Trienekens Forever

Der Müll, die Stadt Köln und das Entsorgungsunternehmen Trienekens: Dieses Beziehungsdreieck gab schon Stoff für viele Geschichten her. Im Sommer ist eine weitere hinzu gekommen.

100 Millionen Mark wollte die Entsorgungsfirma Rethmann für 49,9 Prozent der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe bezahlen. Für die Hälfte eines Unternehmens also, dessen Wert Wirtschaftsprüfer auf 114 Millionen geschätzt hatten. Kein schlechtes Angebot also. Verkauft wurden die Anteile aber an den Entsorger Trienekens, für 60 Millionen Mark, die andere Hälfte an den Stadtwerkekonzern. Eine merkwürdig anmutende Entscheidung, durchgesetzt von CDU und FDP mit denkbar knapper Mehrheit und unter vehementem Protest von Grünen, SPD und PDS in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause.
Das bislang städtische Unternehmen in die Hände von Hellmut Trienekens zu übergeben war Christ- und Freidemokraten offenbar wichtig. So wichtig, dass sie sogar den von ihnen häufig beschworenen Konsens der demokratischen Parteien aufgegeben haben. Die seit dem Tod von OB Harry Blum fehlende Mehrheit im Stadtrat ließen sich die bürgerlichen Parteien vom Vertreter der Republikaner, Jürgen Heydrich, beschaffen. Doch nicht nur die Bildung derartiger neuer Mehrheiten kennzeichnet die besonderen Umstände unter denen die Privatisierung zu Stande kam. Bezeichnend war auch die Hast, mit der die Vergabe an Trienekens durchgesetzt wurde.

Gebührenargumente

Der Verkauf der städtischen Anteile an den AWB war gar nicht erst ausgeschrieben worden, die Verwaltung gleich in Verhandlungen mit privaten Entsorger eingestiegen. Ein erstes Angebot von Rethmann über 80 Millionen Mark kam deshalb sehr spät, erst eineinhalb Wochen vor der entscheidenden Ratssitzung. Allerdings sofort, nachdem das Wertgutachten der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) publik gemacht worden war. Einen Tag vor der Ratssitzung erhöhte Rethmann erneut, auf 100 Millionen. Doch die neue Ratsmehrheit wollte nicht in neue Verhandlungen einsteigen. »Wer Gebührenstabilität will, muss jetzt entscheiden«, versuchten CDU und FDP die Eile zu rechtfertigen.
Das Argument der Gebührenstabilität ist nicht neu. Schon Ende 1999 nahm der gerade ins Amt gewählte OB Harry Blum bevorstehende Gebührenerhöhungen zum Anlass, die Privatisierung einzuleiten. Die Rücklagen, aus denen die vorherige rot-schwarze Stadtregierung Geld entnommen hatte, um den Anstieg zu bremsen, waren aufgebraucht. Die Tilgung der Kredite für die eine Milliarde Mark teure Müllverbrennungsanlage hatte eingesetzt und verursachte neue Kosten. 12 Prozent Gebührenerhöhung und ähnliche Aussichten für die kommenden Jahre skizzierte Blum ein Horrorszenario, das geeignet war jeden Wahlkämpfer in die Pflicht zu nehmen.
Harald Junge, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, hält die Argumentation jedoch für vorgeschoben: »Die Belastung durch die Rückzahlung der Kredite ist dank der Laufzeit von 25 Jahren gering.« Die Gebührensteigerungen seien dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage geschuldet gewesen: »Die Investitionsphase der MVA ist aber vorbei, es kommen keine neuen Kosten auf den Gebührenzahler zu.« Im Gegenteil, mit Inkrafttreten des Deponierverbotes für Siedlungsabfälle ab 2005, werden die Müllöfen besser ausgelastet. »Für einen privaten Teilhaber wird das ein gutes Geschäft«, prognostiziert Junge. Den Grünen wäre es deshalb lieber gewesen, der kommunale Stadtwerke-Konzern hätte die AWB alleine übernommen.

