Bayer-Trainer Toppmöller im Interview

Nach einer turbulenten Saison mit drei Nationaltrainern dem aktuellen, einem ehemaligen und

einem potentiellen hat Bayer 04 Leverkusen

Klaus Toppmöller als neuen sportlichen Leiter

verpflichtet. Ein Mann, der als ebenso unbestreitbar kompetent wie streitbar gilt. Kann Toppmöller das wankende Bayer-Imperium in eine bessere

Zukunft führen?

StadtRevue: Herr Toppmöller, auf dem Weg hierhin kam uns Yildiray Bastürk entgegen, der hat schon ein bisschen gehumpelt. Waren die ersten Trainingseinheiten so hart?
Klaus Toppmöller: (lacht) Gerade der Bastürk hat noch gar nicht angefangen, weil er noch Nationalmannschaft gespielt hat. Aber natürlich hatten wir jetzt anstrengende Einheiten. Wir haben als letzte Mannschaft mit dem Vorbereitungsprogramm angefangen und müssen schon ein bisschen arbeiten, um fit zu werden.
StadtRevue: Können Sie Ihre Philosophie als Trainer charakterisieren?
Klaus Toppmöller: Ich lasse sehr viel mit dem Ball machen, und ich bin offen. Wenn mir was nicht passt, sag ich das Jedem direkt ins Gesicht. Das ist meine Art und das ist bisher immer gut angekommen. Die Offensive liebe ich natürlich, ganz klar, als Ex-Stürmer sowieso. Ordnung und Disziplin müssen auch sein. Es ist wichtig, dass die Tatktik auf dem Platz eingehalten wird. Ich habe in meiner Antrittsrede an die Mannschaft gesagt, dass wir Selbstvertrauen brauchen. Wenn ich topfit bin und weiß, dass ich kicken kann, dann muss ich mich zeigen wollen und voller Selbstvertrauen sagen: »Ich zeig euch heute, wie Fußball gespielt wird.« Wenn die Spieler mit der Einstellung rauslaufen, dann glaub ich, dann können wir viel bewirken. Wenn ich aber rausgehe und denke dabei schon: »Huh, schwer heute, Bayern oder Dortmund oder Schalke kommt«, dann bleib ich besser direkt in der Kabine.
StadtRevue: Gerade wegen dieser Einstellung bekamen Ihre Vorgänger oft Probleme. In Schlüsselspielen versteckten sich oft ausgerechnet die Führungsspieler.
Klaus Toppmöller: Als Trainer will ich vermitteln, dass man auf dem Platz ein ganzer Kerl sein muss. Die Spieler sind jedoch auch nur Menschen. Viele sagen: »Der verdient Millionen, also muss der auch viel mehr rennen«, wenn ich so\'n Quatsch höre. Die Spieler können auch nicht mehr als laufen und kämpfen, so wie die anderen auch. Jede Mannschaft, die in Rückstand gerät, kriegt zu hören: »Wir woll\'n euch kämpfen seh\'n«, das ist so \'ne Unsitte, die in die Stadien eingezogen ist. Die Spieler rennen sich die Lunge aus dem Hals, und dann wird aus jedem zweiten oder dritten Pass ein Fehlpass. Die Leute sollten besser rufen: »Wir woll\'n euch spielen seh\'n«.
StadtRevue: Welche sportlichen Ziele stecken Sie sich?
Klaus Toppmöller: Ein sportliches Ziel ist sicherlich, attraktiven Fußball zu spielen. Wir wollen die Fans begeistern mit unserem Spiel. Dass wir dabei natürlich auch Erfolg haben wollen, ist keine Frage, aber das kann man vorher nicht am Tabellenplatz festmachen. Die Chemie muss stimmen, dann werden sich bei gutem Fußball automatisch Erfolge einstellen. Ich bin kein Prophet und kann nicht sagen, wir werden jetzt Dritter oder Zweiter oder Erster. Ich will jedes Spiel gewinnen, und das will ich der Mannschaft auch vermitteln. Es kann aber nur einer Meister werden.
StadtRevue: Berti Vogts, Ihr Vorgänger, ist nicht zuletzt auch am Umfeld, am Erwartungsdruck der Fans und der Medien, gescheitert. Nach der Bekanntgabe Ihrer Verpflichtung gab es bei Bayerfans auch sehr zwiespältige Reaktionen. Häufiger kam die kritische Frage, warum Bayer 04 als Verein mit internationalem Anspruch nicht einen Trainer wählt, der schon internationale Erfolge vorweisen kann?
Klaus Toppmöller: Ich glaube nicht, dass das Umfeld oder die Medien hier einen Trainer abschießen. Und die Erwartungshaltung ist überall fifty-fifty. Das ist in der Politik so, das ist in der Wirtschaft so. Sie haben 50 Prozent Freunde, und 50 Prozent mögen Sie halt weniger gern. Damit muss man schon umgehen können, aber man muss auch vorher wissen, dass man mit so einem Verein in der Öffentlichkeit steht.
StadtRevue: Ist Leverkusen die bisher größte Herausforderung in Ihrer Trainerkarriere?
Klaus Toppmöller: Frankfurt war damals sicher eine noch größere Herausforderung, weil ich damals noch jung und als Trainer noch relativ neu im Geschäft war. Aber als Verein ist Bayer Leverkusen klar die Herausforderung Nummer Eins. Es ist aber egal, in welcher Liga ich trainiere, es muss Spaß machen.
