© Lita Cabelut

Das Dilemma

Im Kölnischen Stadtmuseum eröffnet diesen Monat

die Ausstellung »Kunst der Roma – Roma in der Kunst«. Christian Steigels hat Künstler und Initiatoren getroffen und meint: Das Projekt ist ambitioniert, wohlmeinend und – etwas verworren

> Katarzyna Pollok kennt die Vorurteile aus eigener Erfahrung: »Sinti haben einfach Musiker zu sein – und nicht Maler«, sagt sie. Die Ansicht, dass Roma-Kunst naiv, folkloristisch und handwerklich sei, hält sich hartnäckig. Mit der Ausstellung »Die vergessenen Europäer. Kunst der Roma – Roma in der Kunst« im Stadtmuseum will man dieser Diskriminierung und der Randstellung von Pollok und ihren Künstlerkollegen entgegen treten. Organisiert wurde die Schau vom Kölner Verein Rom e.V. in Zusammenarbeit mit Kölner Künstlerinnen und Künstlern.

»Die Idee gibt es schon seit ein paar Jahren«, erklärt die Künstlerin und Mitveranstalterin Eva Ohlow. Dass sie nun umgesetzt wird, ist auch eine Folge der Biennale 2007 in Venedig. Bei dieser wichtigsten internationalen Biennale wird traditionell ein Großteil der Kunst bis heute in Länder-Pavillons präsentiert. Längst gehören zu ihr auch Diskussionen und künstlerische Beiträge, die dieses historische Konzept angreifen – schließlich sind nur bestimmte Länder mit eigenen Pavillons vertreten – oder sich dagegen wenden, Kunstwerke und Künstler überhaupt national zu labeln. Das Bewusstsein für solche Fragen schärfte auch die letzte Biennale: 2007 gab es erstmals einen Pavillon mit Werken von Roma-Künstlerinnen und Künstlern. »Die Biennale war ein erster Schritt, um zeitgenössischer Roma-Kunst das Publikum zuzuführen, das sie verdient«, sagt Timea Junghaus. Die 33-jährige Kunsthistorikerin aus Budapest kuratierte den Pavillon und gilt als eine der wichtigsten Akteurinnen in Sachen zeitgenössischer Roma-Kunst. Für die Kölner Ausstellung hat sie einen Text im Katalog beigesteuert und wird die Eröffnungsrede halten.

Junghaus ist nicht das einzige Bindeglied zu Venedig: Auch die Maler Daniel Baker und Gabi Jiménez und der Fotograf Nihad Nino Pusija waren auf der Biennale vertreten. Gemeinsam mit den insgesamt zehn Roma-Künstlern – neben den Genannten ist besonders die in den Niederlanden lebende Lita Cabellut mit ihren freskoartigen, abstrakten Porträts zu erwähnen – werden Werke von drei Künstlern aus Köln gezeigt, die sich in ihren Werken mit Leben und Kultur der Minderheit beschäftigen. Neben Ohlow, die eine Objektinstallation vorstellt, sind der Foto- und Objektkünstler Kálmán Várady und der Fotograf Harald Klemm vertreten.

Das Bild des »Zigeuners«

Die Schau beschränkt sich nicht auf die Ausstellung zeitgenössischer Kunst: Neben dem eigentlichem Hauptteil im Obergeschoss des Stadtmuseums geht es im unteren Stockwerk um die Darstellungen von Roma in der Kunstgeschichte seit dem 15. Jahrhundert. Die Palette reicht von Stephan Lochners »Apostelmartyrien« über Kitschbilder aus dem 19. Jahrhundert bis zu Porträts des Fotografen August Sander. Allen ist gemein, dass sie das Bild vom »Zigeuner« geprägt haben – ob als heimatlos und kriminell oder als leidenschaftlich und musikalisch begabt. Verschiedene Alltagsgegenstände zeigen zudem, wie weit die durch die Kunst erzeugten Vorstellungen heute unsere Wahrnehmung prägen: Von Zigeunersoße im Glas bis hin zu einem Wein namens Zigeunerblut.

Diesen ethnisierenden Darstellungen sind Dokumente der Verfolgung aus dem Archiv von Rom e.V. ebenso zur Seite gestellt wie Porträts von Dina Gottliebova, einer in Auschwitz internierten Jüdin, die im Auftrag von Josef Mengele Zeichnungen von Roma anfertigte. In einer weiteren Sektion schließlich werden Bilder von Kindern der Roma-Schule Amaro Kher gezeigt, die in Workshops mit dem Künstler Thomas F. Fischer und den Kunsttherapeutinnen Rabea Müller und Angelika Preß entstanden sind. Sehr Unterschiedliches also findet hier zusammen.

