Foto: Manfred Wegener

»Im besten Sinne elitär«

Die Kölner Kunsthochschule für Medien wird zwanzig Jahre alt. Martin Klein hat

sich umgehört, welche Bedeutung die Schule heute hat – und was sich ändern soll

In schöner StadtRevue-Tradition wurde die Gründung der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) vor zwanzig Jahren auch mit einer Portion Skepsis verfolgt. Sehr viel nähmen sich die Gründer vor, doch was genau, sei kaum zu ermitteln: »Da wimmelt es massiv von wohlklingenden Worthülsen wie Multimedialität, Interaktivität und Interdisziplinarität«, wurde das Konzept im November 1989 kritisch gelesen. Mit dem letzten Modebegriff hat auch Klaus Jung, der seit Oktober letzten Jahres Rektor ist, Probleme. Für Jung ist Interdisziplinarität eine »dilettantische Grauzone zwischen den Disziplinen, die kaum etwas von der einen Disziplin versteht und die andere nur erahnt«. Und melden sich Studierende und Absolventen wie der Oscar-nominierte Filmemacher Reto Caffi oder seine preisgekrönte Kommilitonin Eli Cortinas zu Wort, dann machen sie eins deutlich: »Wer keinen Plan hat, kann sich im weiten Angebot der KHM verlieren.« Das sagt Caffi, für den aber die Geschichte der Institution ebenso wie für deren Rektor Jung freilich eine Erfolgsgeschichte ist.

Die KHM ist ein Kind der früheren NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) – und des Strukturwandels. Nach dem absehbaren Ende der Steinkohle mussten neue Beschäftigungsfelder erschlossen werden, und die Neuen Medien galten als Zukunftsbranche. Die KHM-Frauen und -Männer der ersten Stunden waren (und sind teilweise bis heute) Alfred Biolek, Edgar Reitz, Nam June Paik, Hans W. Geißendörfer, Horst Königstein, Jürgen Klauke. Schon diese Namen zeigten, dass die Einrichtung immer eher randständig als gefällig war, sagt Ute Dilger, KHM-Öffentlichkeitsreferentin. »Die Schule sieht sich in der Bauhaus-Tradition und des 70er-Jahre-Aufbruchs.« Damit sei die KHM als nicht-verschulte Schule auch ein Gegenentwurf zu der Forderung von Wirtschaft und Politik, die akademische Lehre solle stärker an den Bedürfnissen der Märkte ausgerichtet werden.

Sechzig Studenten werden zu jedem Wintersemester aufgenommen, insgesamt 330 Männer und Frauen belegen Fächer der drei Bereiche Film, Kunst und Wissenschaft. Die meisten sind eher Mitte als Anfang zwanzig. Viele haben vor der Einschreibung schon eine Ausbildung absolviert oder gejobbt. Im ersten Semester ist auch Jonas Gierse, der bereits Sequenzkunst in Schweden studiert hat und diesen Weg in Richtung Animations- und später 3D-Film weitergehen will. »Die Zusammensetzung der Fächer ist einmalig«, sagt Gierse, der nach einer Sonderprüfung zugelassen wurde, weil er kein Abitur vorweisen kann. »Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich nicht besser einen finanziell sichereren Weg einschlagen soll, aber am Ende sehe ich mich doch als Künstler.« Und so fühlt sich Gierse an der Kölner Hochschule gut aufgehoben.

»Was nimmt man auf sich, um Filmemacher zu werden?«, fragt der KHM-Professor und Autor Horst Königstein (»Die Manns«) in einem Vorwort für eine Veranstaltung seiner Akademie, »wie schmerzhaft und elend lang ist die Wegstrecke?« Trotzdem: Die Abbrecher-Quote liegt unter vier Prozent.

Öffentlichkeitsreferentin Dilger, die auch die Filmstudenten betreut, hat beobachtet, dass die Frauen zu Dokumentationen neigen, die Männer zum Spielfilm. »Vielleicht weil Frauen lieber in kleineren Teams arbeiten, so wie es bei den meisten Dokus der Fall ist.« Wer am Ende des Weges nicht sofort als Regisseur in Hollywood unterkomme, der sei jedoch durch das breit gefächerte Angebot in der Lage, zunächst als Cutter, an der Kamera, als Drehbuchautor oder in Redaktionen zu arbeiten. Alle Absolventen können am Ende vieles, entschärft Ute Dilger bange Fragen nach brotloser Kunst. Die Medienhochschule sei ideal für Mehrfachbegabungen, später könne Hollywood ja immer noch anrufen. So wie bei Reto Caffi, der vor zwei Jahren in Los Angeles den Studenten-Oscar entgegennehmen durfte und dann noch für den richtigen Oscar nominiert wurde.

