Nachts im Museum

Weiß ist die Lieblingsfarbe der Museen, im Kino ist sie verhasst. Schon in der Stummfilmzeit sah man bei weißen Bildern jeden Filmkratzer, weshalb Zwischentitel auf schwarzen Grund gemalt wurden. Nam June Paik hat eine schöne Filmarbeit darüber geschaffen: »Zen for Film«. Man sieht nichts als einen durchsichtigen Vorlauf-Film von zwanzig Minuten und den Staub und die Kratzer, die sich im Laufe des Gebrauchs darauf einschreiben. Zur ständigen Sammlung des Museum Ludwig gehört das Schwesterwerk – »Zen for TV« mit dem kleinen Buddha vor der Glotze. In der unruhigen Videolounge im Museumskeller kann man sich an der Geduld des Buddhas ein Beispiel nehmen.

Der niederländische Videokünstler Erik van Lieshout, Jahrgang 1968, ist dort mit einer neuen Arbeit zu sehen, die alle angesprochenen Probleme zusammen führt: Ihre Grundfarbe ist ein Weiß, das zwar auf dem Trägermaterial Video resistent ist gegen Staub und Kratzer, aber besonders hässlich aussieht, da Videobeamer nur ein helles, technisches Grau reproduzieren können. Genau diese Schmuddelfarbe aber hat Lieshout im Sinn, ein denkbar schäbiges Weiß. Damit nicht genug: Er hat auch einen Kinosaal in dieser Farbe zimmern lassen, dessen improvisierter Look mit dem Patchwork-Stil seines kurzatmigen Filmessays korrespondiert. Der Coup bei allem: Man erreicht die Videolounge auf direktem Wege, wenn man erst durch ein Loch in der Wandverkleidung des Museumsfoyers klettert und über eine schäbig gezimmerte Hühnerleiter hinab zur Videoinstallation steigt.

Lieshout hat sich für die Arbeit ein halbes Jahr im Museum eingerichtet, bequem gemacht hat er es sich dort nicht. Er hat eine sprichwörtliche »Nacht im Museum« verbracht – wie es der Zufall will, startet diesen Monat auch der gleichnamige Fortsetzungsfilm mit Ben Stiller in unseren Kinos – und auch diese gefilmt. Gruselig geht es dort zu, wenn man, allein mit einer Taschenlampe, durch die expressionistische Schattenwelt der Sammlung Haubrich geistert. Und selbst der »Mondrian« – das Museum Ludwig besitzt nur einen einzigen – sieht gar nicht mehr so ordentlich aus, wenn man seine Nase nur nah genug darauf hält. Ob Lieshouts als pedantisch verrufener Landsmann an den Rändern etwas nachlässiger wurde? Wieder hält der Bilderstürmer seine Videokamera aufs Weiß. Im direkten Vergleich sieht das von Mondrian immer noch besser aus als der Wandanstrich dahinter. Zum Schrecken der Restauratorenzunft pinkelt der Künstler dann noch neben dem Kunstwerk in einen Eimer.

Der Neu-Kölner Lieshout tritt im Film selbst als Erzähler auf, und zunächst wirkt sein wortreicher Essay wie eine Entschuldigungsrede dafür, warum man gerade jetzt in eine ehemalige Kunstmetropole zieht (»Aufstieg und Fall der Kunststadt Köln« war der erste Arbeitstitel des Filmprojekts). Einen Grund immerhin legt er gleich offen: Die 20.000 Euro, die ihm die Sammlung Rheingold als Budget spendiert hat. Sie hat einen reellen Gegenwert dafür bekommen, denn seit den Tagen Kippenbergers hat wohl niemand mehr so lange – und so lustig – über die örtliche Kunstwelt räsoniert. Auch in die lokale Kölner Filmgeschichte wird der Niederländer damit einziehen. Und natürlich auch in das eigentliche Genre, das er hier auf den Arm nimmt: Die Kunst über die Kunst.

Seit der Postmoderne der 80er Jahre können sich Mu­-­
seen an Selbstbespiegelungen in Kunstform nicht satt sehen. Immer wieder bestätigen Künstler den Mythos von der autonomen Kunstwelt, die wie ein eigenes Universum funktioniere. Gerade hat die amerikanische Journalistin Sarah Thornton einen Erlebnisbericht darüber geschrieben: Ihr Buch »Sieben Tage in der Kunstwelt« ist das ernstgemeinte Gegenstück zu Lieshouts Video-»Museum«. Statt mit der Camping-Ausrüstung kommt sie mit dem Rollköfferchen und begutachtet teure Auktionen, funkelnde Messen und urige Redaktionsräume – voller Vorfreude, einmal selbst dazuzugehören (S. Fischer, Frankfurt 2009, 320 Seiten, 18,95 Euro. Erik van Lieshout zeigt uns dagegen die Kunstwelt, wenn es sie denn geben sollte, als Zweckform ohne Aura. Und ohne die glänzende Oberfläche eines Candida-Höfer-Fotos.

Ausstellung: Erik van Lieshout »Im Netz« im Museum Ludwig, Di-So 10-18,
1. Do im Monat 10-22 Uhr. Der Film
»Das Museum« ist zusammen mit Zeichnungen und Gemälden bis 23.8. in der Videolounge im Untergeschoss zu sehen.