Der lange Schatten der Messe

Der Europäische Gerichtshof hat die Auftragsvergabe

für den Messe-Bau verurteilt. Sollte die Stadt dennoch an den Verträgen festhalten, könnte es teuer werden.

Ein Kommentar von Georg Wellmann

Der Skandal um den Bau der Kölner Messehallen geht in die nächste Runde. Obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Vergabeverfahren an den Oppenheim-Esch-Fonds für rechtswidrig erklärt hat, hält sich Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) alle Optionen offen. Er schließt weiterhin nicht aus, an dem umstrittenen Vertrag mit den Investoren festzuhalten. Wie die sogenannte Heilung des Verstoßes, die der EuGH erwartet, erfolgen kann, darüber verhandeln Stadt und Fonds derzeit. Die Möglichkeit, dass sie lediglich an Stellschrauben des Vertrags drehen, statt ihn für nichtig zu erklären und aufzulösen, ist nicht vom Tisch. Noch im Herbst erklärte Stefan Hertwig, Rechtsanwalt der Stadt Köln, die Rechtswidrigkeit des Mietvertrages könne eventuell durch eine Änderung der Mietlaufzeit oder -höhe aufgehoben werden. Der Auftrag an den Oppenheim-Esch-Fonds für Bau und Vermietung der vier Messehallen sei nicht rückgängig zu machen.

Dabei ist nach vorherrschender Rechtsauffassung in Deutschland eindeutig: Verträge, die gegen geltendes europäisches Vergaberecht verstoßen, sind nichtig und müssen rückabgewickelt werden. Das schließt sämtliche Verträge ein, die mit dem rechtswidrigen Vertrag zusammenhängen. Sollte das nicht geschehen, drohen Strafzahlungen an die EU in dreistelliger Millionenhöhe.
Das EuGH-Urteil betrifft also nicht nur den monierten Mietvertrag. Darin hatte die Stadt dem Oppenheim-Esch-Fonds im August 2004 zugesichert, die Hallen über dreißig Jahre anzumieten, obwohl diese noch gar nicht errichtet worden waren – ein Umgehungsgeschäft, denn mit dem Vertragswerk wurde zugleich ein Bauauftrag an die Investoren vergeben. Weil hierfür die notwendige Ausschreibung fehlte, bewertete der Gerichtshof das Geschäft als illegal. Demnach ist auch der Grundstückskaufvertrag rechtswidrig. Stadt und Messe verkauften im Dezember 2003 ein mehr als 170.000 Quadratmeter großes Grundstück an den Oppenheim-Esch-Fonds, um dort neue Ausstellungshallen errichten zu lassen. Die Veräußerung des Grundstücks war ebenfalls vertraglich an den Bauauftrag gebunden. »Der Käufer beabsichtigt die Bebauung des Grundbesitzes mit vier Messehallen mit ca. 76.000 qm Bruttogrundfläche und Verbindungsbauwerken, Eingangsbereichen, einem Gästeclub, Verbandsbereichen, einem sog. Boulevard, einem Pressezentrum, einem Konferenz-/Kongressbereich, Technikräumen, Nebenflächen (Service, Garderobe) und Außenanlagen und 1.150 oberirdischen Stellplätzen«, heißt es im Grundstückskaufvertrag. Nach europäischem Recht müsste auch dieser aufgehoben werden.

Das Urteil birgt aber auch die große Chance für die Stadt, dreistellige Millionenbeträge zu sparen. Denn erklärte sie den Mietvertrag für nichtig, entfielen vereinbarte Mietzahlungen an Oppenheim-Esch von mehr als 750 Millionen Euro. Da der Grundstückskaufvertrag ebenfalls anfechtbar ist, könnte die Stadt die vom Privatinvestoren errichteten Messehallen erwerben. Doch dazu müsste deren Wert bekannt sein. Nach der Investitionsplanung des Oppenheim-Esch-Fonds sollen die Baukosten für die vier Ausstellungshallen rund 260 Millionen Euro und die Grundstückskosten rund 70 Millionen Euro betragen haben. Sind die Messehallen also 330 Millionen Euro wert? Hieran bestehen erhebliche Zweifel. Die Sparkasse KölnBonn hatte zur Finanzierung des Messebauvorhabens an die Investoren des Oppenheim-Esch-Fonds Millionenkredite vergeben. Im Jahr 2006 ließ sie den Wert ihrer Kredite durch die Kreditservice-Agentur der Sparkasse KölnBonn und der Kreissparkasse Köln (KSK) untersuchen. Das Ergebnis des bislang unveröffentlichten Gutachtens zu den Messehallen: Der Ertragswert der baulichen Anlage liegt lediglich bei 100,4 Millionen Euro und der Bodenwert bei 44,6 Millionen Euro. Der Gesamtwert der Messehallen beläuft sich also laut Gutachten auf nur 145 Millionen Euro. Hiervon abzuziehen sind rund 60 Millionen Euro an Hallenmiete, die die Stadt bislang an den Oppenheim-Esch Fonds gezahlt hat. Der Kaufpreis der Hallen dürfte demnach 90 bis 100 Millionen Euro betragen. Über günstige Kommunalkredite könnte die Stadt den Kauf der Ausstellungshallen finanzieren – könnte, wenn sie wollte. Doch bislang scheinen die politisch Verantwortlichen eher daran interessiert zu sein, Oppenheim-Esch das Geschäft zu sichern, als den Bürgern Millionenzahlungen zu ersparen.
Wie waren die Hintergründe des dubiosen Deals zwischen Stadt und Investoren? Ein Rückblick: Im Oktober 2003 beauftragte die Koelnmesse GmbH die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young damit, Angebote zur Finanzierung der geplanten Messehallen einzuholen. »Wesentliche Bewertungskriterien waren dabei insbesondere Konformität mit EU- und Kommunalrecht«, wie es im Aufsichtsratsprotokoll der Messe heißt. Doch die Pläne der Messe stießen bei der Stadt und deren Stadtsparkasse auf wenig Gegenliebe. Das Verfahren wurde kurzer Hand abgebrochen. Warnungen der Wirtschaftsprüfer, die Frage der öffentlichen Ausschreibungspflicht des Projektes sei »weder von der Koelnmesse GmbH noch von Ernst & Young rechtlich abschließend geprüft« worden, blieben folgenlos. Trotzdem vergab die Stadt den Auftrag an den Oppenheim-Esch-Fonds.

