Das Gesicht hinter dem Namen ist neu

Jahrelang existierte Moritz von Oswald nur als Name auf unzähligen Elektronikalben. Er gab keine Interviews, veröffentlichte keine Pressefotos. Er verkörperte bis weit in dieses Jahrzehnt den Do-it-yourself-Anspruch der frühen Techno-Jahre und einen radikalen Abschied von der Figur des Rockstars.

Ein Trademark hatte der Berliner trotzdem: die puristische, detailversessene Faszination für Hallfahnen. Als Mitglied von Basic Channel reicherte er den düsteren Techno des postindustriellen Detroits mit Dubsprengseln an, mit seinem Projekt Rhythm & Sound entwickelte er ein Rolemodel digitaler Dubmusik. Kritiker werfen bei jeder Gelegenheit den Namen von Oswald und den seines Partners Mark Ernestus in die Runde stilprägender Elektroniker. Und – was noch wichtiger ist – in ihrem Studio gab sich der internationale Jetset der Reggae-Toaster die Klinke in die Hand.
Eine Menge Geschichte, die Moritz von Oswald mit sich herumträgt. Nicht nur, weil er neuerdings über sich und seine Verwandtschaft zu Otto von Bismarck redet. Sondern auch, weil der Dub-Forscher den schweren Bass auf dem aktuellen Album »Vertical Ascent« fast vollständig in den Hintergrund gemixt hat. Zusammen mit Vladislav Delay und Max Loderbauer am Modularsynthesizer spielt von Oswald eine ganz eigene Version freier improvisierter Musik. Dabei erinnert nur der Ensemblename an Free-Jazz-Trios der 60er und ihre ekstatischen Ausbrüche. Vom Jazz entleiht das Trio die Idee der Improvisation, sein Umgang mit Sound bleibt jedoch Dub.

Die einzelnen Spuren laufen in von Oswalds Mischpult zusammen, wo sie verdoppelt und neu auf der Zeitleiste verteilt werden. Das metallisch klingende Drum-Kit dominiert das Album, wird von in hohen Frequenzen flirrenden Synthesizern verstärkt und nur vereinzelt von einem subsonischen Bass durchbrochen. Und wo karibische Rhythmen wie Calypso aufflackern, bleiben sie rhythmische Struktur und werden niemals zum vollwertigen Zitat. Nie zuvor klang Moritz von Oswalds Musik so präsent – und doch so wenig greifbar.

Konzert:
Moritz von Oswald Trio
Do 10.12., Stadtgarten, 21 Uhr
Verlosung siehe Tageskalender erste Seite