Du hast die Wahl: Köln vor der Entscheidung

Am 30. August zeigt sich, wie es in Köln weitergeht. Anja Albert und Bernd Wilberg kennen die Parteiprogramme und stellen die entscheidenden Punkte vor.

Kommunalpolitik hat keinen guten Ruf. Selbst Politiker im Land oder im Bund amüsieren sich über Debatten zu Handy-Parkautomaten, verkaufsoffenen Sonntagen oder Öffnungszeiten von Stadtteilbibliotheken. Aber wenn ein Stadtarchiv einstürzt, die Kosten für ein gigantisches U-Bahn-Projekt explodieren oder man keinen Kita-Platz für seine Kinder bekommt, dann liegt das zum Großteil daran, was in Stadt- und Gemeindeparlamenten beschlossen worden ist.

Seit 2005 wird Köln von einem rot-grünen Bündnis regiert, das sich die notwendige Stimmenmehrheit von der Linken holen muss – doch nicht alles, was in Köln in den letzten Monaten erreicht oder schief gelaufen ist, geht auf das Konto der drei Fraktionen. So ist der Einsturz des Historischen Stadtarchivs zuvorderst ein katastrophales Versagen der Stadtverwaltung – und ihres Chefs, des Oberbürgermeisters, sowie seiner Dezernenten. Aber den umstrittenen, milliardenschweren Bau der Nord-Süd-Stadtbahn, ohne den das Archiv wohl noch stände, haben seinerzeit CDU, SPD und FDP bewilligt. Im Kölner Stadtrat haben die Koalitionen schon oft gewechselt und für viele Anträge muss man sich neue Mehrheiten suchen. Im Gegensatz zur Bundespolitik lassen sich viele Fragen nicht mit parteipolitischem Reflex beantworten: ein neuer Skaterpark im Rheinauhafen? Bierbörse auf dem Neumarkt? Verlängerung einer Straßenbahnlinie?

Man hat sich aber auf Grundsätze geeinigt, die unabhängig von den jeweiligen Mehrheiten im Stadtrat gelten sollen. Etwa der städtebauliche Masterplan: von Kölner Unternehmern finanziert, vom renommierten Stadtplaner Albert Speer entwickelt und von einer breiten Ratsmehrheit abgesegnet, weckt er die Hoffnung, Köln könne mit Speers Empfehlungen die Bausünden und Fehlplanungen der Vergangenheit überwinden. Zuletzt rang man sich zu einem Kulturentwicklungsplan durch, der neben den üblichen Floskeln, eine Reihe handfester Zielsetzungen beinhaltet.

Reich und Arm:
Die Spaltung der Stadt stoppen

Auch für die Sozialpolitik könnte es bald einen »Masterplan« geben. Das jedenfalls fordert der rot-grüne OB-Kandidat Jürgen Roters (SPD) für Problemviertel: »Durch die soziale Spaltung sind ganze Stadtviertel abgehängt. Das können wir so nicht hinnehmen.« Auch das SPD-Programm setzt wieder einen stärkeren Fokus auf Werte wie solidarische Stadtgemeinschaft, soziale Gerechtigkeit, Teilhabe. Der Spaltung der Stadt und der Kinderarmut will die SPD etwa damit begegnen, die sozialraumorientierten Hilfsangebote, die eine bessere Vernetzung in den Bereichen Bildung, Soziales, Jugendhilfe, Sport und Gesundheit zum Ziel haben, auf weitere Stadtteile auszuweiten – bislang greifen sie in elf Problemvierteln. Immer wieder geht es im SPD-Programm darum, allen Kölnern »Chancen zu eröffnen« und »Hilfe in sozialen Notlagen« zu geben. Man könnte fast von einem Linksruck sprechen, wenn nicht zugleich die Hartz-Gesetze positiv hervorgehoben werden würden.

SPD und Grüne setzen zudem auf eine sozialgerechte Wohnungsbaupolitik mit der kommunalen GAG. Sozialdemokraten, Grüne und sehr vehement auch die Linkspartei positionieren sich eindeutig gegen den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, weil dadurch ein effizientes Instrument der Armutsbekämpfung verloren gehe. Durch Belegrechtswohnungen könne die soziale Durchmischung im Viertel gelenkt werden. Die Linken gehen sogar soweit, privatisierte Anteile an GAG, AVB und Rheinenergie zurückkaufen zu wollen – was aber angesichts der Finanzkrise eher utopisch ist. Den drei Parteien gemeinsam ist, dass sie mehr preiswerten und öffentlich geförderten Wohnraum anstreben. CDU und FDP machen sich in der Wohnungsbaupolitik dagegen vor allem fürs Einfamilienhaus stark.

