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Auf kölsche Art

Die Kölner Messe ist wegen eines dubiosen Deals mit dem Oppenheim-Esch-Fonds in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Jetzt benötigt sie dringend eine Finanzspritze von fünfzig Millionen Euro. Ein Kommentar von Georg Wellmann

Rund hundert Millionen Euro – soviel hat die Stadt Köln in den letzten sechs Jahren in die marode Messegesellschaft gepumpt. Mal durch den Kauf von Erbbaurechten, mal auf dem Wege einer Eigenkapitalerhöhung. Diese Wirtschaftsförderung auf kölsche Art kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. Und die Messe braucht dringend weitere Millionen. Über dem fünftgrößten Messegelände der Welt in Deutz kreist der Pleitegeier.

750 Mio. Euro an Oppenheim-Esch

Wie konnte es so weit kommen? »Die Koelnmesse ist von der Wirtschafts- und Finanzkrise stark betroffen und hat aus diesem Grund aktuell Liquiditätsbedarf, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten«, heißt es in der Beschlussvorlage zur Ratssitzung vom 20. Mai dieses Jahres. Die Messe ein Opfer der seit 2008 herrschenden Wirtschafts- und Finanzkrise? Die Wahrheit sieht anders aus.
Denn mit dem Abschluss der Mietverträge über vier neue Aus­stellungshallen im August 2004 hatten sich Stadt Köln und Messe verpflichtet, dem Eigen­tümer, einem Immobilienfonds der Oppenheim-Esch-Gruppe, über dreißig Jahre Mieten in Höhe von insgesamt rund 750 Millionen Euro zu zahlen. Geld, das die bereits seit Jahren wirtschaftlich vor sich hin dümpelnde Messe nie erwirtschaften konnte. In der internen mittelfristigen Finanzplanung der Messe aus dem November 2008 werden die Verluste für die Jahre 2009 bis 2011 auf insgesamt 35,2 Millionen Euro prognostiziert. Doch das tatsächliche Geschäftsergebnis fällt anscheinend noch schlechter aus: Statt der von der Messe für 2009 erwarteten Verluste von 14,8 Millionen Euro, rechnet sie jetzt mit einem Minus von 19 Millionen Euro – und das trotz des umsatz- und veranstaltungsstärksten Jahres in der Unternehmensgeschichte der Messe. Wie da eine jährliche Miete von 22,8 Millionen Euro an den Esch-Fonds erwirtschaftet werden soll, bleibt ein Rätsel.

Der Europäische Gerichtshof hatte bereits im Oktober 2009 wegen der fehlenden europaweiten Ausschreibung die Rechtswi­drigkeit des dubiosen Deals festgestellt. Der abgeschlossene Mietvertrag ist damit nichtig und müsste bis Ende Juni rückabgewickelt werden. Nach Angaben der Stadt verhandelt man hierüber derzeit mit dem Esch-Fonds. Doch weder Stadt noch Messe hielt das davon ab, weiterhin Miete an den Esch-Fonds zu zahlen – öffentliche Gelder für ein illegales Geschäft.

»Cashpooling« soll helfen

Inzwischen befindet sich die Messe in großer Finanznot. Die Stadt will dem klammen Unternehmen daher Millionen­beträge zuschanzen. Ein gemeinsames »Cashpooling«-Model zwischen Stadt und Messe soll die künftige Liquidität der Messegesellschaft sicherstellen. Dazu will die Stadt der Messe ein zunächst bis zum Ende des Jahres 2012 befristetes zinsgünstiges Darlehen von bis zu fünfzig Millionen Euro zur Verfügung stellen. Diese Subventionierung der Messe muss beihilferechtlich von der Bezirksregierung Köln genehmigt werden. Die Stadt beruft sich hierbei auf eine Regelung des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission aus dem Dezember 2008. Demnach ist es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt, zinsverbilligte Dar­­lehn an solche Unternehmen zu vergeben, die nach dem 1. Juli 2008 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind.

Genau hier liegt das Problem: Die Kölner Messegesellschaft ist nicht erst seit Juli 2008 in die Schieflage geraten. Hauptverantwortlich für die Probleme der Messe sind vielmehr die bereits 2004 vereinbarten exorbitanten Mietzahlungen, die ab 2007 an den Esch-Fonds gezahlt wurden und die Messe tief in die roten Zahlen stürzen ließen. Nach einem noch leicht positiven Geschäftsergebnis 2006, führten die Mietzahlungen ab 2007 jährlich zu zweistelligen Verlusten. »Die Mietzahlungen für unser neues Nordareal sind allerdings auch die wesentlichen Ursachen des geplanten Verlusts in 2008 und in den folgenden Jahren«, erklärte Messe-Chef Gerald Böse noch angesichts eines Jahresverlusts von 11,4 Millionen Euro vor zwei Jahren. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat den Abwärtstrend der Messe lediglich verstärkt. Die EU dürfte daher einer solchen unzulässigen Subventionierung der Messe nicht zustimmen. Bereits im Fall von staatlichen Bürgschaften für den inzwischen insolventen Arcandor-Konzern hatte die Kom­mission Beihilfen untersagt, weil Arcandor schon vor Juli 2008 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und daher keinen Anspruch auf Mittel aus dem Sondertopf der Bundesregierung hatte.

