(Anti-)Sloterdijk-Import aus München: »Zorn«

Regisseurin Philine Velhagen nimmt den ­ZDF-Starphilosophen und feui­lletonistischen Thesenfechter Sloterdijk beim Wort seines Werks »Zorn und Zeit« und geht ans Eingemachte: an die aufgestaute Wut des Mannes, diese Urtriebkraft, die viel zu lange verniedlicht und ausgebremst worden ist. Das empfinden zumindest die beiden auftretenden Männer so, die sich folgerichtig an eine Selbsttherapie machen.

Etwas Großes muss es sein, etwas Gewaltiges muss geschehen: Sie nehmen sich vor, »Das Boot« zu klauen – das Modell des U-Boots in Originalgröße nämlich, das in der bekannten Verfilmung benutzt wurde und seitdem auf dem Gelände der Bavaria-Filmstudios ausgestellt wird. So könnten nicht nur versunkene Energien wieder auftauchen, sondern auch der Ort einer vernichtenden Niederlage verwandelt werden in einen Triumph.

Die Kölnerin Velhagen und ihre beiden Hauptdarsteller Jörg Witte und Arthur Klemt vom Münchener Pathos Transport Theater, wo die Produktion heraus gekommen ist, testen Sloterdijks Philosophie im echten Leben, und das klingt nach einer höchst witzigen Angelegenheit. Zugleich liefern sie den passenden theatralischen Kommentar zu der Feuilletondebatte, die Sloterdijk jüngst mit seinem Frankfurter Widersacher Axel Honneth über die angeblichen Triebkräfte unseres sozialstaatlichen Systems ausgetragen hat.

Ob nun elementarer Zorn und Neid oder das eher rationale Bedürfnis nach Gerechtigkeit uns bewegen, sei dahingestellt. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist die Annahme, dass viele Leute in unserer Gesellschaft eine ganze Menge schlucken müssen und deshalb endlich mal die Sau raus lassen wollen. Und sei es mit einer anständigen Tortenschlacht, wie in dieser Aufführung.

Eine Prise Pollesch darf man wohl erwarten, wenn intellektuelle Thesen hier ganz allgemeinverständlich aufs Körperliche runter gebrochen werden. Nach der erfolgreichen Münchener Premiere wurde das Stück von der Kritik jedenfalls als die »Geburt des postdramatischen Boulevards« gefeiert.

»Zorn« R: Philine Velhagen,
Rheinlandhalle / Helios-Gelände,
Venloer Straße 389, 3. Etage,
3. – 7.11., 20.30 Uhr.

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