»Auf Leben und Tod«: Ikonographie als Memory

Seit Andreas Blühm das Wallraf-Richartz-Museum leitet, finden sich die Alten Meister regelmäßig in ungewohnter Gesellschaft wieder. Die Gegenüberstellung von Malerei und Fotografie gehört mittlerweile zum festen Programm des Hauses, was zu aufschlussreichen, gelegentlich aber auch banalen Ausstellungen führt. In welche Richtung das Pendel dieses Mal wohl ausschlägt? Die neue Schau heißt »Auf Leben und Tod« und zeigt vor allem existenzielle Menschenbilder: Glanz und Elend, Glück und Leid, die ganze »condition humaine«. Die Gemälde kommen wie üblich aus der Sammlung des Wallraf, die Fotografien wurden aus den Beständen des Bielefelder Sammlers Lutz Teutloff ausgewählt.

Als die Fotografie erfunden wurde, verfügte die Malerei bereits über einen umfangreichen Motivbestand. Auf diesen Vorsprung greifen viele Fotografen bis heute dankbar, verächtlich, neidisch oder auch mit parodistischem Hintersinn zurück.
Ein schönes Beispiel für die Langlebigkeit malerischer Bildmotive ist das um 1538 von Bartholomäus Bruyn d. Ä. gemalte »Bildnis einer jüngeren Frau mit Nelke«. Es kehrt im Wallraf auf Hendrik Kerstens Fotografie einer Frau wieder, die eine Plastiktüte als schmückende Haube auf dem Kopf trägt und dennoch die von ihrer Ahnin so anmutig zur Schau gestellte Würde wahrt. Historische Vorbilder schimmern auch bei Margi Geerlinks Fotografie einer »Young Lady« oder bei Jack Piersons »Self-Portrait« durch, was nicht zuletzt daran liegt, dass beide ihre Aufnahmen kunstvoll arrangieren und dabei ganz selbstverständlich Posen, Lichtsetzung und Komposition der Malerei zitieren.

Bis hierhin ähnelt die von Blühm betriebene Ikonographie einem Memory-Spiel für Fortgeschrittene. Interessanter wird es, wenn sich die überlieferte Bildsprache in spontanen Aufnahmen wie Robert Lebecks Andachtsbild »Jackie Kennedy und Lee Radziwill am Sarg von Robert Kennedy« artikuliert. Hier geht es darum, wie stark die Malerei in Schnappschüssen oder fotografischen Genres wie der Reportage nachwirkt und damit auch um die Frage, wer im Streit der Künste gerade die Nase vorn hat.