Nie mehr braune Brühe aus ­den Wasserhähnen

In der Diskussion um das neue Opernquartier meldet sich Schauspielintendantin Karin Beier zu Wort

Die Nachricht kam plötzlich und unerwartet. Bei einer Pressekonferenz Anfang Juli informierte Baudezernent Bernd Streitberger über die Kostensteigerung der Sanierung des Opernhauses und des Neubaus des Schauspielhauses. 364 Millionen Euro soll der Entwurf der Architektenbüros JSWD (Köln) und Chaix & Morel (Paris) kosten, was den vom Rat verabschiedeten Kostendeckel von 230 Millionen erheblich übertrifft. Gründe sollen zusätzlicher Raumbedarf, falsch ­geplante Haustechnik sowie gestiegene Baukosten sein.
OB Fritz Schramma hat die Planung unverzüglich mit der Auflage gestoppt, drei Varianten neu zu berechnen: Bis Ende August sollen die Architekten Spar­vorschläge für ihren Entwurf machen. Gleichzeitig kalkuliert das Amt für Gebäudewirtschaft die Kos­ten einer Generalsanierung und eines Generalneubaus. Dis­kus­sionen darüber wurden schon 2005 geführt, damals allerdings unter der Prämisse des Wün­schenswer­ten und nicht des Bezahlbaren.

Ein spektakulärer Neubau, wie ihn der Kölner Stadt-Anzeiger für das Deutzer Ufer vorgeschlagen hat (um einen Sidney- bzw. Bilbao-Effekt zu erzielen), dürfte unwahrscheinlich geworden sein: Dauer und Kosten sind derzeit kaum überschaubar, die Fragen nach dem Standort, einem neuen Wettbewerb oder der Nutzung, eventuell Sanierung der Altimmobilien wären wieder offen. Vergleiche mit Theaterbauten in Potsdam (2006: 26,5 Millionen Euro), Linz (geplant: 150 Millionen Euro) oder Berlin (Sanierung der Lindenoper, geplant: 240 Millionen Euro) helfen wegen der Unterschiede in Raumprogramm, Infrastruktur und technischer Ausstattung nicht weiter.

Bleibt also der Siegerentwurf der Büros JSWD/Chaix & Morel mit Sanierung der Oper, Neubau des Schauspielhauses und dem Operngarten. Die Entscheidung des Rates für diese Lösung wertet Schauspielintendantin Karin Beier, die dem Haus zu neuem Ruhm verholfen hat, durchaus als kultur­politisches Zeichen der Stadt. Sie hat Verständnis für die Ratlosigkeit der Politiker angesichts der Summe von 364 Millionen Euro in Zeiten von Wirtschaftskrise und eingestürztem Historischen Archiv. Der Architektenentwurf biete erhebliche Verbesserungen der Arbeitsstrukturen. »Es geht ja nicht nur darum, dass keine braune Brühe mehr aus den Wasserhähnen kommt«, sagt sie im Gespräch. Das Schauspielhaus habe erhebliche Mängel: keine Drehbühne, keine Untermaschinerie, schlechte Akustik, zu breite Portalzone, keine Hinterbühne, verstreute Probenräume und Werkstätten. Doch wenn das der­zeitige Konzept zu viele Abstriche erleide, gerate es in Schieflage: »Die Idee des Neubaus ist nur plausibel, wenn es erhebliche Pro­duktionsverbesserungen plus einen städtebaulichen Akzent gibt«.

Zur Erinnerung: Die Zusammenführung von Werkstätten und Proberäumen am Offenbachplatz waren Ziel des Neubaus, um Betriebsabläufe zu optimieren und Kosten zu sparen. Im Entwurf von JSWD/Chaix & Morel soll das Produktionszentrum drei Etagen tief in die Erde abgesenkt werden, was mit großen Kosten verbunden wäre. Deshalb wird die Ausgliederung des Produktionszentrums als Sparmaßnahme diskutiert. Das findet die Intendantin schade und fragt, wo die Grenze verlaufe, die noch einen Neubau rechtfertigt oder schon für eine Sanierung spricht.

Der von Wilhelm Riphahn entworfene Bau sei alles andere als hässlich, findet Karin Beier: »Das Schauspielhaus ist im Begriff, Patina und Historizität zu entwickeln.« Es atme die spezifische Theateratmosphäre, die ihm durch Geschichte und Tra­dition sowie die zunehmende Wertschätzung der Architektur der 50er und 60er Jahre zugewachsen sei. Ein neues Schauspielhaus wie das in Basel vermittle das Gefühl einer Mehrzweckhalle. Beier kann einer Sanierung durchaus etwas abgewinnen, auch wenn dies den Verzicht auf das Produktionszentrum vor Ort bedeuten würde.

Sanierungen von Altbauten bergen unvorhersehbare Risiken. Beim gerade fertig gestellten Kinderkulturhaus der Comedia, die die alte Feuerwache-Süd mit einem Neubau kombiniert, stiegen ­die Kosten von veranschlagten 6,2 Millionen Euro um knapp 30 Prozent auf 8 Millionen Euro. Grund dafür waren unter anderem bauliche »Überraschungen« im Altbestand. Das macht auch eine Kom­plet­tsanierung des Opern­­quartiers schwer kalkulierbar. Karin Beier warnt davor, die Sanierung als Spar­maßnahme miss­zuverstehen: »Der Theaterbe­trieb muss auf Jahre hinaus verbes­sert werden.« Nicht nur notdürftig geflickt wie in den letzten Jahrzehnten.

Der Druck auf Politik, Ver­­wal­tung und Architekten ist hoch. Oper und Schauspiel haben längst Ersatzspielstätten für die Spielzeit 20010/11 angemietet, die Theater-Besucherorganisa­tio­nen, die 17.000 Besucher ­repräsentieren, schlagen aber ­wegen fehlender Planungssicherheit Alarm. Laut Fahrplan der Stadt sollen Anfang September die neu berechneten Varianten in den Ausschüssen disku­tiert werden. »Es ist der ­erklärte Wille aller«, sagt Inge Schürmann, Pressesprecherin der Stadt Köln, »dass der alte Rat das noch beschließt.« Wahrscheinlich in einer Sondersitzung im Oktober. Die ­Beschlüsse nimmt der neue Rat mit in die Etatberatungen für 2010/11 – den ersten Haushalt im Bann der Krise.