Einiges deutet darauf hin, dass die Stadt die Ausschreibung umgehen wollte. Die Messe sollte ursprünglich mit dem Verkauf ihres Grundstückes an die Investoren von diesen ein Rückkaufrecht erhalten, das bereits im Grundbuch eingetragen werden sollte. Dazu kam es nicht. Auf der Rückseite eines Schreibens der Stadtsparkasse an die Stadt Köln vom 17.12.2003 findet sich ein handschriftlicher Vermerk: »Nach Rücksprache mit Herrn Stadtkämmerer Soénius kommt eine Ausübung dieser Option nicht in Frage, da sich sonst die Frage nach dem ›sale-and-lease-back‹-Geschäft stellen würde.« Der Hinweis ist aufschlussreich, denn rechtlich müssen öffentliche Auftraggeber »sale-and-lease-back«-Geschäfte ab einem Auftragswert von 5 Millionen Euro europaweit ausschreiben. Offenbar war man sich also der Ausschreibungspflicht bewusst und wollte den Investoren des Oppenheim-Esch-Fonds auf Biegen und Brechen den lukrativen Auftrag zuschanzen.

Den Deal eingefädelt hatten Fondsinitiator Josef Esch und Gustav Adolf Schröder, damaliger Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse Köln. Sie verabredeten im Sommer 2003 das Geschäft, das sie nachträglich sogar schriftlich fixierten. In dem Vertrag verpflichtete sich die Stadtsparkasse, Einfluss auf zuständige Personen und Gremien – also auf den Rat und die Verwaltung – zu üben, damit der Auftrag an die Investoren ging. Die Stadtsparkasse kassierte hierfür 9,9 Millionen Euro von der Josef Esch Fonds-Projekt GmbH, so die Vereinbarung. Als Vorstandsvorsitzender einer kommunalen Sparkasse war Gustav Adolf Schröder dem Gesetz nach Amtsträger. Seit August ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn und Josef Esch wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit und der Bestechung in einem besonders schweren Fall.

Den Schaden hat der Steuerzahler. Denn die Stadt Köln hatte sich verpflichtet, die Mieten ab 2012 zu übernehmen, wenn die Messe diese nicht mehr aufbringen kann. Und wie nicht anders zu erwarten, kann die seit Jahren defizitär arbeitende Messe die immensen Mietzahlungen von jährlich mehr als 22 Millionen Euro an den Oppenheim-Esch-Fonds nicht erwirtschaften. Für 2009 und 2010 rechnet das Unternehmen mit rund 40 Millionen Euro Verlust. Weitere Verluste werden für die Jahre bis 2014 erwartet. Im Gegenzug plant die Messe ein »Sparprogramm«: In den kommenden Jahren soll jeder zehnte Arbeitsplatz abgebaut werden. Mitverantwortlich für dieses Debakel ist Roters Amtsvorgänger Fritz Schramma (CDU). Das hielt seine Partei nicht davon ab, den Alt-OB als Mitglied für den neu zu besetzenden Messeaufsichtsrat vorzuschlagen. Erst nach breiter öffentlicher Kritik verzichtete Schramma auf das Mandat.

Und der neue OB und Messe-Aufsichtsratschef? Jürgen Roters war zuvor Kölner Regierungspräsident (RP). Im Juli 2004 richtete das Kölner Bürger-Bündnis eine Anfrage an den damaligen RP und äußerte kommunalrechtliche Bedenken gegen den Messedeal. Anstatt das Geschäft zu prüfen und die Verträge einzusehen, übernahm Roters die Stellungnahme der Stadt Köln, die das Geschäft als völlig unbedenklich einstufte. Hoffnungen weckte er dann kurz nach seinem Amtsantritt im Herbst vergangenen Jahres: »Ich möchte auf jeden Fall verhindern, dass wir wieder undurchsichtige Geschäfte machen, die auch von den Politikern nicht durchschaut werden können, wie zum Beispiel beim Bau der Messehallen.« Derzeit scheint es jedoch, als ziehe auch Roters sich wieder ins Undurchsichtige zurück.