Fehlendes klares Profil

Für Kurt Holl, den Vorsitzenden von Rom e.V., ist vor allem der politische Charakter der Ausstellung wichtig: »Wir wollen die in den Köpfen befindlichen Bilder vom
›Zigeuner‹ irritieren und aufbrechen«, sagt er. »Die Leute sollen mit dem konfrontiert werden, was sie sowieso schon denken. Und das wird dann im Laufe der Ausstellung immer wieder in Frage gestellt. Auf dem Weg ins Obergeschoss sollen die Roma vom Objekt der Phantasien von Künstlern selber zum Subjekt werden.« Keine Frage: Die Schau ist ein ambitioniertes Projekt von Menschen,
die sich ernsthaft mit der Verfolgung und Ausgrenzung von Roma beschäftigen. Für eine nach rein künstlerischen Kriterien konzipierte Veranstaltung fehlt das klare Profil – wollen die Macher nun eine Kunstschau oder doch eher eine ethnologische Roma-Ausstellung zeigen?

Diese Unklarheit könnte für Probleme sorgen: Durch den Ansatz, Roma gemeinsam mit Nicht-Roma als gleichberechtigte Kunstproduzenten auszustellen, soll das Hauptaugenmerk auf die Kunst gelenkt werden und der Roma-Hintergrund der Teilnehmer lediglich als ein Aspekt ihrer Identität erscheinen. Doch durch den eher ethnologischen Teil der Ausstellung im Untergeschoss, mit dem sich der Besucher allein durch die räumliche Aufteilung unweigerlich als Erstes auseinandersetzen muss, nimmt die Roma-Identität der Künstler viel Raum ein. Marginalisiert man die Teilnehmer dadurch nicht doch wieder als eine Minderheit, die mehr aufgrund ihres persönlichen Schicksals denn ob ihres künstlerischen Schaffens Respekt verdient? »Diese Wahrnehmung wird bei vielen Besuchern nicht zu vermeiden sein«, vermutet auch Pollok.

Ironischerweise ist dieses Dilemma der Austellung, die sich nicht so recht entscheiden kann, was sie nun eigentlich sein will, ähnlich dem Dilemma vieler junger Künstler mit Roma-Hintergrund. »Auf der einen Seite wollen sie bloß als Künstler wahrgenommen werden. Aber auf der anderen Seite sind sie halt auch Roma – und als solche ist es ihnen wichtig, sich als Roma zu präsentieren, da sie seit Jahrhunderten ausschließlich von Nicht-Roma repräsentiert wurden«, erläutert Junghaus.

Vom Rand in die Mitte der Gesellschaft

Während in der aktuellen Kunstdebatte der Interpretationsansatz mittels Herkunft oder nationaler Identität als altmodisch und kontraproduktiv gilt, findet so bei vielen Roma-Künstlern eine Art Reclaiming-Prozess statt. Eine Aneignung der Identitätszuschreibungen, mit dem Ziel, aktiv die Fremdbestimmung aufzuheben. Bestes künstlerisches Exempel dafür sind die quietschbunten Bilder von Jiménez, auf denen sich haufenweise Comic-Wohnwagen tummeln und die den Roma-Hintergrund des Künstlers ganz bewusst herauf beschwören. So verstanden ist der ethnologische Teil der Ausstellung, eher unfreiwillig, fast schon wieder im Interesse der Künstler.

Wie dem auch sei – die Schau im Stadtmuseum hat unabhängig von ihrem unscharfen Profil Potenzial, Öffentlichkeit für die Roma-Künstler schaffen – ob nun mit oder ohne Iden­titätslabel. »Viele dieser Künstler haben bislang keinen Zugang zu einem Mainstream-Publikum gehabt«, sagt Junghaus. Holl pflichtet bei: »Es geht uns darum, eine Gruppe vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu holen«, erklärt er. »Daher ist es schon ein Erfolg, dass die Ausstellung
an einem Ort wie dem Stadtmuseum stattfindet.«
Ab März soll die Schau als Wanderausstellung auf Reisen gehen. Ob und wie das klappen kann, steht noch in den Sternen: Laut Ohlow gibt es bereits Kontakt zum Vasarely-Museum in Budapest und zum Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Geht es nach den Ausstellungsmachern, soll es einmal um die Welt und dann wieder zurück zum Ausgangpunkt nach Köln gehen. Die Schau hätte somit das gleiche vor sich, was auch Katarzyna Pollok für die vollständige Anerkennung der Roma-Künstler prognostiziert: einen langen Weg.

Ausstellung:

Kölnisches Stadtmuseum, Di 10-20, Mi-So 10-17 Uhr, Eröffnung 5.12., 20 Uhr, bis 28.2.09
Es erscheint ein Katalog im Roma e.V. Verlag,
Köln 2008. Subskriptionspreis bis 24.12.2008: 19,80 €,
anschließender Ladenpreis: 25,- €

Rahmenprogramm:
Mi 10.12., 20 Uhr: Peter Bell/Dirk Suckow (Universität Trier): Kunst und Vorurteil (Diavortrag zum Zigeuner­motiv in der europäischen Malerei)
Mi 17.12., 20 Uhr: Jovan Nikolic/Ruzdija Sejdovic:
Weißer Rabe – Schwarzes Lamm – Literatur der Roma