Allianz bittet zur Kasse

»Innerhalb dieser schrecklichen Zeit war die Jawne der einzige Ort der Geborgenheit. Sonst habe ich keine positiven Erinnerungen mehr an meine Kindheit. Und an Köln«, sagt Hannelore Göttling-Jakoby. Sie hat die Shoa überlebt, als Einzige aus ihrer Klasse, und wohnt heute in Hamburg. Die meisten anderen Schüler der Jawne – bis 1942 das einzige jüdische Gymnasium im Rheinland – wurden deportiert und in Minsk ermordet. Anschließend zerstörten die Nazis das Gebäude. Heute erinnert dort der Lern- und Gedenkort Jawne an das Schicksal dieser Kinder.

Doch nun droht der viel beachteten Gedenkstätte in der Kreishausgalerie am Erich-Klibansky-Platz das Aus. Die Eigentümerin Allianz Real Estate GmbH hat das kostenlose Nutzungsrecht, das seit 2003 besteht, gekündigt. Ab 2010 soll der Arbeitskreis, angesiedelt im Verein EL-DE-Haus, 1400 Euro Miete monatlich zahlen – für siebzig Quadratmeter.

»Wir können das nicht. Wenn sich keine Lösung findet, müssen wir schließen«, sagt Adrian Stellmacher, einer von 15 Ehrenamtlichen. Mit Spenden organisieren sie Ausstellungen, Projekte mit Schulen sowie Kultur- und Gedenkveranstaltungen. Dafür haben sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Preis des »Bündnisses für Demokratie und Toleranz«.

Zwar hat die Allianz inzwischen ein neues Angebot präsentiert – 700 Euro Monatsmiete im ersten Jahr, 1050 im zweiten –, aber auch das kann der Arbeitskreis nicht stemmen. Die Allianz, die während der NS-Zeit von Arisierungen profitierte und unter anderem das Inventar von KZs versicherte, verweist darauf, dass eine weitere Förderung »auf Grund des umfassenden Engagements der Allianz bei jüdischen Einrichtungen in Deutschland sowie weiterer gemeinnütziger Institutionen in Köln« nicht möglich sei. »Wir haben den Ort lange unterstützt, jetzt liegt die moralische Verantwortung bei der Stadt Köln und ihren Bürgern«, sagt Allianz-Pressesprecherin Melanie Völker.

Grüne und SPD zeigen großes Interesse am Fortbestand der Einrichtung. Monika Möller (SPD) spricht von »einer Herzensangelegenheit«. ­Bürgermeistern Angela Spizig (Grüne) sagt: »Wir können nicht einerseits über ein Jüdisches Museum reden, das Millionen kostet, und das wir der jüdischen Geschichte auch schuldig sind, und andererseits ein Kleinod kaputtgehen lassen.« Festlegen wollen sie sich jedoch beide nicht, da erst im November die Haushaltsberatungen laufen.

Auch den neuen OB Jürgen Roters (SPD) haben die Ehrenamtlichen um Unterstützung gebeten. Es wird interessant sein, wie sich Roters, der sich in der Vergangenheit für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus stark gemacht hat – unter anderem bei der Rehabilitierung der Edelweißpiraten – verhält.

Ö: Di & Do, 11-14, So 12-16 Uhr, Albertusstr. 26; Mehr Infos auf www.jawne.de und
www.ns-gedenkstaetten.de/nrw
Unabhängig vom Arbeitskreis ruft eine Initiative am 9.11. zur Demo auf unter dem Motto: »Allianz-Konzern zur Verantwortung ziehen, Jawne-Gedenkstätte erhalten«. Kundgebung 18 Uhr am Offenbachplatz