerne als hartes Pflaster inszeniert, so ist ihnen doch klar, dass man mit dem Begriff »Ghetto« im wirklichen Leben vorsichtig umgehen muss. Black Fire bringt die Situation auf den Punkt: »Die Leute sagen Ghetto und denken sofort an Amerika. Wir leben hier aber in einer völlig anderen Umwelt. Natürlich kannst du hier nicht mit der Brust raus rumlaufen und allen drei Sekunden lang in die Augen schauen. In Rodenkirchen guckt dein Gegenüber vielleicht nach unten. Aber hier sagt er: Junge, wer bist du denn! Was ist eigentlich los?«

Weitere Infos zu Deadline Dynastie und Komekaté gibt es auf www.kpdeadline.de bzw. www.komekate.de



Gangster, Charts, Wortwitz –
noch mehr HipHop aus Köln


Ernst gemeinter Gangster-Rap hat in Köln wenig Tradition. Wer sich neuerdings aber in dem Genre versucht, ist La Honda, ein Chorweiler Duo im Türsteher-Outfit, das sich mit seiner Vergangenheit in Ossendorfer Jugendgangs brüstet. Gern gesehener Gast bei La Honda ist der ehemalige Chart-Rapper Eko Fresh (»König von Deutschland«), der vor einiger Zeit von Berlin nach Köln-Gremberg gezogen ist. Aus der Südstadt kommt Crazy Kanak, der 1999 durch ein Duett mit Brings (»Neyin var?«) kurzzeitig ins kölsche Bewusstsein katapultiert wurde. Nach einigen größeren Konflikten mit dem Gesetz, versucht er nun einen zweiten Anlauf im Musikgeschäft.

Natürlich wird in Köln auch HipHop produziert, der dem klassischen Conscious-Rap zuzuordnen ist. Etwa die Sparky Eskobar und auch Cizzah, der zum FMN-HipHop-Netzwerk (www.fmn-music.com) gehört. Begnadet wortwitzige Oldschool-HipHopper sind Huss und Hodn sowie die Newcomer Doctor Positiva.