Foto: Manfred Wegener

Harte Schnitte

Diesen Monat ist Schluss mit der Geheimniskrämerei, jetzt kommen die Zahlen auf den Tisch: Am 13. Juli wird der Rat der Stadt den Entwurf für den Doppelhaushalt 2010/2011 diskutieren. Dann kann endlich die politische Debatte darüber beginnen, was sich die Stadt noch leisten will und was nicht.

»Entscheidend für Kölns Zukunft ist die nachhaltige Haushaltskonsolidierung« steht im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen im Rat der Stadt. Und doch hat Rot-Grün auf Zeit gespielt: Statt den Haushalt für 2010 im Mai vorzulegen, soll im Oktober ein Doppelhaushalt für 2010 und 2011 verabschiedet werden. Weil dadurch Planungs­sicherheit geschaffen werde, heißt es. Dabei dürfte den Koalitionären aber auch zupass gekommen sein, dass sie so die nebulösen »drastischen Einschnitte« auf die Zeit nach der NRW-Landtagswahl verlegen konnten.

Seit Anfang des Jahres rätseln Vertreter sozialer Einrichtungen ebenso wie Kulturschaffende, was da alles auf sie zukommt und welchen Projekten das Aus droht. Die Politik hat die ihr unangenehme Debatte darüber einfach vertagt. Es heißt nur, man brauche mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Land. Tatsächlich sind in den Städten und Gemeinden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zurückgegangen, zudem steigen die Sozial­ausgaben, zu denen sie verpflichtet sind, vor allem für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern.

Roters fordert Aussetzung des Solidaritätszuschlags

Hannelore Kraft, NRW-Spitzenkandi­datin der SPD, hatte im Landtagswahlkampf eine finanzielle Entlastung der Kommunen versprochen, auch die Grünen-Kandidatin Sylvia Löhrmann will das. Doch nach Krafts Desaster beim Versuch, eine neue Landesregierung zu bilden, wird dies unwahrscheinlicher. Zudem dürfte das 80-Milliarden-Euro-Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung diese Ziele erheblich erschweren.

Zuvor hatte sie mit dem »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« die Umsatzsteuer für Hoteliers gesenkt und so die Kommunen geschröpft, in Köln fehlen dadurch rund zwanzig Millionen Euro pro Jahr. Im Rat der Stadt hat Rot-Grün daher eine neue »Kulturförderabgabe« beschlossen, kann damit aber nur einen Teil der Ausfälle kompensieren. OB Jürgen Roters (SPD) hat unterdessen gefordert, auch den Solidaritätszuschlags für die Neuen Bundesländer auszusetzen. Köln würde dadurch jährlich etwa siebzig Millionen Euro sparen.

Angst vor dem Haus­haltssicherungskonzept

Anfang des Jahres hatte Roters eine »Task Force« eingesetzt. Fachleute sollten nach Einsparmöglichkeiten fahnden. Die mick­rige Ausbeute: 31,5 Millionen Euro für dieses Jahr und gut doppelt so viel 2011. Das aber reicht nicht, im Kölner Haushalt fehlen derzeit trotzdem noch 432 Millionen Euro. Zwar werden jetzt in den acht Dezernaten – etwa Wirtschaft, Kultur, Schule, Soziales oder Stadtplanung – pauschale Kürzungen von 12,5 Prozent auf freiwillige Leistungen vollzogen; zwar wird die Stadt auf die Allgemeine Rücklage, also städtisches Eigenkapital, zurückgreifen – doch Roters hat schon ange­kündigt, dass anschließend immer noch 150 bis 200 Millionen Euro eingespart werden ­müssen.

Die Stadtspitze will unbedingt verhindern, dass Köln wegen der Schulden ein Haus­haltssicherungskonzept (HSK) auferlegt wird. Dann nämlich hätte Regierungspräsident Hans Peter Lindlar (CDU) die Kontrolle über die städtischen Finanzen. Lindlar aber ist der rot-grünen Koalition in Köln nicht wohlgesonnen. SPD-Fraktionschef Martin Börschel greift ihn offen als »Oppositionsführer der Kölner CDU« an. Käme es noch schlimmer, drohte ein Nothaushalt – dann bestimmt der Regierungspräsident, »ob wir uns neue Bleistifte kaufen dürfen«, wie Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans (SPD) sagt. Er will nach den Maßgaben des HSK sparen, allerdings freiwillig und vorsorglich. Ohne Lindlars Einmischung.

Solidarität in der Stadtgemeinschaft ist gefährdet

Doch droht Köln nicht nur der finanzielle Kollaps und der Verlust der politischen Handlungsfähigkeit: Die Solidarität in der Stadtgemeinschaft ist gefährdet. Wie viel Verständnis bringt eine Hartz-IV-Empfängerin in Finkenberg noch für den Erhalt eines freien Theaters auf, wenn ihr zugleich die Abschaffung des Köln-Passes droht? Es wäre wichtig, zu wissen, welche freiwilligen Ausgaben wem zugute kommen. Könnten Kölner Operngäste eine Preiserhöhung verschmerzen und Schauspielabonnenten auf eine weitere Premiere verzichten? Und brauchen wir einen Bücherbus, den ohnehin nur die Kinder Besserverdienender nutzen, weil die anderen mit dem Angebot gar nicht erreicht werden?

Die Stadt hat es versäumt, hierüber in der Vergangenheit einen Konsens in der Bürgerschaft anzustreben, mehr noch: überhaupt darüber zu diskutieren und Zusammenhänge zu vermitteln. Stattdessen schlägt jetzt die Stunde der Lobbyisten und Populisten. Es ist bezeichnend, dass es bislang keine gemeinsamen Kundgebungen von Kulturschaffenden und den Vertretern sozialer Einrichtungen gibt. Vereint ist man nur im Protest gegen drohende Einschnitte. Der tiefste Einschnitt ist längst erfolgt: die Aufspaltung der Stadtgesellschaft in einzelne Interessenvertretungen.

Zwar gibt es einen Kölner Bürgerhaus­halt – doch formulieren hier nur einzelne Inte­ressengruppen ihre Wünsche, es gibt kaum Sparvorschläge. Jörg Frank, der finanz­politische Sprecher der Kölner Grünen, hat zugegeben, dass die Ausrichtung des Bürgerhaushalts nicht ausreichend gewesen sei, um haushaltspolitisches Know-how und einen Blick auf die gesamte Stadt zu vermitteln. Aus der Kämmerei heißt es dazu nur, es fehle halt Personal, um ein umfassende Einbindung der Bürger zu sichern – und an Geld.


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