Verloren in der Provinz

Christoph Nussbaumeders ödes Stück »Die Kunst des Fallens«, uraufgeführt in der Halle Kalk

Die Szene spielt in einem Biergarten, der nicht genügend Umsatz abwirft. Die Krise lauert auch hier. Im Mittelpunkt der Handlung von Christoph Nussbaumeders Stück »Die Kunst des ­Fallens« steht allerdings nicht ­diese, sondern Sigrid, die geheimnisvolle Tochter der Besitzerin. Sie bildet die mysteriöse Anziehungsfigur für beinahe alle Männer: Paul, ein sich cool gebender junger Zeichner (Renato Schuch); Adam, ein im fiesen braunen ­Lederanzug grienender Anwalt (Andreas Grötzinger); Joseph, ein kunstbeflissen vor sich hin leidender Arzt und nicht die einzige vergebliche Tschechow-Referenz (Paul Fassnacht); Harry, ein cholerischer Angestellter (Robert Dölle); Sam, ein arbeitsloser Mitzwanziger (Orlando Klaus).

Sie alle sind »Verlorene«, wie Adam einmal sagt: »Wir treiben und fallen Menschen zu, und manchmal bleibt man bei jemandem.« Nussbaumeder, Jahrgang 1978, schreibt über die Fallstricke der Liebe. Das ist legitim, aber sicher nicht neu. Und, wichtiger, es ist im Vergleich mit anderen zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren randständig, ohne dabei glänzen zu können.

Was also haben Nussbaumeders Männer an Sigrid gefressen, außer ihres Selbstmitleids, dass sie alle so auf sie fliegen? Der Autor zeichnet die junge Frau absichtsvoll rätselhaft. Das ist poetisch in Ordnung, aber trotzdem müsste man ein paar Motive für die Entrücktheit dieses Charakters an die Hand bekommen, um ihn glaubhaft zu finden. Doch die lässt Nussbaumeder allzu sehr im Ungefähren.

Nora von Waldstätten verstärkt diesen Effekt mit ihrer frappierenden, messerscharfen Darstellung Sigrids. Es tut sich regelrecht eine Schere auf zwischen ihrer Verstörung, die selbstbewusst und bösartig daherkommt, und der Frage, was es damit auf sich hat. Alle anderen Figuren zappeln hilflos um sie herum, bis auf Paul, der ihr am nächsten kommt und sie am Ende verlässt. Sie bleibt alleine, eher hoffnungslos und verbittert zurück.

Nussbaumeders Drama wirkt formal wie inhaltlich traditionell. Zwar lässt Sigrid die projizierenden Männer wie von ihr abhängige Marionetten aussehen. Am Ende hat sie aber verloren. Die Dialoge des Stücks gewinnen nur selten an Tiefe. Katja Laukens Uraufführungsregie hat mit dem unentschiedenen Text ihre liebe Mühe. Auch sie bleibt uninspiriert, das Zusammenspiel der Akteure wirkte bei der Premiere stellenweise hölzern. Bleibt zu hoffen, dass der KunstSalon-Autorenpreis für das Kölner Schauspiel, der im ersten Jahr laut KunstSalon nicht durch eine Juryentscheidung, sondern auf Vorschlag des Schauspiels an Nussbaumeder vergeben wurde, in Zukunft stärkere Autorenpositionen fördert.

»Die Kunst des Fallens« von Christoph Nussbaumeder, R: Katja Lauken, Halle Kalk, 23., 25., 30.6., 1.7., 19.30 Uhr.