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Mit »Empire« legen Michael Hardt und Toni Negri eine umfassende Kritik der Globalisierung vor

Als vor zwei Jahren das englischsprachige Original von »Empire« erschien, entwickelte sich binnen kurzer Zeit eine breite, euphorische Rezeption. Der notorische Slavoj <breve>Zi<breve>zek spitzte es zu: »Was Hardt und Negri hier vorlegen, ist nichts weniger als ein Kommunistisches Manifest für unsere Zeit.« Der amerikanische Literaturwissenschaftler Michael Hardt und der fast 70jährige Negri, in den 70er Jahren führender Theoretiker der italienischen Autonomen, als Marx und Engels des 21. Jahrhunderts?
Jetzt ist »Empire« auf Deutsch erschienen, und die Begeisterung will kein Ende nehmen: Die konservative FAZ stellt fest, dass es sich hier um ein ausdrücklich marxistisches Werk handelt – und lobt es trotzdem; die staatsliberale Zeit schwärmt von der »grandiosen Analyse«; und die Buchvorstellung in der Berliner Volksbühne mit Michael Hardt geriet fast zu einer Demonstration, so hoffnungslos überfüllt war der Theatersaal.

Kapitalismus ohne Zentrum und Peripherie

Woran liegt’s? Negri und Hardt gelangen in ihrer umfassenden Theorie der Globalisierung zu neuen Begriffen, die mit dem Mainstream-Marxismus und seinen Kategorien »Imperialismus« und »Proletariat« brechen. Der eine Begriff ist der des Empire. Mit dem Empire verknüpft ist die grundlegende These, dass im Zeitalter der Globalisierung die Souveränität nicht verschwindet, sondern neu gebildet wird, sie wandert von der nationalstaatlichen auf eine supranationale Ebene. Das Empire ist der totale Kapitalismus, der kein Außen mehr kennt, aber auch kein Zentrum, keinen diabolischen Dirigenten, der die Globalisierung steuert. Negri und Hardt machen das an drei Faktoren fest: 1. Das Empire ersetzt die starre Einteilung der Gesellschaft durch hybride Identitäten, flexible Hierarchien und Netzwerke. 2. Das Empire löst die Grenzen der Ersten und Dritten Welt auf, die Dritte Welt findet sich mitten in der Ersten – und umgekehrt. 3. Das Empire herrscht über den gesamten gesellschaftlichen Raum. D.h. konkret, es suspendiert (feste) Grenzen, es setzt sich selbst als ewig und definiert sich als »Ende der Geschichte«, also als Zustand eines ewigen Friedens, und: Es ist kreativ, denn es okkupiert nicht nur den gesellschaftlichen Raum, es erschafft ihn auch.

Bekannte Elemente zum schlüssigen Gesamtentwurf

Es ist leicht, das eben Skizzierte als bereits bekannt abzutun. Negri und Hardt lassen auch gar keinen Zweifel daran, dass der klassische Marxismus, die Systemtheorie oder der Dekonstruktivismus vieles vorweg genommen haben. Was an ihrem Buch beeindruckt ist, dass sie die bekannten Theorieelemente zu einem schlüssigen Gesamtentwurf fügen. Schlüssig heißt, dass sie nicht nur die theoretischen Bruchstellen zum klassischen Denken benennen, sondern auch eine historische Herleitung unternehmen. Der Begriff Empire soll natürlich an das römische Imperium erinnern als ersten Versuch einer Weltordnung: das römische Reich als »Imperium mit offenen und sich ausdehnenden Grenzen (...), in dem Macht vollständig in einem Geflecht von Strukturen verteilt (war).«

Multitude oder die selbstbewusste Menge

Und der andere Begriff? Das ist die Multitude. Der Verlag scheute vor dem sperrigen lateinischen Wort und hielt die Übersetzer an, es mit »Menge« zu übersetzen. Multitude bedeutet aber mehr als »Menge«, es meint die Menge, die sich ihrer Bedürfnisse und ihrer Begehren bewusst ist. Multitude soll den klassischen Begriff des Proletariats ersetzen. Die zweite grundlegende These der Autoren ist, dass das Empire seinen eigenen Totengräber, eben die Multitude, heranzieht. Die Stärke des Empire, die Transformation von diktatorischer und imperialistischer Unterdrückung in flexible, kommunikativ verwobene Netzwerke – sie sprechen von »immaterieller Arbeit« –, die die Fabrikarbeit zunehmend ersetze, impliziert auch, dass diese Netzwerke, die Multitude, autonom agieren und sich also vom Empire abnabeln können. Orthodox marxistisch gesprochen: Die Produktivkräfte lehnen sich gegen die Produktionsverhältnisse auf, die sie als Fessel erfahren.
So erwächst aus dem Orwell’schen Szenario von Hardt und Negri ein welthistorischer Optimismus. Die dichte Analyse mutiert im Laufe des Buches zu rauschhaften Beschreibungen des »Glücks, Kommunist zu sein«. Man kann sich zu Recht fragen, ob sie ihre eigenen theoretischen Prämissen nicht völlig überspannen. Aber: Negri und Hardt laden ausdrücklich zur nächsten Runde der Globalisierungsdebatte ein. Und sie haben die Messlatte ziemlich hoch gelegt.
Felix Klopotek
Michael Hardt/Toni Negri: Empire, Campus Verlag, Frankfurt 2002, 461 S., 34,90 EUR.

Real war
Das Handbuch zur Attac-Bewegung

Verglichen mit »Empire« ist »Attac – Was wollen die Globalisierungskritiker?« leichte Kost. Christian Grefe, Mathias Greffrath und Harald Schumann verhandeln in ihrem Buch die mittlerweile klassischen Topoi der reformorientierten Antiglobalisierungsbewegung, hier verkörpert durch die Attac-Bewegung. Die Macht der Finanzmärkte untergrabe die Demokratie. Deshalb müssen sie mittels Steuern und besserer Bankenaufsicht kontrolliert werden. Und natürlich gilt es, supranationale Institutionen wie den IWF zu demokratisieren. Der Staat erscheint dabei als ein neutrales Instrument, der sowohl von dem »bösen« Finanzsystem als auch von den »guten« Globalisierungskritikern instrumentalisiert werden könne. Das steht in diametralem Gegensatz zur Kritik von Negri und Hardt, die in ihrer Geschichte der Entwicklung des Empire aufzeigen, dass die Aufgabe des Staates mitnichten eine neutrale, »klassenübergreifende« ist, z.B. Bewahrung des Gemeinwohls, sondern dass ihm vor allem die Sicherung der Kapitalverwertung zukommt. Demnach greift eine Globalisierungskritik, die keine Staatskritik ist, zu kurz.
»Attac« hat den Vorteil, dass es vor allem für Nichtkenner Fakten und Grundbegriffe der (Mainstream-)Diskussion über Globalisierung in gut geschriebener, knapper Form parat hält. Auch verfallen die Autoren nicht in einen romantisierenden, verschwörungstheoretischen Duktus, wie man ihn auch bei Promis wie Noam Chomsky finden kann. Dass aber die Unterzeile des Buches »Was wollen die Globalisierungskritiker?« die extrem heterogene Bewegung zwischen Oskar Lafontaine und Antonio Negri unter dem Label »Attac« subsumiert, ist schon ziemlich dreist. (fk)
Christian Grefe, Mathias Greffrath, Harald Schumann: Attac – Was wollen die Globalisierungskritiker? Rowohlt Berlin; Berlin 2002, 222 S., 12,50 EUR