Subversiv und mehrheitsfähig

»Hairspray« nach dem Film von John Waters im Musical Dome

Die beliebtesten TV-Sendungen deutscher Teenager von heute sind »Deutschland sucht den Superstar« und »Germany‘s nex top model«. Tracy Turnblad, ein dicker Teenager aus Baltimore, liebt 1962, durchaus vergleichbar, Corny Collins TV-Tanzshow. Hinter den Kulissen kündigen sich dort gesellschaftliche Umbrüche an: Offiziell ist »schwarze Musik« verpönt, ein gemeinsames Auftreten von Schwarz und Weiß sowieso. Der Moderator will das ändern. Die Produzentin lehnt vehement ab.

Als eine neue Teilnehmerin gesucht wird, erobert Tracy, die unerhörterweise von schwarzen Schulkameraden den Tanzstil aufgenommen hat, gegen jede Wahrscheinlichkeit die Show und ihren Traummann. Doch ihr reicht das nicht: Sie riskiert alles, um ihre Freunde, ungeachtet der Hautfarbe, in die Sendung zu integrieren. Also zum Teil des Business’ zu machen.

»Hairspray«, das Musical, ist ebenfalls ein perfekter Teil des Business. Die verhandelten Themen waren schon in John Waters Film von 1988, auf dem das Musical basiert, erstaunlich mehrheitsfähig, jedenfalls wurde der Meister der Underground-Geschmacklosigkeiten mit diesem Außenseitermärchen erfolgreich wie nie. Statt Mega-Transvestit Divine gibt im Kölner Musical Dome Uwe Ochsenknecht die Mama von Tracy, angenehm zurückgenommen und ohne Transenklischees.

Man mag über Aktualität oder Angepasstheit der Thematik – dicke Teenager! Rassismus in der Unterhaltungsindustrie! – sinnieren, muss aber zugeben: Hier ist ein sehr unterhaltsamer, perfekt gearbeiteter Abend mit Witz gelungen. Die Musik, R&B-lastig und live gespielt, hat Ohrwurmqualitäten und gute, im Fall der Gospel-»Motormouth Maybelle« Deborah Woodson, sogar große Stimmen. Die Lichtregie erweist sich auch im übertragenen Sinn als bunt und dient dem Corporate Design bis hin zur Pausenbar: Retro-Bonbonfarben, viel rosa, hellblau, orange, die herrlich fiesen Gegenspielerinnen in gelb, der Farbe des Neids.

Das Bühnenbild wirkt originell und durchdacht, beispielsweise, wenn zehn Vignetten im Vorhang den Backgroundchor als Schattenriss besonders hervorheben, Choreografie und Staging reißen mit. Kurz: Regisseur Jack O’Brien, vielfach ausgezeichneter Musicalmann, und dem Ensemble ist mit ihrem Import vom Broadway und dem Londoner West End die Balance gelungen zwischen den naiven Momenten reiner Unterhaltung und der ironischen Sicht jener, die das Business durchschauen und deswegen perfekt bedienen können. Mit einem Augenzwinkern wird versichert, dass Humor auch subversiv sein kann. Und mehrheitsfähig.

»Haispray« Musical nach dem Film
von John Waters, R: Jack O’Brien,
MusicalDome, 18.-22., 25.-27., 29.-31.12.; 2., 3., 5.-10., 12.-17., 19.-24., 26.-31.1.,
wechselnde Uhrzeiten,
alle Angaben: www.hairspray.de