Die Filme, die im Haus entstehen, verschickt die KHM jährlich an etwa 300 Festivals rund um den Globus, 500 Einladungen folgen im Schnitt. Darüber hinaus belegen zahlreiche Filmpreise das Niveau der Ausbildung. Christina Ebelt wurde vor zwei Jahren mit ihrem Film »eintag« auf einem italienischen Festival in der Kategorie Best Direction ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr hat sie mit »Wannabe« ihren Abschlussfilm vorgelegt, um nun von Hamburg aus Filme zu machen. Gerade arbeitet sie an einer Produktion für den WDR. »Ich wollte gar nicht unbedingt an die KHM und schon gar nicht nach Köln«, sagt Ebelt. »Ich wollte an eine reine Filmschule, und nach Kanada und Berlin war die Lust auf diese Stadt nicht gerade groß, aber dann wurde es das Beste, was mir passieren konnte.« Gerade die Begegnungen mit Nicht-Filmern seien befruchtend gewesen, »mit Leuten, die sich mit Fotografie oder Klang beschäftigten.«

Ähnlich sieht es Anna Anders. Die freie Künstlerin lebt in Berlin und hat dort eine Professur an der Universität der Künste inne. 1992 gehörte Anders dem zweiten Jahrgang der KHM an und war enthusiastisch. »Wir waren gerade mal 80 Leute, es war klein und im besten Sinne elitär«, sagt sie. »Die Lehrer wussten von Anfang an genau, was sie wollten und die Ausstattung war besser als alles, was wir heute hier in Berlin haben.« Mit Menschen aus allen möglichen Bereichen Nachtschichten im Computerlabor zu verbringen, das begeistert sie bis heute. »Es war eine unglaublich wichtige Zeit für mich, und dass ich hier an der Berliner Uni allein fünf Kollegen von der KHM habe, sagt einiges über deren Leistungsfähigkeit.«


Alle Bewerber müssen einen Fragebogen ausfüllen und angeben, warum sie an die Hochschule wollen. Eine Antwort komme bei den Filminteressierten besonders oft: »Das weiße Rauschen«. Dieser Abschlussfilm des KHM-Studenten Hans Weingartner, der später mit »Die fetten Jahre sind vorbei« für noch mehr Furore sorgte, sei bahnbrechend gewesen, sagt Ute Dilger. Sie erinnert sich an turbulente Tage im Jahr 2001: »Weingartner hat hier alles gesprengt, um den ersten Langfilm an der KHM realisieren zu können.« Bis dahin waren Kurzfilme das gängige Format für Abschlussarbeiten.

Hans Weingartner ist Österreicher. Ein Fünftel der Studierenden kommt aus dem Ausland, Tendenz steigend. »Weil hier ein ganz einmaliges Angebot gemacht wird: Film und Kunst«, erklärt Rektor Jung. Er muss es wissen, denn er leitete zuvor Kunsthochschulen in Norwegen und Schottland und kam mit einer Art Fünf-Jahres-Plan nach Köln. Die Zeit bis zum 25. Jubiläum in fünf Jahren möchte er nutzen, um das bisher Geleistete zu sichten und zu analysieren und dann die Zukunft der KHM zu entwerfen. »Sicher wird es keine gravierenden Umwälzungen geben, aber wir werden unser Profil schärfen«, sagt Jung. »Der Hype um die Medienkunst ist vorbei, die ist im Alltag angekommen, daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.« Auch über das Fernsehen müsse man nachdenken: »Was sind die Formate der Zukunft? Das wollen wir wissen und auch mitentwickeln.« Jung will zudem die internationale Vernetzung vorantreiben. »Istanbul, Indien, China, Lateinamerika – da wollen wir die Beziehungen intensivieren und dazu auch die Kontakte der Stadt Köln nutzen.« Ute Dilger ist vor allem ob der geplanten Rückschau begeistert von Jungs Plänen: »Wir waren immer getrieben und haben nur nach vorne geblickt, erst jetzt kommen wir überhaupt mal zum Archivieren.«

Das alles wird am 10. Oktober gefeiert. Nach einem Festakt in der Trinitatiskirche endet der Tag mit einem Multifilmspektakel. Dazwischen werden am Nachmittag vierzig Manifeste vorgetragen. Studierende, Ehemalige, Mitarbeiter und Professoren deklamieren, was sie mit der KHM verbinden. Damit bekommt Jung für seinen Fünf-Jahres-Plan bereits erstes Material.