»Man muss sich der Sehnsucht stellen«

Gegen den Phantomschmerz: Ein Gespräch mit dem in Köln lebenden Regisseur Ali Samadi Ahadi über seine Komödie »Salami Aleikum« und die hiesige iranische Community

StadtRevue: Vorweg eine Frage, die wahrscheinlich jedem Deutsch-Iraner momentan gestellt wird: Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?

Ali Samadi Ahadi: Puh! Ich habe das normale Leben eingestellt, mit zwei Telefonen in der Hand an der Glotze geklebt, E-Mails gecheckt und Fernsehanstalten angerufen. Das war schon ein Wechselbad. Irgendwann habe ich eine Form gefunden, damit umzugehen: Petitionen aufsetzen, Kanzleramtsbesuche, Podiumsdiskussionen.

Haben der Iran oder iranische Politik sonst in Ihrem Alltag eine Rolle gespielt?

Ich bin zweimal im Jahr hingereist, um meine Familie zu besuchen. Aber ich hatte wenig Kontakt zur hiesigen iranischen Community. Das hat sich mit »Salami Aleikum« geändert. Weil ich die Iraner hier als sehr zerstritten erlebt habe, war es mir ein Bedürfnis, einen Punkt zu schaffen, wo wir uns durch ein gemeinsames Erlebnis im Kino wiederentdecken und über uns lachen können. Die Menschen, die jetzt im Iran auf den Straßen demonstrieren, haben diesem Wunsch noch mal einen gewaltigen Schub gegeben – die haben die zerrissene iranische Community hier plötzlich viel enger zusammengebracht.

Wie kam es zur skurrilen Idee, nicht nur den Alltag eines Deutsch-Iraners zu erzählen, sondern das mit einer Ossi-Geschichte in groteske Höhen zu katapultieren?

Mir ging es um das Thema Heimat: Was passiert, wenn ich morgens aufwache und mein Zuhause ist weg? Das ist vielen Iranern passiert, die ihre Heimat verlassen mussten. Aber dasselbe ist auch den Ostdeutschen passiert. Viele haben nach dem Fall der Mauer ein Stück Heimat verloren. Meine Geschichte handelt von diesen beiden Gruppen – es gibt Parallelen und große Unterschiede. Das bietet einer Komödie natürlich viele Möglichkeiten. Mit einem Drama erzeugt man bei weitem nicht so viel Resonanz. Und hinter all dem wollte ich ein Märchen erzählen, dazu gehört auch die Überzeichnung.

Wo Sie von Heimat reden: Ihr Film beginnt in Köln – war das zwingend notwendig?

Ich wollte aus dem westlichsten Westen in den östlichsten Osten reisen. Köln ist schon eine Multkulti-Stadt, und weil hier sehr viele Iraner leben, war der Ausgangspunkt klar.

Was sind das eigentlich für aberwitzige Figuren? Ist die kugelstoßende Ana das persische Klischee einer deutschen Frau?

Was mich sehr beschäftigt hat, war die Geschichte von Heidi Krieger, einer Weltmeisterin, die mehrere Pokale für die DDR gewonnen hatte und später unter extremen gesundheitlichen Problemen litt, weil sie ohne ihr Wissen gedopt worden war. Sie hat sich dann infolge ihrer Testosteron-Behandlung zu einer Geschlechtsumwandlung entschlossen und auch mehrere Prozesse angestrengt. Das war und ist ja noch immer ein Thema. Ich fand das spannend, weil ein so großer und starker Mensch etwas absolut Verletzliches hat.

Als Gegenpol gibt es einen sehr soften, strickenden Orientalen.

In der iranischen Kultur hat man es durch den Respekt älteren Menschen gegenüber sehr schwer, sich loszueisen und seinen Weg zu gehen. Ich kenne ein paar Leute in meinem Familienumkreis, die den Absprung und die Trennung von der Familie kaum schaffen, und das wollte ich erzählen

In kurzem Abstand starten mit »Salami Aleikum« und »Ein Augenblick Freiheit« (siehe S. 53) zwei deutsch-iranische Filme. Eine neue Welle?

Es war unvermeidbar, dass Iraner über das, was in den letzen dreißig Jahren passiert ist, Filme machen. Viele haben sich integriert in die deutsche Gesellschaft, sind fast assimiliert. Identität überträgt sich aber über Generationen und früher oder später muss man sich damit auseinandersetzen, sich der Sehnsucht stellen. Ich selber habe einen weiten Bogen machen müssen, um einen gewissen Abstand zu dem zu bekommen, was mir passiert ist, und um wieder mit Leichtigkeit an das Thema herangehen zu können. Iraner haben hier fast nichts miteinander zu tun, weil sie Phantomschmerzen haben. Wenn ein Iraner den anderen sieht, werden böse Erinnerungen wach. Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft in Freude begegnen können.


Ali Samadi Ahadi

Ahadi, 1972 im Iran geboren und 1985 nach Deutschland gekommen, lebt in Köln. 2005 drehte er mit Oliver Stoltz »Lost Children«, einen Dokumentarfilm über Kindersoldaten in Uganda. Der Film erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Filmpreis. »Salami Aleikum« ist sein Spielfilmdebüt.


Salami Aleikum

Mohsen muss die Kölner Metzgerei seines Vaters retten. Auf der Rückreise von Polen, wo er sich eine Horde magerer Schafe hat andrehen lassen, versackt er im ostdeutschen Ober­niederwalde. Dort verguckt er sich in die hünenhafte Automechanikerin Ana. Um seine Traumfrau zu beeindrucken, gibt er sich als persischer Geschäftsmann aus und verspricht der Gemeinde den Wiederaufbau des maroden VEB »Textile Freuden«. Als Mohsens Eltern anrücken, droht der Schwindel auf­zufliegen. Die Geschichte über strickende Orientalen und kugelstoßende Ossibräute klingt so schief, dass sie auf mehr als eine Art scheitern könnte – sie funktioniert aber durch ihren Irrwitz prächtig.

Salami Aleikum D 09, R: Ali Samadi Ahadi, D: Navid Akhavan, Anna Böger, Michael Niavarani, 106 Min.
Filmpalette ab 23.7.