Foto: Manfred Wegener

»Im Verrückten liegt die Kraft«

Die Kölner Produzentin Bettina Brokemper feiert Erfolge

auf den großen Festivals – ein Gespräch über ihre Arbeit,

schwierige Regisseure und die Liebe zum Rheinland

 

StadtRevue: Vor fünf Jahren wurden Sie mit »Falscher Bekenner« von Christoph Hochhäusler zum ersten Mal nach Cannes eingeladen. Wie war das, als die Nachricht kam?

Bettina Brokemper: Die Freude war zunächst natürlich riesig groß. Wir haben den Film mit sehr ­wenig Geld gemacht. Ich hatte da meinen Existenzgründerkredit reingesteckt, und dass so ein No-Budget-Film für das wichtigste Festival überhaupt aus­gewählt wurde, war eine Sensa­tion. Nach ein paar Tagen wurde mir aber klar, dass das unglaublich teuer wird. Um in Cannes wahrgenommen zu werden braucht man einen Presse­agenten, ei­ne Filmkopie, Pressemateri­alien, Pos­ter und so weiter. Dann habe ich ein Budget gemacht und gemerkt, das kostet mindestens noch mal so viel wie bis dahin der ganze Film. Da war ich ganz schön deprimiert. Ich hatte auch richtig Angst, die Firma war finanziell schon am ­Anschlag.

Was war ihre Geschäftsidee, als Sie 2003 ihre Firma Heimatfilm gründeten?

Ich habe überlegt: Was kann ich mit einem Büro, einem Telefon und einem Kopierer machen? Man muss als Produzent zum ­einen beweisen, dass man einen Film herstellen kann, zum anderen muss man irgendwie Aufmerksamkeit bekommen. Meine Idee war, das über günstig zu produzierende, aber aufsehenerregende Filme zu versuchen, wie eben »Falscher Bekenner« oder »Gegenüber« von Jan Bonny. Ich wollte auf künstlerische Produk­tionen setzen – Arthouse ist ein fürchterlicher Begriff –, die ich auch finanziert bekomme, und mich dann langsam weiterentwickeln. Ich hätte nichts dagegen, auch mal einen Publikumsrenner zu haben.

Die Arbeit eines Produzenten ist sehr vielfältig. Können Sie sie kurz beschreiben?

Jedes Projekt stellt andere Anforderungen. Ich sage immer: Man hat viele Hüte auf. Bei bestimmten Koproduktionen kümmert man sich nur um Verträge und ­Finanzierung und der Hauptproduzent um das Kreative. Das andere Extrem sind Stoffe, bei ­denen wir selber die Idee hatten – es gibt ja nicht nur Filmautoren wie Christoph und Jan, die ihre Drehbücher selbst schreiben. Im nächsten Schritt arbeiten wir mit einem Autoren zusammen und erst viel später kommt ein Regisseur dazu. Der muss den Stoff dann natürlich zu seinem machen. Das ist manchmal schwierig für mich. Dann muss man sein Baby loslassen.

Es gibt ja auch das Negativbild vom Produzenten, der überall reinredet und nur auf Profit aus ist.

Was den Job auszeichnet, ist der Spagat zwischen kreativer Arbeit und wirtschaftlichen Zwängen. Man darf seine Vision von dem Produkt, das man machen will, nicht verraten. Man darf aber auch nicht versuchen, einen Mercedes herzustellen, wenn man nur das Geld für einen Golf hat. Im besten Fall ist es so, dass man sich gemeinsam auf eine Vision einigt und sich dann immer wieder daran erinnert. Es ist ja nicht so, dass man kein Geld rausrückt oder Dinge verhindert. Stattdessen erlaubt man den Kreativen, erst mal rumzuspinnen und sagt dann: ›Wenn ich das lese, hört sich das an wie sechs Millionen, die ­werden wir nicht kriegen. Was können wir jetzt anders machen?‹

Wo nimmt man konkret Einfluss?

Man ist eigentlich bei allen Schritten dabei. Beim Casting zum Beispiel ist es so: Manche Regisseure wollen ganz viel Feedback, andere wollen in Ruhe eine Vorauswahl treffen, die man man sich dann gemeinsam anschaut. Eigentlich ist die Aufgabe eines Produzenten, herauszubekommen, wie man für den jeweiligen Regisseur oder ­Autor ein Arbeitsklima schafft, um von ihm eine Top-Leistung zu bekommen. Funktioniert jemand über Lob oder Kritik? Ich glaube nicht, dass es funktioniert, wenn Produzenten und Kreative gegeneinander arbeiten.

Wie kann man schwierige Regisseure bändigen?

Bändigen ist das falsche Wort, weil in der Exzentrik und dem Verrückten auch die Kraft liegt, das, was die Vision und den Film nachher so außergewöhnlich macht. Die Frage ist mehr, wie man das so weit unter Kontrolle bringt, dass es wirtschaftlich tragbar bleibt. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Das ist von Fall zu Fall ­anders. Es gibt auch Regisseure, wo ich sage, ›Lieber nicht‹, weil ich mir das nicht zutraue. Was bleibt von deinem Leben noch übrig, wenn du zwei Jahre versuchst, einen sehr schwierigen Menschen in ein vorgegebenes Korsett zu pressen? Es gibt ein Leben neben dem Film, auch wenn es einem manchmal nicht so vorkommt.

In welchem Bereich muss man bei der Arbeit die meisten Kompromisse eingehen?

Es gibt in allen Bereichen eine ­Linie, die man nicht überschreiten sollte. Wenn ein Schauspieler zum Beispiel nicht auf eine Rolle passt, würde ich ihn nicht besetzen, auch wenn jemand vom Marketing sagt, der bringt uns aber so und so viel. Das würde ich auch als Produzent nicht verlangen, weil man dann seine Vision verrät.
Sie haben über zwei Jahre in Los Angeles gelebt und gearbeitet, ihre Firma aber in Köln gegründet. Wa­rum?
Ich wollte einfach nach Hause. Ich bin Rheinländerin mit Herz und Seele und liebe diese verrückte Stadt mit all ihren Vor- und Nachteilen. Ich finde, man sollte da leben, wo es einem gut geht. Dann kommt der Rest von allein – und so war es auch.

Das Interview wurde vor dem Festival von Cannes geführt. Mehr dazu auf www.stadtrevue.de



Außerdem auf unserer Homepage:

Drei Kölner Schülerinnen waren dieses Jahr nach Cannes eingeladen, um im Rahmen des Projekts »Die ganz junge ­Kritik« über das Festival zu berichten. Für die StadtRevue schreiben sie über ihre Erfahrungen.