Streit in der Kölner SPD

Nachdem in der Kölner SPD in den letzten Jahren viele wichtige Themen unter den Teppich gekehrt wurden, kündigt sich jetzt heftiger Streit an. Der SPD-Unterbezirksparteitag am 28./29. März 87 bietet nicht nur wegen der Wahl des neuen Vorstandes mit einem anderen Vorsitzenden Zündstoff. Auch Sachthemen wie die geplante Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA) sollen beraten werden. Und hierzu stehen die Zeichen auf Sturm, denn viele Delegierte fühlen sich von ihrer Fraktion übers Ohr gehauen. Ein Gastbeitrag von Rainer Zinkel, Bürgerinitiative Wohnen und Umwelt.

 

Die Untätigkeit der SPD-Stadtratsfraktion, den umweltfreundlichen Teil des Parteitagsbeschlusses, den sogenannen »Mülldoppelbeschluss« vom Dezember 1983 umzusetzen, hat den »Sachzwang Müllverbrennung« schneller bewirkt, als die GenossenInnen sich träumen ließen. Die Ratsfraktion der SPD hat nicht einen eigenen Antrag zu einer umfassenden, für ganz Köln flächendeckenden Abfallvermeidung und Abfallverwertung (stoffliches Recycling) eingebracht, wie es die SPD-Basis gefordert hatte. Das Ergebnis: Der Kölner Wohlstandsmüll wurde nicht weniger, der »Müllnotstand« für das Jahr 2000 kündigt sich an.
Für dieses Ergebnis hat auch der städtische Beigeordnete Keil (SPD) gesorgt, der als Fachmann aus der Verwaltung die SPD-Fraktion berät. Noch im November 1986 hatte Keil in einer Sitzung des Ausschusses Öffentliche Einrichtungen auf Befragen bestätigt, daß er früher bei einer Privatfirma beschäftigt gewesen sei, die Müllverbrennungsanlagen herstellt. Hängt sein Herz deswegen so sehr an einem Müllofen?
Der kommende Müllnotstand war das Stichwort für Regierungspräsident Antwerpes (SPD), der dafür sorgte, dass der Bezirksplanungsrat am 19. Dezember 1986 der Aufnahme einer MKVA mit Standort im Kölner Norden in den Abfallbeseitigungsplan, Teilplan Siedlungsabfälle, zustimmte. Die der Stadt Köln eingeräumte Erklärungsfrist wird an der Grundsatzentscheidung des Regierungspräsidenten wenig ändern, sie bietet der Stadt nur die Möglichkeit, den Standort zu überdenken. Wenn der Stadtrat eine MKVA nicht mehrheitlich beschließen wird, was von CDU und GRÜNEN abhängt, soll der Regierungspräsident die Pläne auf kommunalaufsichtlichem Wege durchsetzen.

Die Bürgerproteste nehmen zu

Immer mehr Bürger durchschauen die Tricks der SPD, die mit Doppelbeschlüssen schon oft Furore machte. Dabei kommt den BürgerInnen vor allem die Aufklärungsarbeit der vielen Bürgerinitiativen zugute. Die Dioxinschleuder im Kölner Norden, aber auch eine weitere MVA im Süden Kölns (Lülsdorf) stoßen auf heftige Ablehnung. Selbst die in der Regel konservativen Bürgervereine werden aktiv. Aber auch fortschrittiche Kirchengemeinden wenden sich gegen diese Planung, weil sie aus ihrem christlichen Selbstverständnis heraus die Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft nicht gutheißen können. Und dass Müllverbrennung die Energie- und Rohstoffverschwendung nicht zu stoppen vermag, liegt auf der Hand. Eine MKVA braucht nämlich viele Brennstoffe mit hohem Heizwert, vor allem Papier, wenn sie einigermaßen wirtschaftich arbeiten soll. Wichtig ist, dass noch mehr BürgerInnen sich in Initiativen engagieren oder - wenn in ihrem Stadtteil nicht vorhanden - neue Initiativen gründen. Vor allem sollten flächendeckende Systeme der Abfallvermeidung und Abfallverwertung von den Politikern gefordert werden. Es sollten aber auch öffentlichkeitswirksame Aktionen mit dem Ziel durchgeführt werden, BürgerInnen zum »umweltbewuBten« Einkaufen (Mehrweg statt Einweg, weniger Verpackungen, weniger giftige Verpackungen, weniger giftige Haushaltschemikalien) zu motivieren.

Die kommunale Giftpolitik am Beispiel Klärschlamm

Sehr sorglos ist die Stadt Köln bisher auch mit dem Kölner Klärschlamm umgegangen, der demnächst ebenfalls in der MKVA verbrannt werden soll. Viele Schwermetalle und andere schädliche Gifte gelangen trotz der Abwasserreinigung in der Kläranlage in den Vorflur und tragen zum Rheinsterben bei. Ein weiterer Teil der Gifte belastet den Klärschlamm so sehr, dass er nicht als Kompost verwendet werden darf.
Schuld an dieser Misere ist die Stadt Köln, die den industriellen Einleitern in die öffentliche Kanalisation keine schärferen Auflagen macht, ja noch nicht einmal die Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen in jedem Fall kontrolliert. Im Vergleich zu anderen Großstädten scheint die Diskussion um besseren Gewässerschutz an Köln vorbeigegangen zu sein. So hat die SPD das Klärschlammproblem bisher hauptsächlich unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten betrachtet. Um zu verhindern, dass Klärschlamm weiter mit schweren LKWs durch Stammheim gekarrt wird, setzte die SPD im Stadtrat eine teure unsinnige Pipeline durch, die den Klärschlamm unter dem Rhein her vom Stammheimer Klärwerk zum Niehler Hafen pumpen soll. Bis die MKVA im Kölner Norden steht, sollen dann die LKWs nach dem St. Florians-Prinzip statt durch Stammheim durch den Kölner Norden rattern und den Schlamm zur Deponie bringen.

Die Hoffnungslosigkeit der Kölner SPD

Die »Einigung« im zerstrittenen rechten Lager der SPD (Herterich, Heugel) lässt nichts Gutes erahnen. Günther Herterich, der in der Presse ankündigte, über den Müll wieder in die Kommunalpolitik einsteigen zu wollen, setzt wie Heugel auf die Verbrennungsmethode, getreu dem Motto »Weiter so, Köln«. Das in Köln schlechte Bundestagswahlergebnis für die SPD vermag die SPD-Profis von ihrem Kurs nicht abzuhalten. Die Linken in der SPD, bisher in der Müllpolitik auch nicht einig, werden es schwer haben, das Steuer herumzureißen. Einen unerwarteten Seitenhieb erhielt die SPD in jüngster Zeit von dem Betriebsratsvorsitzenden der ESSO, der die Müllverbrennungspläne öffentlich kritisierte, weil neben dem Glanzstoffgelände auch das in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche ESSO-Gelände als Standort für die MKVA zur Diskussion steht. Derweil faragen sich die um ihre Gesundheit besorgten BürgerInnen, wie lange die SPD noch eine Politik verantworten kann, die angesichts der weiteren Vergiftung unserer Umwelt für das Jahr 2000 neue Schlote schafft.