Neun StadtRevue-AutorInnen nennen ihre wichtigsten Bücher

Heiko Behr

David Foster Wallace: Unendlicher Spaß
Die Wasserscheide. Ganze Generationen von Lesern und Autoren werden sich noch abarbeiten an diesem Ereignis.

Tina Uebel: Die Wahrheit über Frankie
Drei Studenten leben jahrelang in einer gemeinsamen Parallelwelt. Zutiefst verstörende (wahre) Geschichte über Abhängigkeiten, Wahn, Liebe.

Junot Diaz: Das kurze wundersame Leben
des Oscar Wao
Der erste Roman und schon auf Augen­höhe mit Chabon und Franzen. Temporeich, witzig, jugendkulturell abgefedert.


Tanja Betzmeir

Nora Bossong: Webers Protokoll
Die beklemmend-düstere Geschichte eines vermeintlich unbescholtenen alten Diplomaten, der nach Jahrzehnten von seiner Vergangenheit eingeholt wird.

Elke Heidenreich/Bernd Schroeder: Alte Liebe
Szenen einer in die Jahre gekommenen Liebe: Ehrlich, prosaisch, von Erschöpfung gezeichnet – aber vollkommen rührend.

Nicolas Fargues: Die Rolle meines Lebens
Ein Erzählstil so voll von Zynismus gegen den eigenen »Helden«, dass es wahlweise weh tut – oder eine Freude ist.


Gisa Funck

Laurent Quintreau: Das Meeting. Und morgen bin ich dran.
Der turbokapitalistische Erfolgsdiktator im eigenen Kopf ist der neue Faschist ­unserer Zeit: Quintreaus Gedankenmonologe von elf Managern während einer Vorstands­sitzung lesen sich ebenso abgründig und wie amüsant – und sehen interessanterweise trotzdem Auswege.

Urs Widmer:Herr Adamson
»Herr Adamson« könnte man als Memento-Mori-Abenteuermärchen beschreiben: zwar heiter im Tonfall und spannend von der Handlung her, aber nicht verharmlosend in der uralten (Mythen-)Botschaft, wonach Todes­boten die besten Lebensratgeber sind.

Anna Katharina Hahn: Kürzere Tage
Zwei Akademikermütter im gutbürgerlichen Wettstreit darum, wer die bessere Supermama ist. Im überfordernden Tunnelblick, nur ja alles pädagogisch richtig mit den eigenen Kindern zu machen, blenden beide Gewalt und Elend in direkter Nachbarschaft aus – bis es zur Katastrophe kommt.


Lewis Gropp

Isaiah Berlin: Das krumme Holz der Humanität
Der Meister der Ideengeschichte wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Große Gedanken in einer Sprache aus schnörkelloser Schönheit. Isaiah Berlin ­lesen, heißt denken lernen!

Muhammad Asad: Der Weg nach Mekka
Leopold Weiss wird 1900 in einer Rabbiner­familie im galizischen Österreich geboren – und wird einer der großen islamischen Denker des 20. Jahrhunderts. Seine Autobiografie ist ein phantastisches Abenteuer – und große Literatur.

Michel de Montaigne: Von der Erfahrung
Montaignes letzter Essai zeigt uns, dass alles, was wir brauchen, bereits in uns liegt: wir müssen es nur erkennen. In sich ruhende, stoische Heiterkeit. Der Band ist ein kleiner Schatz, der in jede Jacken­tasche passt.


Sebastian Ingenhoff

Paul Beatty: Slumberland
Ein schwarzer amerikanischer DJ begibt sich Ende der Achtzigerjahre nach Ostberlin. DDR und BRD sind nur mit Humor zu ertragen. Unmittelbar nach der Wende wird die Mauer prompt neu errichtet, musikalisch, versteht sich.

