»Ich bin kein Stadtschlossaufbauer«

Merlin Bauer hat mit »Liebe deine Stadt« die Diskussion über beispielhafte Nachkriegsarchitektur und die »Kölner Identität« angeregt. Jetzt ist das Buch zum Kunstprojekt erschienen

StadtRevue: Herr Bauer, Ihr Projekt »Liebe deine Stadt« ist abgeschlossen und liegt nun als Dokumentation in Buchformat vor. Welches Resümee ziehen Sie?

Merlin Bauer: Dafür, dass das Projekt aus dem Nichts und ohne Förderung entstanden ist, hat es eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Kulturszene, Politik, aber auch viele Bürger haben sich damit auseinandergesetzt. Ob das Projekt auch politische Entscheidungen beeinflusst hat, das vermag ich nicht zu sagen.

»Liebe deine Stadt« plädiert für einen anderen Umgang mit Architektur.

Seit ich in Köln bin, hat die Stadt kontinuierlich einen kulturpolitischen Abschwung genommen, das hat sich damals manifestiert im Abriss der Josef-Haubrich-Kunsthalle und den Diskussionen, ob man die Opernensemble von Riphahn abreißen soll. Natürlich muss man die Oper nicht schön finden – aber sie erzählt doch etwas über den damaligen geistigen und kulturellen Neubeginn der Stadt. Wie auch das Haubrich-Forum wurde dieses Ensemble jahrzehntelang vernachlässigt, selbst die einfachsten Reparaturen wurden nicht ausgeführt, dazu eine furchtbare Pflasterung, schreckliche Lampen. Ein Beispiel für administrativen Vandalismus in dieser Stadt. Ich wollte darauf aufmerksam machen, diesen geplanten Abriss nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Leider werden nun das Schauspielhaus und die Opern­terrassen einem mittelmäßigen Neubau weichen.

Zu den ausgezeichneten Gebäuden gehört auch das zweifelhafte Fernmeldeamt Köln 1 an der Nord-Süd-Fahrt.

Für viele sehen diese Gebäude erstmal schrecklich aus, dennoch erkennt man sehr schnell, mit welchem Gestus und welcher Qualität damals eine Planungsabteilung der Post dieses Haus entwickelt hat. Das Gebäude, eine hauptsächlich funktional-techni­sche Zone mitten in der Stadt, wirkt trotzdem transparent und offen. Wenn man das vergleicht mit dem, was etwa jüngst gegenüber gebaut wurde, dann merkt man, dass die Architektur heute deutlich schlechter ist. Die Städte werden doch heute mit dieser Rendite- und Investorenarchitektur regelrecht zugebombt. Glas, Sandstein, irgendwie hübsch, aber da spüre ich keinen Charakter mehr. Nehmen Sie doch mal die Kranhäuser im Rheinauhafen: Das ist Event-Architektur, die nur glatte Oberfläche ist.

Sie begeistern sich für Architektur der 50er und 60er Jahre – ist »Liebe deine Stadt« daher nicht auch modernes Marketing für Denkmalschutz?

Ich bin kein Stadtschlossaufbauer! (lacht) Aber ich habe von Denkmalschützern gehört, dass sie die Idee gut finden. Das ist doch ein schönes Kompliment. Ob das rück­wärtsgewandt ist, muss jeder selbst entscheiden.

Der Slogan »Liebe deine Stadt« klingt freundlich, der rote Schreibschrift-Schriftzug sieht hübsch aus. Geht es Ihnen überhaupt um Kritik?

Natürlich ist der Slogan affirmativ, er birgt aber auch Ambivalen­zen. Ich habe überlegt, wie man heutzutage Kritik formulieren kann, ohne wieder mal auf Konfrontationskurs zu gehen. Da schalten die meisten Leute nämlich gerne ab. Mit dem ganzen 70er-Jahre-Protest und Grabenkämpfen kommt man heute nicht weiter, so lässt sich Gesellschaft nicht mehr verändern.

Sie hatten keine Berührungsängste und haben zum Beispiel auch den Kontakt zu City Marketing gesucht.

Ich habe bewusst versucht, breit anzufangen. Natürlich hat City Marketing gewisse kommerzielle Interessen, das heißt aber nicht unbedingt, dass es da nicht auch Menschen gibt, die offen sind für Argumente. Gerade in Köln muss man mehr Komplexität aufzeigen und die Themen auch mal von anderen Perspektiven betrachten.

Welche Gebäude hätten Sie denn noch gerne ausgezeichnet?

Auf der Liste steht noch jede Menge Riphahn...

Auf Riphahn können sich so ziemlich alle einigen...

... aber auch die wunderbare Kirche Christi Auferstehung von Gottfried Böhm am Kanal in Lindenthal! Oder das Wohnhaus Band in der Kunibertsklostergasse von Karl Band. Und natürlich das ehemalige VW-Autohaus am Hohenzollern-Ring mit dem beeindruckenden Flugdach von Hans Schilling, das heute eine Videothek nutzt.

Lieben Sie eigentlich Köln?

Ich bin Wahl-Kölner. Ich wohne gerne hier, aber ich lebe in einer dauernden Ambivalenz. (lacht) Wenn ich morgens in die Zeitung blicke, frage ich mich schon manchmal, warum ich hier lebe.



Zur Person

Merlin Bauer, 34, lebt seit zehn ­Jahren in Köln. Sein Projekt »Liebe d­eine Stadt« zeichnete von 2005 bis 2007 zehn Bauwerke der 50er bis 70er Jahre aus. Laudatoren wie Peter ­Zumthor, Hans Schilling, Jan und ­Aleida Assmann oder Bazon Brock ­würdigten die Objekte. In der ­StadtRevue wurden alle Gebäude samt Laudatio dokumentiert. Info: www.liebedeinestadt.de
Das Buch: »Liebe deine Stadt – Öffentliche Angelegenheit Köln«. Greven Verlag, Köln 2009, 480 S., deutsch/englisch, 400 farb. Abb., 48 €.
Wir verlosen drei Exemplare! E-Mail mit Stichwort »Liebe deine Stadt« bis 10.7. an verlosung@stadtrevue.de
Zum Buch erscheint eine Vorzugsausgabe mit einer Photographie (C-Print, 30x 40 cm) von Merlin Bauer in einer 100er Auflage zum Subskriptionspreis von 300 €