Pläne verstoßen gegen EU-Recht

Die jetzt von den Ratsmitgliedern beschlossenen Pläne würden somit gegen EU-Recht verstoßen. Auf eine rechtliche Auskunft bei der EU-Kommission hat die Stadt im Vorfeld offenbar verzichtet. »Unbeschadet einer etwaigen Nachprüfung der Kommission sind die beihilferechtlichen Voraussetzungen danach gegeben«, heißt es lapidar in der Verwaltungsvorlage.

Völlig offen ist auch, wie die klamme Messe die Millionenbeträge an die Stadt – und damit an den Steuerzahler – jemals zurückzahlen will. Die Stadt ist mit rund achtzig Prozent und das Land NRW mit zwanzig Prozent an der Messe beteiligt. Offenbar rechnet die Stadtverwaltung selber damit, dass die Messe zum öffentlichen Subventionsfall wird. »Nach dem derzeitigen Sachstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf Dauer die Eigentümer auf der Grundlage einer Betrauung die Kosten für die Leistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse tragen müssen«, heißt es in der Beschlussvorlage. Geprüft wird derzeit, ob die Messe in eine Betriebs- und Besitzgesellschaft aufgespaltet werden kann und ob hieran auch private Investoren beteiligt werden. Ein weiterer Plan sieht vor, die Messegesellschaft in den Stadtwerke-Konzern einzugliedern, um sie so quer zu subventionieren.

Weitere Mietzahlungen trotz Rechtswidrigkeit

Zunächst aber will die Kommune die Liquidität der Messe bis Ende 2012 mit Darlehen sichern, obgleich nach Aussage der Messe derzeit lediglich ein Liquiditätsengpass für die Monate Juni und Juli in Höhe von 7,2 Millionen Euro besteht. Kritiker vermuten, die Stadt wollen sicherstellen, dass die Messe ihre Miete bis Ende 2012 zahlen kann. Eben genau bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Stadt bereits verpflichtet hat, die Mietzahlungen an den Esch-Fonds zu übernehmen, wenn die Messe wirtschaftlich dazu nicht mehr in der Lage wäre. Doch warum sollten überhaupt weitere Mietzahlungen an den Esch-Fonds bis 2012 erfolgen, wenn der Vertrag rechtswidrig ist und bis Ende Juni rückabgewickelt werden müsste? Der Verdacht drängt sich auf, dass die Stadt am Mietvertrag festhalten will. Bereits in der Vergangenheit ließ sie über ihren Rechtsanwalt verlauten, dass möglicherweise nur die Laufzeit des Mietvertrages oder die Miethöhe geändert werden könne. Auf Anfrage teilte Wirtschaftsdezernent Norbert Walter Borjans mit, die Stadt habe sich noch nicht festgelegt, ob man die Messehallen kaufen oder zu günstigeren Konditionen vom Esch-Fonds erneut anmieten werde. Letzteres würde das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ad absurdum führen und wohl kaum von der EU hingenommen werden.

Letzte Frist der EU-Kommission

Der Rückkauf der Messehallen ist hingegen für den Steuerzahler die günstige Lösung. Der Wert der neuen Messehallen wird in einem internen Wertgutachten der Sparkasse KölnBonn und der Kreissparkasse Köln mit rund 145 Millionen Euro angegeben. Abzüglich der bislang gezahlten Hallenmiete, läge der Kaufpreis bei rund neunzig bis hundert Millionen Euro.

Doch statt die Verträge aufzuheben und dem Steuerzahler dreistellige Millionenbelastungen zu ersparen, laviert die Stadt seit fast acht Monaten herum.  Inzwischen hat die EU-Kommission die Nase voll. Anfang Juni setzte sie offiziell eine letzte Frist, innerhalb von zwei Monaten das Urteil umzusetzen. Anderenfalls wird die EU vor dem Europäischen Gerichtshof Zwangsgelder oder einen Pauschalbetrag in mehrstelliger Millionenhöhe einklagen – zahlen müsste das auch wieder einmal der Steuerzahler.