Wolfgang Frömberg: Spucke
Ein Roman über die Lebensumstände im Popjournalismus, fernab der Digitalen ­Bohéme. Selbstausbeutung gehört zum Tagesgeschäft. Warum tut man sich das alles bloß an, fragt sich nicht nur Ex-Spex-Redakteur Wolfgang Frömberg.

Ronald M. Schernikau: Königin im Dreck
Pünktlich zum Schernikau-Jahr die gesammelten journalistischen Arbeiten des hübschen Dichters, der es noch mit letzter Kraft über den eisernen Vorhang geschafft hat. In Richtung Osten. Zu lesen gibt es Wahrhaftiges über Gisela Elsner, Schlagermusik und Romy Schneider.


Werner Jung

Dieter Wellershoff: Der Himmel ist kein Ort
Der Meister des pychologischen Realismus meldet sich mit einem beklemmenden Roman zurück.

Peter Henning: Die Ängstlichen
Nichts für Furchtsame, aber ein passables Mittel, sich über gesellschaftliche und andere Ängste klar zu werden.

Michael Roes: Die fünf Farben Schwarz
Vorsicht: hier kann man als Leser ­(sagen wir in Köln) erst recht mit dem Protagonisten in China abhanden kommen, um einmal mehr zu verstehen, dass Literatur – das gilt für alle drei Texte – ­Irritation ist.


Ulla Lessmann

Marcel Feige: Trieb
Marcel Feige schreibt einen rasanten Thriller um einen Berliner Pädophilenring, dessen mörderische Geschäfte mit ­kleinen Ausreißern aus dem Ostblock er akribisch recherchierte. Geschickt verknüpft er parallele Handlungsstränge, entwirft starke Charaktere: Äußerst ­spannend und realistisch.

Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth
Wilhelm von Sternburgs Buch über Joseph Roth (1894-1939) ist eine Biographie, wie sie sein soll: Kritisch und empathisch ­zugleich gegenüber ihrem Gegenstand, kenntnisreich, einfühlsam, elegant geschrieben und ein athmosphärisch dichtes Zeitgemälde.

Eva Karnofsky: Die Straße der Tugenden
50 Jahre kubanische Revolution – Zeit für kluge Analysen. Wer dazu keine Lust hat, ist mit Karnofskys Roman bestens bedient: Die Autorin war 20 Jahre Lateinamerikakorrespondentin, ist mit einem Kubaner verheiratet. Sie erzählt die Geschichte Kubas aus Sicht von Frauen: einfach und unsentimental.


Marie T. Martin

David Foster Wallace: Unendlicher Spaß
Der ultimative weiße Ziegelstein. Man liest ein paar Seiten und fühlt sich ­danach, als hätte man bewusstseins­erweiternde Drogen genommen.

Verena Rossbacher: Verlangen nach Drachen
Ein pralles Debüt voller skurriler Figuren, detailverliebt und bisweilen süßlich schwer. Mit Klara und ihren Männern sitzt man gerne im Kaffeehaus.

Norbert Scheuer: Überm Rauschen
Eine leise und fein erzählte Geschichte über zwei Brüder, die Erinnerung, die ­Familie, das Angeln und das Glück. Die ganze Welt in der Eifel.


Christian Steigels

Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott
Glücklicherweise ist schon wieder was passiert. Aber interessant. Diesmal geht’s anders los mit dem Brenner. Aber sicher: Sympathischer und lustiger findest du’s nicht. Egal, wo du suchst.

Peter Hein: Geht so
Der frühere Fehlfarben-Sänger ist überall und nirgendwo unterwegs. Sein Blick ist schludrig, aber oft durchdringend. Und manchmal gelingen ihm tolle Sätze. Für einen Altpunk.

Peter Henning: Die Ängstlichen
In Momenten etwas arg betulich, aber doch ein stimmiges Zeugnis einer schrecklich normalen Familie in der Mitte Deutschlands vor und während der Überflutung. Außerdem beginnt auch sein Nachname mit H.