Außergewöhnliche Bindungen

Die Beteiligung von Trienekens an einer privatisierten Müllabfuhr beschloss die Ratsmehrheit von CDU und FDP schon Ende 1999. »Eine bewährte Partnerschaft«, gab man damals als Begründung an, »wird ausgebaut«. Auch heute klingt das so ähnlich: »Bindungen persönlicher und rechtlicher Natur« rechtfertigten die Vergabe an Trienekens, hieß es in der entscheidenden Ratssitzung. Die Firma Trienekens ist Teilhaber an vielen städtischen Gesellschaften. Sie ist beispielsweise Mehrheitseigner am Betrieb des Kölner Kompostwerks, sowie an der Kölner Auto-Recycling und Teilhaber an der Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft AVG, der Betreiberin der Müllverbrennungsanlage.
Der mit Trienekens ausgehandelte Vertrag trägt der bereits vorhandenen Verflechtung zwischen öffentlicher Hand und Privatunternehmen detailreich Rechnung. Für den Zeitraum von September 2000 bis Ende 2005 wird Gebührenstabilität zugesichert. Um die Ertragslage der Abfallwirtschaftsbetriebe zu verbessern, vergibt Trienekens während der Vertragslaufzeit von 13 Jahren Aufträge mit einem jährlichen Umsatzvolumen von 1,6 Millionen Mark an die AWB. Darüber hinaus sagt Trienekens verbindlich zu, für die nicht ausgelastete MVA, an der der Entsorger ja über die AVG beteiligt ist, weiterhin zusätzliche Abfälle zu akquirieren und sorgt damit für ein weiteres Umsatzplus von rund 40 Millionen Mark jährlich. Laut Absprachen zwischen Stadt und Trienekens sollen im Gegenzug nach Abschluss der Verträge die Besitzverhältnisse an der Baustellenabfallverwertung Köln und der Gasversorgungsgesellschaft Rhein-Erft neu geordnet werden. Hier ist Trienekens bislang Minderheitsgesellschafter. Der Entsorger möchte aber 50,1 Prozent der Geschäftsanteile, die restlichen soll die AVG halten.
Derartig detailiert wurde mit Rethmann nie verhandelt. Offensichtlich mit Absicht, denn obwohl der Entsorger in Briefen an OB Harry Blum vom 2. und vom 26.11.99 deutlich sein Interesse zum Ausdruck gebracht hat, wurde Trienekens mit Ratsbeschluss vom 16.12. bevorzugt. Die Stadtspitze behauptete in der damaligen Sitzung, Rethmann habe sich erst einen Tag zuvor beworben. Das aktuelle 100-Millionen-Mark-Angebot von Rethmann wurde von CDU-Fraktionschef Bietmann sogar als »unseriös« abqualifiziert. Gleich mit vom Tisch war die Offerte Rethmanns, alle Leistungen von Trienekens zur Verbesserung der Bilanzen ebenfalls zu erbringen. Das Bochumer Unternehmen habe im Rheinland keine Infrastruktur, argumentierte die CDU, das Versprechen sei nicht zu halten. Die mit Trienekens zuzüglich zum Verkaufspreis vereinbarten Leistungen wurden auf einen Gegenwert von fast 120 Millionen Mark geschätzt, die das 40 Millionen Mark Geschenk von Rethmann als vergleichsweise mickrig erschienen ließen.

Neue Mehrheiten

»Trienekens hat die besseren Beziehungen«, kommentiert Norbert Rethmann und spielt damit wohl auf die personellen Bindungen zwischen CDU und Trienekens an. Der Geschäftsführer der Kölner Trienekensfiliale, Egbert Bischoff, beispielsweise ist zugleich Vorstandsmitglied der Kölner CDU und war früher als umweltpolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion maßgeblich am Zustandekommen der Partnerschaft von Stadt und Trienekens in der AVG beteiligt. Auch Hellmut Trienekens ist CDU-Mitglied. In Anbetracht des bevorstehenden OB-Wahlkampfs, vermuten manche, die Vergabe an Trienekens solle den Unternehmer motivieren, die Kandidatur von CDU-Kandidat Fritz Schramma zu unterstützen. Angesichts derartiger Abhängigkeiten von einem Privatunternehmen befürchten die Grünen, die Stadt habe in Zukunft keinerlei Einfluss mehr auf die Abfallwirtschaft. »Es wird schwer werden, das Holsystem für Recyclingabfälle und die Biotonne flächendeckend einzuführen«, so Harald Junge. Auch die Entlassung von AbfallberaterInnen dürfte kaum rückgängig gemacht werden. Doch die Privatisierung des Entsorgungsgeschäfts ist längst nicht abgeschlossen. Bereits zum Jahreswechsel soll Trienekens nach dem Willen der neuen Ratsmehrheit seine Anteile an der Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft auf 49,9 Prozent aufstocken.
Mit Spannung wird erwartet, wie sich die SPD dazu positioniert. Eigentlich eine Verfechterin der Partnerschaft mit Privatfirmen in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, war sie im Dezember, wie die Grünen und die PDS, noch gegen die Teilprivatisierung der AWB. In der Ratssitzung im Juni kündigte SPD-Fraktionschef Norbert Rüther nach einer flammenden Rede gegen die Privatisierung aber lediglich eine Stimmenthaltung an - sehr zur offensichtlichen Überraschung der Fraktionsmehrheit -, und das auch nur weil das Rethmann-Angebot nicht geprüft worden sei. Mit einer Neuordnung der AWB zeige man sich grundsätzlich einverstanden, so Rüther. Dass auch für die SPD die Gebührenstabilität »von besonderer Bedeutung« ist, hatte sie frühzeitig klar gestellt. Ihre Sorgen um die Rechte der ArbeitnehmerInnen wurden zerstreut, als sich 98 Prozent der Beschäftigten der Abfallwirtschaftsbetriebe mit dem von der ÖTV ausgehandelten Überleitungstarif zufrieden erklärten. »Wir sind in der Lage, uns auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen«, kommentierte SPD-Fraktionschef Norbert Rüther. Wichtig sei aber, dass die kommunale Mehrheit erhalten bliebe. Dafür reichen auch 50,1 Prozent. Eine Trienekens-Mehrheit an der AVG wäre damit allerdings ausgeschlossen. Jürgen Heydrich wird wohl noch mal ran dürfen.