Nach dem Goldrausch

Euphorie und Ernüchterung kuscheln sich in den Songs von Coloma eng aneinander. Sie erzählen von einem Leben im Loop der Liebe, im Zyklus der Jahreszeiten von Entflammung, wohliger Wärme, Erlöschen und Irgendwie-doch-noch-Weiterglimmen. Schließlich hat das Duo aus Köln und Berlin mit »Love’s Recurring Dream« nichts weniger als ein Konzeptalbum über die Liebe aufgenommen. In den zwölf Songs, die zusammen ein Jahr abbilden, geht es um die ewigen Kreisläufe der Emotionen und um die so hoffnungsfrohe wie melancholische Einsicht, dass die immergleichen Fehler auf alle Zeit wiederholt werden.
Form und Inhalt fügen sich dabei wunderbar ineinander, fast so perfekt wie in einem Klischee.

Die Geschichte vom »immer wiederkehrenden Liebestraum« klingt­ bei Sänger und Texter Rob Taylor und Produzent Alex Paulick nach großer Popklassik: nach Prefab Sprout mit etwas weniger Kitsch und Ironie auf den glänzenden Oberflächen oder auch nach einer überarbeiteten Neuausgabe von ABCs großem »Lexicon Of Love«. Auch wenn Paulick und Taylor selbst, angesprochen auf solche Referenzen, beinahe reflexhaft abwehren und lieber auf Einflüsse aus den 70er Jahren verweisen. In die 80er-Grabbelkiste wurden sie seit ihrem ersten Album »Silverware« aus dem Jahr 2002 eben einmal zu oft geworfen. Dabei ging es damals noch im Kontext von trockenem Techno-Geklopfe los, nämlich auf Mathias Schaffhäusers Label Ware, in dessen Umfeld der glamouröse Popgesang von Rob Taylor für Aufsehen sorgte.

Seither bewegen Coloma sich zunehmend weg von minimaler Elektronik, hin zu einer zwar organischen, gleichwohl minutiös konstruierten Opulenz: Oboe statt Synthesizer. Bereits auf dem vorangegangenen Album »Dovetail« wurde im Studio mit Gastmusikern und echtem Instrumentarium gearbeitet. Die Arrangements von Musiktüftler Alex Paulick wirken nun noch durchdachter, feingeistiger, aufwendiger.

Collage von Echtzeitaufnahmen

Im Gespräch betont er jedoch gerade die Sparsamkeit und Nachhaltigkeit bei der Produktion von »Love’s Recurring Dream«: »Es ist eine Art Collage von Echtzeitaufnahmen. Wir haben in einer Situation aufgenommen, in der wir sehr spontan Material bekommen konnten, das wir dann weiterbearbeitet haben. Das war auch eine ökonomische Entscheidung. Heute muss man eben machen, was man sich leisten kann.« So wurde das Dutzend Musiker, das auf dem Album zu hören ist, an nur einem Studiotag aufgenommen. Die Songs entstanden erst später in monatelanger Bastelarbeit am Rechner, wobei die Wiederholung und Variation einzelner Elemente in verschiedenen Songs das zyklische Konzept auch rhythmisch und harmonisch abrundet.

Trotz dieser Arbeitsweise gelang es Coloma, eine gewisse Unmittelbarkeit einzufangen. Paulick bemühte sich, im Studio eine »kontrollierte Schludrigkeit« auf Band zu bekommen, und Taylor wollte ein Live-Gefühl einzubringen, indem er sich vornahm, seine Spuren in nur einem Take einzusingen. »Für mich ist Coloma etwas sehr Menschliches«, sagt er, »es ist kein abstraktes Projekt, das auf blinkenden Lichtern beruht. Ich empfinde es als etwas Klassisches, Antikes.« Eben genauso antik wie die Liebe, die immer wieder vergeht, aber doch nie enden will. Ein Topos so alt wie die Musik selbst. Coloma erzählen wahrlich nichts Neues – doch sie erzählen es mit großem Feingefühl für Dramaturgie und für die Zeitlosigkeit ihres Themas.

Tatsächlich geht auch die gemeinsame Geschichte von Paulick und Taylor deutlich weiter zurück als bis in die Elektronikszene rund um das Jahr 2000. Begonnen haben die beiden Briten als Straßenmusiker im Kölner Exil. Jene Zeit als Singer-Songwriter ist für sie heute eine romantische Erinnerung, auch wenn sie diese Phase heute nicht unbedingt nochmals durchlaufen möchten. »Through with summer, through with love«, singt Rob Taylor.

Schiefe Parameter im Pophimmel

Durch mit den leeren Verheißungen des Musikgeschäfts sind Coloma auch schon seit einiger Zeit. Denn die Parameter hängen schief im Pophimmel. Die große Form (Konzeptalbum, Pop-Klassik, 80er-Jahre-Aura) für die großen Versprechen (Ruhm, Ehre, Reichtum): diese Gleichung gilt nicht mehr, zumindest was die ökonomische Seite betrifft. Wer nicht Kanye West oder Britney Spears heißt, kann Glamour, Stardom und das schnelle Leben allenfalls noch im Modus der Entzauberung, vielleicht noch in dem der Selbstironie beschwören.

Trotzdem machen Coloma im Jahr 2009 mehr denn je Popmusik, deren Klang immer noch von diesen Mythen erzählt. Der Bandname ist in dieser Hinsicht ein eloquentes Detail. In Coloma im El Dorado County wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals Gold in Kalifornien entdeckt und somit der Goldrausch ausgelöst. Heute ist der Ort nur mehr Teil eines Historienparks, eine Geisterstadt. Der Rausch ist vorbei.

Ökonomisch sahen die Zeiten für Popsongs der preziö­sen Colo­ma’schen Machart auch schon ganz anders aus. Was Pau­lick und Taylor aber nicht mehr groß kümmert. Schließlich bleibt ihnen der Wert der Musik unbenommen. »Den Wunsch, durch Musik je ein tolles Ein­kommen zu erzielen, habe ich irgendwann aufgegeben«, erzählt Paulick, ohne dabei besonders resigniert zu wirken. »Dadurch erhalten wir uns eine gewisse Ehrlichkeit, und das sehe ich als großen Vorteil. Denn wir können unsere Kunst immer weiter verfeinern und immer noch besser werden, ohne dabei unsere Ecken und Kanten zu verlieren. Und eigentlich ist es doch ein Luxus, in der Lage zu sein, etwas Schönes zu machen.«


Tonträger:
»Love’s Recurring Dream« (Italic/Kompakt, Rough Trade) erscheint am 23.2.