Meditieren und Kassieren

Auf Lynchs Spuren: »David Wants to Fly« von David Sieveking

David Lynchs Filme machen Angst. David Lynch aber auch. So grandios seine besten Werke sind, so befremdlich ist die Inspirationsquelle, die er für sein Schaffen angibt. Aus der Transzendentalen Meditation, kurz: TM, beziehe er seine Energie und Kreativität, sagt er zu seinem Bewunderer, dem jungen Berliner Filmemacher David Sieveking.

Weil Meditieren nie verkehrt sein kann und TM-Mastermind Maharishi Mahesh Yogi die Beatles, Mia Farrow und ganze Hippie-Kohorten mit Erleuchtung versorgte, möchte auch Sieveking seine Kunst und sein Leben dergestalt optimieren. Denn sowohl sein erster Film als auch seine Beziehung stagnieren gerade. Er erhält sein persönliches Mantra, wundert sich zunächst über dessen üppigen Preis und später darüber, dass der Verkaufsschlager gar nicht so persönlich ist. Das ist der Ausgangs­punkt zu einer Reise in die Welt der TM-Bewegung, dessen wichtigster Repräsentant Lynch mittlerweile ist.

Sieveking bereist die TM-Hauptquartiere in der Schweiz und Holland, nimmt an Kongres­sen in den USA teil und verfolgt die Spuren des vor zwei Jahren verstorbenen indischen Gurus bis zu dessen Anfängen an der Grenze zu Tibet. Er kommt zum Er­gebnis, dass TM eine milliarden­schwere Organisation mit Pro­fit­ausrichtung ist. In ihrem Portfolio befinden sich Produkte, die nicht weniger versprechen als Weltfrieden, den Himmel auf Erden und nebenbei Yogisches Fliegen. Letzteres nimmt sich aus wie eine missratene Parodie auf die Paralympics. Ersteres offenbart sich spätestens in dem Moment als bodenloser Blödsinn, in dem der deutsche TM-Chef Raja Emanuel Schiffgens bei der Grund­stein­le­gung der – nie gebauten – deutschen Maharishi-Universität auf dem Berliner Teufelsberg »Unbesiegbares Deutschland« skandiert. Immerhin verspricht Schiffgens, es besser als Hitler machen zu wollen, dem nicht die richtigen technischen Mittel zur Verfügung gestanden hätten.

Sieveking trifft TM-Aussteiger, die ihr Vermögen an die Sekte verloren haben – oder ihre Jung­fräulichkeit. Auch im Schlafgemach des vorgeblich zölibatär lebenden Maharishi verwechselten zahlreiche orientierungslose Hippiemädchen männlichen Samenerguss mit Sinnstiftung.

Dass Sekten vor allem west­liche Verunsicherungen aufkaufen und ihre Jünger ökonomisch, sexu­ell und psychologisch kontrollieren und ausbeuten, ist keine neue Erkenntnis. Doch Sieveking trägt seine Belege so locker zusammen und formuliert seine Überlegun­gen so entspannt und gerne auch gespielt naiv, dass es ein gro­ßes Vergnügen ist, ihm bei der Arbeit als Sektensezierer zuzuschauen. Und David Lynch, der dem jungen Regisseur zwischenzeitlich mit Klagen drohte? Man hat einen Einblick bekommen, wo­her sein Wahnsinn rührt – ohne dass seine Filme beschädigt werden.

David Wants to Fly (dto) D/A/CH 10,
R: David Sieveking, 97 Min. Start: 6.5.