Foto: Manfred Wegener

Kultur als Allzweckwaffe

Bonn baut ein Festspielhaus, Köln ein neues Schauspielhaus und ein jüdisches Museum, Bochum eine Konzerthalle. Trotz der ökonomischen Krise scheint in den Kommunen eine Art kulturelle Gründerzeit ausgebrochen. Im Wettkampf der Städte um Familien, technisch-wissenschaftliche Intelligenz und Unternehmen soll die Stadt als attraktiver Standort und Marke positioniert werden. Dabei sind die »soft skills« der Kultur unentbehrlich. Unentbehrlich aber auch als Sinnangebot und sozialer Kitt einer Stadtgesellschaft zwischen Überalterung, Migration und Bildungsmisere.
Kultur also als Allzweckwaffe kommunaler Innen- und Außenpolitik? Der Gedanke liegt nach dem 2. Kölner Kulturpolitischen Symposium am 7. und 8. November nahe. War die erste Ausgabe 2006 noch ganz auf Köln ausgerichtet, so hatten der Kulturrat und sein Sprecher Peter Bach diesmal ein überregionales Forum auf die Beine gestellt, das das Zeug zu einem Think-Tank hatte – und dessen Niveau man sich in hiesigen Diskussionen häufiger wünschen würde. Es ging um vier Schwerpunkte: Kultur und Wirtschaft, Kultur und Soziales, Partizipation, und die Gretchenfrage für Politiker und Verwaltung: Ist Kultur planbar?

Für viele ist Kultur immer noch Hochkultur

Spannend zunächst, was darunter überhaupt verstanden wird. Susanne Keuchel vom Bonner Zentrum für Kulturforschung hat nach der Definition von Kultur bei der Generation 50+ sowie Jugendlichen aus deutschen und zugewanderten Familien gefragt. Da wurde Theater und Oper an erster Stelle genannt, beim eigenen Interesse jedoch an letzter. Für viele ist Kultur immer noch Hochkultur – doch was man selbst mag, fällt nicht unbedingt darunter: Da wird quer durch die Generationen an erster Stelle Musik und Film genannt. Geschlagen wird diese Präferenz nur von dem Interesse für eine »Kultur der Länder«, was immer auch damit gemeint ist, von Folklore bis HipHop. Das trifft sich gut – denkt Köln nicht gerade über ein »Haus der Kulturen der Welt« nach?
Angesichts einer verfehlten Bildungs- und Migrationspolitik wundert man sich über einen derart exklusiven Hochkulturbegriff eigentlich nicht. Ob die derzeitig gehätschelte »Kulturelle Bildung« da Abhilfe schaffen kann, ist zweifelhaft. Antonia Lahmé von der Bundeskulturstiftung warnte: Der kommunale Aktionismus gehe einher mit Einsparungen bei Stadtbibliotheken und Volkshochschulen. Lahmé plädiert für die Einbeziehung der Jugendlichen und: verstärkte künstlerische Qualität.

Noch ist nicht ausgemacht, was von all den Versprechungen überhaupt übrig bleibt angesichts der Finanzkrise. Barbara Kisseler sprach sogar von einem »kulturpolitischen Déjà-vu der 70er Jahre«. Die Chefin der Berliner Senatskanzlei hielt einen der eindrücklichsten Vorträge zum Thema »Bedroht Planung die Freiheit der Kunst?«, in dem es letztlich aber um Grundfragen der Kulturentwicklungsplanung ging. Ein Thema, das in Köln hochaktuell ist, seit die Politik der Verwaltung im Juni 2006 die Erstellung eines Kulturentwicklungsplans als Hausaufgabe gestellt hat. Dessen Zweck: »Anhand von Zielen Prioritäten für die städtische Entwicklung der Kultur formulieren«. Oder mit den schönen lapidaren Worten von Barbara Kisseler: »Was mache ich warum, wann und mit welchen Mitteln?«

Prioritäten setzen

Für Kisseler bedroht Planung keineswegs die Freiheit der Kunst: Kulturentwicklungspläne formulierten vielmehr verbindliche Ziele, nicht Maßnahmen. Leitendes Prinzip müsse dabei sein, »Stärken zu stärken«. Für Köln bedeutet das etwa: Soll die Stadt das Gewicht auf die Kunst, die Musik, Film und Medien und/oder die Vielfalt der Kulturen legen? Welche Rolle können Theater und Literatur spielen? Oder, um ein Beispiel aus der Nachbarschaft zu nennen: Bonn hat sich als UN-, Wissenschafts- und Beethovenstadt positioniert und dafür die Biennale geopfert. Wer Prioritäten setzt, muss sich auch darüber im Klaren sein, dass irgendetwas hinten runterfällt.

Da Kultur per se dynamisch sei und ein Plan das Gegenteil davon, plädiert Kisseler für »prozessorientiertes Arbeiten mit Abweichungsmöglichkeiten«. Wich­tigste Kriterien seien dabei die Beteiligung der Kulturschaffenden schon bei der Bestandsaufnahme (da fehlte es in Köln anfangs an Fingerspitzengefühl), Transparenz von Entscheidungsprozessen und langfristige Verlässlichkeit. Dabei solle sich die Politik weitgehend raushalten. Bei der Verwobenheit der Kölner Politik mit der Kultur dürfte das zu einer Herkulesaufgabe für die Kölner Verwaltung werden. Am 2. Dezember stellt die Verwaltung den neuen Kulturentwicklungsplan dem Kulturausschuss vor. Dann wissen wir mehr.