Rapper Moslem Shylock

»Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt?« Mit diesen Worten mahnt der verhasste jüdische Außenseiter Shylock in Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig« Gerechtigkeit an. In der Adaption des Bonner Fringe Ensembles werden die viel zitierten Verse allerdings nicht von einem Schauspieler vorgetragen. Vielmehr rappen sie Jugendliche in Kapuzenpulli-Kanak-Outfit.

Mit seiner Interpretation hat Regisseur Severin von Hoensbroech aus dem jüdischen Ghetto ein muslimisches gemacht und aus dem Juden den Moslem Shylock. Fünf junge Leute spielen diese Rolle. Unmittelbar richtet sich der Fokus auf die aktuelle Diskussion um »Integration«.
Das ist überzeugend, geht es in dem 450 Jahre alten Stück doch um den Konflikt zwischen Einbindung und Ausgrenzung in aller Deutlichkeit. Auch in der Fringe-Version finden die Shylocks mit Migrationshintergrund ihre Gegenspieler in der christlichen Dolce-Vita-Clique Venedigs, verkörpert von drei Schauspielern im silbern glänzenden Wams, die grandios zwischen den dutzend übrigen Rollen switchen, egal ob männlich oder weiblich.

Es wirkt fast, als ob die Verse selbst am besten wüssten, wer sie spricht. Auch wegen der Tanz- und Rapeinlagen kommt das lebendig und leicht inszeniert daher, verliert bis zum Schluss nicht an Tiefgang. Shylock bleibt hart, weil er in der entsprechenden Gesellschaft lebt. »Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben.« Vier Shylocks wetzen kaltblütig ihre Messer, um dem Venezianer das vertragsmäßige Pfund Fleisch aus dem Leib zu schneiden.
Zu guter Letzt werden sie in der farcenhaften Gerichtsverhandlung um Recht und Rache gebracht. Doch könnte Rache je gerecht sein? Nein. Und doch heißt es nun mal »So ist das Leben, Bruder«.


Der Kaufmann von Venedig
von William Shakespeare, R: Severin
von Hoensbroech, Studiobühne,
2.3. (Köln-Premiere) – 5.3., 20 Uhr