Nicht nur Grund zum Feiern

Nicht nur Grund zum Feiern Köln hat ein Zeichen gesetzt: Am 19. und 20. September wurde die rechts­extreme »Bürgerbewegung Pro Köln« der Lächerlichkeit preisgegeben, ihr rassistischer »Anti-Islam-Kongress« verhindert. Dennoch hinterlassen die Ereignisse einen zweifelhaften Eindruck. Ein Kommentar von Bernd Wilberg

Die Rechtsextremen müssen sich eingestehen: Ihr »Anti-Islam-Kongress« war ein Flop sondergleichen. Die vermeintliche »Bürgerbewegung Pro Köln« hat sich am 19. und 20. September der Lächerlichkeit preisgegeben. Zehntausende Menschen demonstrierten gegen deren rassistische Politik. Auf Schritt und Tritt wurden die Rechtsextremen von Gegendemonstranten begleitet: Taxifahrer und Hoteliers boykottierten sie, Kneipenwirte wollten »Kein Kölsch für Nazis« ausschenken. Und OB Fritz Schramma (CDU) hielt auf der Kundgebung am Gürzenich, die von einem breiten Bündnis quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen getragen wurde, die Rede seines Lebens. Schrammas kölscher Singsang geriet ins Tremolo, als er »dieser verfaulten Clique des Eurofaschismus« zurief: »Da ist der Ausgang, da geht’s nach Hause!«

Doch bei aller Genugtuung darüber, dass Köln ein imposantes Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt hat – den Aufmarsch der Rassisten am Heumarkt hätten weder Schramma und die anderen Politiker, noch die Gewerkschaften, die Kirchen, die Bauchtanzgruppen und Kölschrocker und die Tausenden von Demonstranten am Gürzenich verhindern können. Dass die Pro-Köln-Kundgebung auf dem Heumarkt verboten wurde, lag allein daran, wie die Polizei die Situation vor den Blockaden gedeutet hat. Zur Blockade hatten unter anderem die Antifa, Attac und linke Jugendorganisationen aufgerufen. Dass sich dort auch
linke Autonome, der sogenannte Schwarze Block, versammelte, war für die Polizei schließlich der Anlass, die Pro-Köln-Kundgebung zu verbieten. Die offizielle Begründung lautete, dass man für die Sicherheit der Kölnerinnen und Kölner nicht hätte garantieren können. Wie? Trotz der Wasserwerfer, der Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern und der allgegenwärtigen Überwachungskameras? Es hat den Anschein, dass der Schwarze Block nur der Vorwand für diese Entscheidung war – und dass dieses Verbot ein Zugeständnis an die politische Stimmung war.

Der Schwarze Block, das sind überwiegend junge Männer, die mit Kapuzenpullis und Sonnenbrillen aufmarschieren, sich »den Bullen« entgegenstellen und die große rebellische Pose zelebrieren. Der Schwarze Block – das heißt Selbstvergewisserung im Ausnahmezustand. Dahinter steckt eine politische Romantik: Was den Schwarzen Block antreibt, ist neben dem Antifaschismus vor allem der Rausch des Kampfes. Nun mag es Schlimmeres geben, als Altglascontainer umzukippen, Mülltonnen abzufackeln und die Bürger hinter den Gardinen zu ängstigen, – aber es zeigt, wie sinnfrei, wie dumm und schließlich: wie unpolitisch und kontraproduktiv das ist. Denn es liefert der Polizei jeweils die Rechtfertigung für ihre Maßnahmen – mal Schlagstock, mal Naziaufmarschverbot.

Diesmal wurde die Rassistenkundgebung verboten. Als Tatsache ist das zu begrüßen, doch wie willkürlich diese Entscheidung war, muss einen erschrecken. Es stellt sich die Frage, wie die Polizei entschieden hätte, wenn es nicht solch ein breites Bündnis gegen Pro Köln gegeben hätte. Was wird geschehen, wenn demnächst nicht gegen Nazis demonstriert wird, sondern gegen Organisationen, die vom kölschen Mainstream nicht abgelehnt werden? Bei Kundgebungen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Kürzung von Sozialausgaben, gegen die Vertreter neoliberaler Wirtschaftspolitik. Dann könnte es reichen, ein paar Vermummte des Schwarzen Blocks unter den Demonstranten zu entdecken, um die Proteste zu verbieten oder hart dagegen vorzugehen.

Wie willkürlich die Polizei offensichtlich agiert hat, zeigt auch, dass sich der Innenausschuss des NRW-Landtags jetzt mit dem Einsatz auseinandersetzen muss: Etwa 400 Menschen, darunter 70 Jugendliche, sollen nach Brühl transportiert und dort mehrere Stunden in Käfigen festgehalten worden sein, teilweise unter unwürdigen Bedingungen und ohne Verpflegung. So gibt es nach dem turbulenten Wochenende zwei Erkenntnisse. Die gute Nachricht: Pro Köln dürfte es kaum noch schaffen, in Köln Fuß zu fassen. Das heißt nicht, dass es in Köln keinen Rassismus mehr gibt. Aber viele, die noch bei der letzten Kommunalwahl ihre Stimme Pro Köln gegeben haben, werden sich das nun verkneifen. Die Polizeieinsätze an diesen Tagen lassen hingegen nichts Gutes ahnen: Nicht nur, weil sie chaotisch wirkten und jetzt den Landtag beschäftigen, sondern auch, weil die Entscheidungen der Polizei eine fragwürdige – im Ergebnis zwar zu begrüßende – Abhängigkeit von der politischen Stimmung offenbarten.