Den Ruf erhören

Rechenzentrum forschen jenseits des Profanen

»Extra ecclesiam nulla salus.« Keine Heilung außerhalb der Kirche, heißt es im Stück »Pantokrator« von Rechenzentrum, einem langsam vor sich hin schabenden Geisterhaus-Dub mit Klavierbegleitung. Das Sample ist ein bewusstes Spiel mit den Referenzräumen, die ein aus Federico Fellinis »8 ?« geschnittenes Zitat von Papst Eugen IV. so aufmachen kann. Oder vielleicht ist es schlicht ein naseweiser Kalauer, der einem beim Musikproduzieren schnell mal zwischen die Beats plumpsen kann. Denn das Wort Kirche lässt sich auch als persönlicher Platzhalter verstehen, so wie beispielsweise Rechenzentrum in einer Berliner Subkultur sozialisiert wurden, in der man sich das bisschen Seelenheil jedes Wochenende unter der DJ-Kanzel abholte.

Clubmusik wurde von den Gründungsmitgliedern Marc Weiser und Lillevän jedoch von Anfang an – wir sprechen von der Mitte der 90er Jahre, der Blütezeit der Intelligent Dance Music – mit eigenen, eher unüblichen Dogmen versehen. Sie wurde nicht vom Zentrum der Tanzfläche aus, sondern vom Licht am Ende der Datenleitung her gedacht, und sie sollte mehr sein als einfach nur Party, nämlich Bild (Lillevän) multipliziert mit Ton (Weiser).

Multimedia, Elektroakustik, audiovisuelle Einheit als Gesamtkunstwerk lauteten die wichtigsten Stichworte auf dem Konzept-Spickzettel von Rechenzentrum, und zwar noch bevor die Bild-Ton-Symbiose im Produktformat die Regale der Comsumer-Electronics-Großmärkte überschwemmte. Das Kompletterlebnis Rechenzentrum war Performance-gebunden und eher selten in festgeschriebener Form zu haben (in 13 Jahren wurden nur ein reguläres Album und eine John-Peel-Session, immerhin zwei DVDs veröffentlicht), was das Projekt naturgemäß im Kunstkontext verortete. Dass das erste Konzert, das zur Gründung des Duos führte, 1997 auf der Documenta stattfand, tat sein Übriges. Die Protagonisten allerdings verwehren sich im Rückblick gegen solche strategischen Positionierungen. Das Programm sei seit jeher ganz einfach gewesen: überall spielen, wo nach einem gerufen wird.

Auch wenn Rechenzentrum vor etwas mehr als einem Jahr die letzten Audio-Video-Shows in alter Besetzung spielten und im Zuge dessen die Selbstauflösung bekannt gaben, ist man über aktuelle Auftrittsankündigungen also nicht besonders überrascht. Gerufen hat diesmal tatsächlich die Kirche, jene von St. Aposteln nämlich. Marc Weiser wird mit seinem Bruder Nicolas T. Weiser im Rahmen der fünften Ausgabe des Ambientfestivals »Zivilisation der Liebe« auftreten und soll dort für die spirituelle Multimedia-Erleuchtung sorgen. Unter dem Motto »lux spiritualis« spielen Rechenzentrum am selben Abend wie der Pianist Dustin O‘Halloran. Flügel und IDM zum Angucken plus sakraler Raum: Im Zuge der gerade schwer angesagten Klassik-Techno-Verschmelzung ist das eine nahe liegende, vielleicht sogar heilsame Verbindung.

Konzert:
21.–23.1., Ambientfestival
»Zivilisation der Liebe«, St. Aposteln,
jeweils 21 Uhr.
Rechenzentrum spielen am 23. das Abschlusskonzert.

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Betreff »Himmel auf Erden«