Die Grünen sind in sozialen Fragen nahe bei der SPD – oder umgekehrt. Gute Vorstöße zur Armutsbekämpfung sind die Forderung eines Armuts- und Reichtumsbericht (der letzte stammt aus dem Jahr 1998!). So sollen Ursachen und Entwicklungen transparent gemacht werden. Flüchtlingspolitisch sind die Grünen am profiliertesten. So fordern sie eine weitere Stärkung des Integrationsrates bis hin zur Gleichstellung mit einem Ratssausschuss und einen gesicherten Status für alle Geduldeten.

Die Situation von Migranten und soziale Verwerfungen tauchen in den CDU-Leitlinien nicht auf. Nur an einer Stelle wird von der »aktiven Einbeziehung und Förderung der Älteren und von Menschen mit Migrationshintergrund« gesprochen, bloß einmal geht es um »konkrete Hilfsangebote für Ausländer«.

Kunst und Kultur:
Grundbedürfnis als Standortfaktor

Kultur muss gefördert werden – darin herrscht Einigkeit. Sei es, weil man darin weiche Standortfaktoren fürs Städtemarketing sieht, sei es, weil man interkulturelle Projekte unterstützen will, um den sozialen Frieden zu sichern. Doch gehört Kultur laut Gesetz nicht zur »öffentlichen Daseinsvorsorge« wie etwa Strom- und Wasserversorgung oder Müllabfuhr – Initiativen dies zu ändern, sind bislang gescheitert.

Der Ruf als Kulturstadt hat schon vor der Archiv-Katastrophe arg gelitten. Kulturdezernent Georg Quander steht in der Kritik, plant schon seinen vorzeitigen Abgang. Immerhin: Mit Karin Beier als Intendantin des Schauspiels, dem Gürzenich-Orchester, aber auch der Neuausrichtung der Art Cologne kann Köln überregional punkten, mit der c/o pop hat Köln einen respektablen Ersatz für die Musikmesse Popkomm aufgebaut. Und im Kölner Kulturentwicklungsplan haben Politik und Initiativen Prioritäten festgeschrieben – der Wiederaufbau des Historischen Archivs steht ganz oben auf der Liste.

Die CDU bekundet, trotz Finanzkrise den Kulturetat anheben zu wollen, ihr OB-Kandidat Peter Kurth spricht davon, ihn nicht zu kürzen. Museen will die CDU privatisieren und auch bei den Bühnen will man »über eine neue Rechtsform nachdenken«. Peter Kurth möchte die Kultur »von der fürsorglichen Umklammerung befreien«. So sieht es auch die FDP und beklagt die »mangelnde Flexibilität und Eigenverantwortung« der Museen. Für die freie Szene soll die »systematische Schaffung professioneller Rahmenbedingungen geschaffen« werden, mit privaten Partnern sollen notwendige Spiel- und Probestätten für Tanz, Theater und Musik errichtet werden.

Die SPD sieht die Aufgabe der Kommune aber auch darin, Kunst und Kultur dort zu unterstützen, wo sie sich wirtschaftlich nicht rentiert. Kulturförderung als »vor allem oder ausschließlich wirtschaftlicher Standortfaktor oder als Imagepflege« lehnt die SPD ab. Und immerhin fällt hier auch mal der Begriff »Jugendkultur«. Auch die Grünen betonen in ihrem Programm die Vielfalt der Kultur. Auch sie wollen die freie Szene mit Förderkonzepten stärken, wie das beim Theater etwa schon umgesetzt worden ist. Die ständigen Sammlungen der Museen sollen für jeden kostenlos sein. Wie schwierig all das zu finanzieren ist, zeigen die jüngsten Debatten: Woher das Geld für die »Akademie der Künste der Welt« kommen soll, bleibt schleierhaft.

Stadtplanung und Verkehr:
Wie viele Baustellen braucht die Stadt?

