Daddy Nostalgie

Am Anfang dreht ein schwarzer Ferrari in der Wüste seine Kreise. Er fährt im Hintergrund von rechts nach links durchs Bild, ist eine Weile nur noch zu hören, saust dann von links kommend an uns vorbei und fängt wieder von vorne an. So geht das eine ganze Weile: Die Kamera starrt unbeweglich vor sich hin, während das Röhren des Motors wie ein heiserer Hornissenschwarm von einer Stereobox zur anderen wandert. Irgendwann hat der Fahrer genug und steigt aus. Im Grunde ist das schon der ganze Film.

Am Steuer des Ferraris sitzt Johnny Marco, ein Hollywood-Star, der gerade, ohne es zu merken, am Luxusleben zugrunde geht. Er sitzt im goldenen Käfig, pendelt zwischen wilden Partys und stupiden Pflichtterminen, bricht sich den Arm, als er betrunken eine Treppe herunterfällt, und lässt sich im Krankenbett von Stripperinnen trösten. Dann braucht Johnnys Ex-Frau eine Auszeit und setzt ihre gemeinsame Tochter auf seiner Schwelle ab. Die Elfjährige begleitet ihn fortan auf Schritt und Tritt: Sie spielen »Guitar Hero«, fahren im Ferrari spazieren, sonnen sich am Pool und fliegen nach Rom, wo der hofierte Vater eine lächerliche Preisverleihung über sich ergehen lassen muss.

Sofia Coppola erzählt in »Somewhere« die Geschichte ihres größten Erfolgs »Lost in Translation« noch einmal neu. Ein melancholischer Star trifft eine jüngere Frau – dieses Mal seine eigene Tochter – und begreift plötzlich, was ihm zum Glück gefehlt hat. Auch die Haltung bleibt weitgehend gleich: Immer wieder zieht Coppola Szenen bloßen Leerlaufs absichtlich in die Länge, damit man glaubt, dass sie etwas bedeuten müssen. Aber da ist nichts. Die Leere des Luxuslebens fällt mit der Form ihrer Darstellung in eins.
In der neu konzipierten Liebesgeschichte liegt die eigentliche Pointe von Coppolas viertem Film. Schon in »Lost in Translation« war sie auf der Suche nach einer Vaterfigur, in »Somewhere« hat sie sie gefunden. Als Sofia Coppola elf Jahre alt war, zählte ihr eigener Vater, der »Pate«-Regisseur Francis Ford Coppola, zu den größten Stars der Traumfabrik. Jetzt blickt sie durch die Augen eines traurigen Mädchens auf den abwesenden Übervater zurück und findet einen gebrochenen Mann, der sich wünscht, mehr Zeit mit seinem Kind verbracht zu haben. So cool sich Coppola nach Außen gibt – im Herzen ist ihr Film ein schwermütiger Abschied von der Kindheit.

Somewhere (dto) USA 2010,
R: Sofia Coppola, D: Stephen Dorff,
Elle Fanning, Chris Pontius, 98 Min.
Start: 11.11.