Augen auf und durch

OB Schramma lockert die Ladenöffnungszeiten

ohne vorherige politische Beratung

Seit 1999 wird von den rechtlichen Möglichkeiten zur Verlängerung der Ladenöffnungszeiten auch in Köln recht ausgiebig Gebrauch gemacht. Nachdem unter dem Druck der Warenhauskonzerne zunächst die innerstädtischen Geschäfte länger offen halten wollten, zogen die Außenbezirke in der Hoffnung nach, einer Abwanderung der ohnehin begrenzten Kaufkraft entgegen wirken zu können.
Das geltende Ladenschlussgesetz sieht vor, dass jährlich maximal vier Sonn- und Feiertage und sechs Werktage pro Stadtbezirk »anlässlich von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen« per Rechtsverordnung »freigegeben« werden dürfen, wobei die »Offenhaltung auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden kann«. 20 Termine – 14 davon jenseits der Septembermarke – wurden zu Anfang diesen Jahres von der Unternehmerseite für sieben Stadtbezirke beantragt.
Bevor im Rat über entsprechende Beschlussvorlagen abgestimmt wird, müssen laut Geschäftsordnung nicht nur Beratungen in den zuständigen Ausschüssen geführt, sondern auch Beschlüsse der jeweiligen Bezirksvertretungen (BV) abgewartet und Stellungnahmen der Interessensvertretungen eingeholt werden, die dann den Ratsmitgliedern als »Empfehlungen« dienen. Wie ernst man diese Beratungsfolge tatsächlich nimmt, hat sich erst unlängst wieder gezeigt: Da der Rat bereits am 18. April über alle langen Samstage und verkaufsoffenen Sonntage – also auch jene der zweiten Jahreshälfte – entscheiden sollte, war eine Koordination des geschilderten Ablaufs praktisch unmöglich.

Kein Eingang auf die Tagesordnung

In einem anderen Fall wurden durch mutmaßliche »Verwaltungspannen« Dringlichkeitsentscheidungen »nötig«. Gewiss: der demokratische Entscheidungsprozess ist langsam. §60 der NRW-Gemeindeordnung regelt deshalb eine etwaige Beschleunigung der Beschlussfassung durch den Oberbürgermeister (OB) und ein Ratsmitglied, sofern dadurch »erhebliche Nachteile oder Gefahren« von der Gemeinde abgewendet werden können. Diese dringlichen Entscheidungen »sind dem Rat in der nächsten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen« und können von ihm auch wieder aufgehoben werden.
Als OB Schramma und CDU-Ratsmitglied Petra Grah am 22. März per Dringlichkeitsentscheidung eine verlängerte Ladenöffnungszeit für den 13. April anlässlich verschiedener Kunst-Messen in der City verfügten, waren seit Eingang des Antrages von City-Marketing Mitte Februar aber bereits mehrere Wochen, zwei Ratssitzungen und einige Zusammenkünfte der Ausschüsse verstrichen, ohne dass dieser Punkt Eingang auf eine der Tagesordnungen gefunden hätte. Die eigentliche Ursache für die Verschleppung des Antrages bleibt freilich im Dunkeln, wenn der zuständige Sachbearbeiter im Ordnungsamt erklärt: »Aus den Zeiträumen können Sie überhaupt keine Schlüsse ziehen.«

Ladenöffnungszeiten in Köln »Chefsache«

Fest steht, dass auch zum Zeitpunkt der Dringlichkeitsentscheidung formalrechtlich längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren: Wären die Öffnungszeiten wirklich so weltbewegend, hätte der Rat noch binnen sieben Kalendertagen zu einer Sondersitzung einberufen werden können. Das Oberverwaltungsgericht des Landes NRW hatte zu einer solchen Vorgangsweise schon 1988 klare Worte gefunden: »Sollte nach Ansicht des Bürgermeisters wegen geringer Bedeutung der Angelegenheit die Voraussetzung für die Einberufung einer Sondersitzung des Rates nicht vorgelegen haben, so ist auch die Voraussetzung für eine Dringlichkeitsentscheidung nicht gegeben.«
Sind die Ladenöffnungszeiten in Köln also zur »Chefsache« geworden? Zumindest hat es den Anschein, als ob der Mehrheit von CDU und FDP im Kölner Rat an einer breiten Konsensbildung in dieser Sache – wie an der Beibehaltung eines Ladenschlussgesetzes überhaupt – herzlich wenig gelegen ist. Wäre es sonst denkbar, dass eine ablehnende Haltung – wie etwa seitens der BV Innenstadt am 21. März gegen die langen Novembersamstage geäußert wurde – keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis hat?
Mit Bestürzung reagierte man beim Katholikenverband auf ein Verwaltungspapier, worin behauptet wird, »die kath. und evang. Kirche haben im Rahmen eines Abstimmungsgespräches im Febr. 2000 hinsichtlich der Sonntagsöffnungen einem Sonntag je Stadtteil zugestimmt«. Richtig sei vielmehr, dass der Sonntag beiden Konfessionen nach wie vor heilig sei und »eine inflationäre Sonntagsöffnung anlässlich jeden Kleinkrämermarktes« niemals gutgeheißen werden könne. Empörung auch bei der Gewerkschaft Verdi: Man werde sich bei der Bezirksregierung beschweren.