Der Masterplan für die linksrheinische Innenstadt ist die Grundlage für die Planungen der nächsten zwanzig Jahre – darauf haben sich alle Parteien geeinigt. Doch wie die Umsetzung im Einzelnen aussehen soll, darüber gibt es Streit.

Zuletzt argumentierte die CDU im Rat für einen umstrittenen Tunnel an der Rheinuferstraße in der Südstadt, FDP und SPD sind nicht abgeneigt: Mit dem Großprojekt soll verhindert werden, dass der Autoverkehr durch die Nord-Süd-Bahn, die an der Schönhauser Straße überirdisch verläuft, eventuell behindert wird. CDU-Fraktionschef Winrich Granitzka argumentierte gar mit dem städtebaulichen Masterplan. Der Tunnel als »Landschaftsbrücke«, so Granitzka, führe im Süden den Grüngürtel an den Rhein – so wie es Stadtplaner Albert Speer mit seinem Plädoyer für mehr Lebensqualität vorgesehen habe. Jedoch hat sich Speer zugleich für eine »Entschleunigung der Stadt« ausgesprochen. Die desaströsen Maßnahmen der 60er und 70er Jahre für eine »autogerechte Stadt« – allen voran die Nord-Süd-Fahrt – sind eine der größten stadtplanerischen Katastrophen.

Hier strebt die CDU immer noch eine Untertunnelung an. Die Grünen sind dagegen, halten dies aus Kostengründen und aufgrund einer weiteren Großbaustelle für falsch. Sie wollen stattdessen die Geschwindigkeit drosseln und fordern mehr ebenerdige Übergänge für Fußgänger. Überhaupt wollen die Grünen – wie Speer – den Autoverkehr in der Innenstadt reduzieren. Die FDP hingegen listet in ihrem Programm Projekte wie die Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt zwischen WDR und Schildergasse, die Planung einer Ost-West-U-Bahn vom Heumarkt bis zum Aachener Weiher, den achtspurigen Ausbau der Zoobrücke sowie eine neue Rheinbrücke. Auch Peter Kurth sieht im Verkehr vor allem die Autofahrer benachteiligt, spricht von »Schikanen für den motorisierten Individualverkehr«. Hier ist sich die CDU einig mit der FDP, die keine Alternative zum Auto zu kennen scheint. Wer auf dem Wahlzettel am liebsten den ADAC ankreuzen möchte, muss auf die FDP ausweichen: Hauptverkehrsstraßennetz ausbauen, »Grüne Welle« für Autos, Tempo 50 mindestens erhalten, am liebsten aber höhere Geschwindigkeiten.

Umwelt und Lebensqualität:
grüne Lunge und Mega-Events

Das ist bei den Grünen naturgemäß anders: Werde die Umweltzone bis 2010 nicht »deutlich« zur Verringerung von Feinstaub und Stickoxiden beitragen – wovon auszugehen ist –, wollen die Grünen den motorisierten Verkehr weiter verringern. OB-Kandidat Roters, den die Grünen unterstützen, setzt sich im Wahlkampf zudem für Tempo-30-Zonen in allen Wohngebieten ein. Einig sind sich alle Parteien zumindest darin, dass nachts mehr Busse und Bahnen der KVB fahren sollen.

Für die CDU scheinen umweltpolitisch vor allem »schärfere Sanktionen gegen Müllsünder« das Gebot der Stunde. Ansonsten will die CDU wie alle anderen die Verlängerung des Grüngürtels bis zum Rhein – als »grüne Lunge« und zur Steigerung der Lebensqualität. Eine Kontroverse gibt es darüber, wie das mit Urbanität zusammengeht. Umstritten ist etwa das neue Platzkonzept für die Innenstadt, mit dem Rot-Grün für weniger und qualitätvollere Veranstaltungen sorgen, z.B. auf Neumarkt, Rudolfplatz und Altermarkt. Die FDP wettert am lautesten dagegen, für die Liberalen sind auch »Volksveranstaltungen wie die beliebte Bierbörse« erhaltenswert, außerdem wollen sie mehr »Public Viewing«, etwa zur Fußball-WM und mehr und längere Weihnachtsmärkte – insgesamt also eine Kommerzialisierung des öffentlichen Raums.