StadtRevue: In Bochum oder Saarbrücken hatten Sie eine Chefrolle inne, die über das reine Traineramt hinausging. Nun kommen Sie hier in einen Verein, in dem die einzelnen Aufgaben und Kompetenzen klar verteilt sind. Kommen Sie damit klar?
Klaus Toppmöller: Das ist gegenüber den letzten beiden Jahren in Saarbrücken sicherlich eher ein Vorteil. Man kann schon fast sagen, dass ich mich da verzettelt habe. Da war ich Trainer und Manager in einem, das ist natürlich sehr zeitaufwändig. Dann kann man nicht so intensiv mit der Mannschaft arbeiten. Hier ist es so, dass ich sportlich die alleinige Verantwortung habe, und das will ich auch so ausüben. Ich bin ein sehr guter Teamplayer, und hier ist jeder Bereich wunderbar besetzt und perfekt organisiert.
StadtRevue: Von Christoph Daum wird die Anekdote kolportiert, er habe sich zum Dienstantritt bei Bayer ein Büro in der Chefetage eingerichtet, damit er niemals »zum Chef nach oben« zitiert werden könne. Wo haben Sie Ihr Büro eingerichtet?
Klaus Toppmöller: Bei der Mannschaft. Ich will ganz nah bei der Mannschaft sein und bin da zu Hause, wo die Mannschaft ist.
StadtRevue: Früher hatten Sie das Image als Lautsprecher der Liga. Mittlerweile sind Sie etwas ruhiger geworden.
Klaus Toppmöller: Ich habe mich sogar komplett zurückgezogen, denn es ist schwer, wenn man in Deutschland mal die Wahrheit sagt. Sie machen jetzt ein Interview mit mir, aber ich würde lieber in der Kabine sitzen, glauben Sie mir das. Sage ich mal was, wird wieder geschrieben: »Guck, der reißt wieder die Klappe auf!« Ist das nicht schlimm, sowas? Man bittet mich, ein Interview zu machen, und dann krieg ich anschließend noch was in die Fresse. Da bleib ich doch lieber zu Hause. Was hab ich davon, wenn ich ein Interview gebe, ich muss mich darüber nicht profilieren. Ich sitze in meiner Freizeit am liebsten in der Ecke, wo mich keiner sieht und wo ich gemütlich mein Bier trinken kann, oder geh mit der Familie gemütlich essen. Das ist meine Welt.
StadtRevue: Ob Frankfurt, Bochum oder Saarbrücken, überall gab es viele Fans, volle und laute Stadien, eine lange Vereinsgeschichte. Bayer 04 jedoch ist weniger ein Traditionsklub, und die Fans gelten, gelinde gesagt, oft als verhalten und verwöhnt.
Klaus Toppmöller: Die Fans werden uns genauso unterstützen wie anderswo auch. Wenn die Leistung der Mannschaft stimmt, dann identifiziert sich jeder mit dem Verein. Es ist natürlich der Vorteil von Vereinen wie Schalke oder Kaiserslautern, durch Erfolge über Jahre gewachsen zu sein. Ich glaube, wenn Bayer 04 Leverkusen ein, zwei Mal Deutscher Meister geworden wäre, dann gingen auch die Kinder mit ins Stadion, dann bildeten sich auch Fanklubs anderswo in Deutschland. Das muss aber erstmal passieren.
StadtRevue: Viele Fußballbeobachter kritisieren die Entwicklung des Fußballs zur Wirtschaftsbranche, die mehr und mehr den Geist des Volkssports verliert. Ein Ausdruck der Kritik ist sicherlich auch die Faninitiative »15:30 Uhr« (die sich dafür einsetzt, alle Bundesligaspiele am Samstag, um 15.30 Uhr zu beginnen, d. Red.).
Klaus Toppmöller: Ich habe das vor Jahren schon mal bei einer Trainertagung angemahnt und ich sehe die Zukunft gar nicht so rosig. Ich sehe die Gefahr als riesengroß an, dass die Fanbasis verloren geht. Früher gab\'s am Sonntag immer Amateurfußball. Ich kann Ihnen aus meinem Heimatort berichten (Rivenich a.d. Mosel, d. A.), da spielt sonntags keine erste Mannschaft mehr, weil die jungen Leute den FCK sehen wollen und der Trainer steht mit drei Spielern auf dem Platz. Leider Gottes ist es wegen der Champions League Termine kaum anders zu machen. Aber man sollte schon ein Auge und Ohr für die Fans offen halten, denn das sind unsere Kunden. Keine Fans, kein Fernsehen, keine Werbung, kein Geld Fußball geht den Bach runter: Hoffentlich liege ich da falsch, aber ich sehe da schon eine gewisse Gefahr.
StadtRevue: Zum Abschluss eine Frage zum Lokalrivalen: Wie schätzen Sie die Entwicklung des 1.FC Köln ein?
Klaus Toppmöller: Absolut sensationell. Ewald Lienen ist ein hervorragender Trainer, und was er aus der Kölner Mannschaft herausgekitzelt hat, ist ein Riesenerfolg. Es ist toll, dass die Mannschaft sich so gut entwickelt hat und hoffentlich vielleicht sogar mal an alte Zeiten anknüpfen kann, und vielleicht auch mal wieder die Chance hat, Deutscher Meister zu werden.