Jünger als gestern

»Der seltsame Fall des Benjamin Button« ist ein seltsamer Film. Er übernimmt von seiner literarischen Vorlage nichts außer dem Titel und der kuriosen Ausgangs­idee: Die männliche Hauptfigur kommt als Greis zur Welt und altert danach sozusagen rückwärts. F. Scott Fitzgerald ist nicht für die zentrale, tragische Lovestory des Films verantwortlich zu machen, die fast die gesamte episodische Handlung umspannt und im Kindesalter be­ginnt – was in diesem Fall heißt, dass Benjamin Button sich als scheinbar alter Knacker heimlich zu nächtlichen Verabredungen mit einem achtjährigen Mädchen trifft, bevor eben diese Daisy im reifen Alter ihren Geliebten als (seniles) Kleinkind wieder an die Brust drückt.

So was wäre wohl nur als amour fou zu verdauen, weshalb es umso seltsamer ist, dass David Fincher einen muffigen Erzählton anschlägt, der die »Verrücktheit« dieser Liebe im Keim erstickt. Am Rande treten mehrere kuriose Nebenfiguren auf, deren Exzentrik Fincher zum Teil mit auffälligen filmischen Mitteln unterstreicht, indem er etwa restaurierungsbedürftige alte Slapstickfilme nachahmt oder eine Szene in Zeitlupe rückwärts laufen lässt. Der Protagonist erscheint dagegen über weite Strecken wie ein Verwandter einer anderen Figur, die »Benjamin Button«-Drehbuchautor Eric Roth erfunden hat: Nachdem er das Altenheim verlassen hat, das seine Adoptivmutter leitet, stolpert der infantile Greis nämlich wie Forrest Gump ebenso naiv wie ungerührt durch die Weltgeschichte.

Dekorative Hauptfiguren

Selbst nachdem er im Zweiten Weltkrieg in eine Seeschlacht geraten ist, weiß Benjamin in seinen regelmäßigen Off-Kommentaren nichts Tiefschürfendes mitzuteilen. Der Zeitbezug beschränkt sich weitgehend auf Detailgenauigkeit in Kostümdesign und Ausstattung, was hübsch anzuschauen wäre, wenn die beiden Hauptfiguren nicht zweieinhalb lange Stunden selbst wie Dekor erschienen. Vor allem die Szenen des kurzen gemeinsamen Glücks sind kaum mehr als Klischee, ganz gleich, ob sie im New Yorker Beatnik-Milieu angesiedelt sind oder am Strand von Florida, vor einem Sonnenuntergang mit NASA-Raketenstart.

Da der Film kontinuierlich damit kokettiert, die Schönheit seiner beiden Hauptdarsteller digital zu manipulieren, bezweifelt man schließlich, dass Brad Pitt und Cate Blanchett in Großaufnahme jemals ohne computergestützte Verjüngung oder Vergreisung zu sehen waren. Das passt leider, denn alles andere an dieser 150 Millionen Dollar teuren Schmonzette ist ohnehin unecht.

Der seltsame Fall des Benjamin Button
(The Curious Case of Benjamin Button) USA 08, R: David Fincher, D: Cate Blanchett, Brad Pitt, Taraji P. Henson, 166 Min. Start: 29.1.