Foto: Manfred Wegener

»Wir werden uns für neue Medien öffnen«

Die neue Geschäftsführerin der Filmstiftung NRW Petra Müller über die Zukunft ihres Hauses und Kölner Kinoprobleme

StadtRevue: Zwanzig Jahre wird die Filmstiftung NRW diesen Monat alt. Wie planen Sie die etablierte Institution in die Zukunft zu führen?

Petra Müller: 20 Jahre sind eine lange Zeit, in der sich die Medienwelt vollständig verändert hat. Dem muss sich auch die Filmstiftung stellen. Man hat mich geholt für die Neuausrichtung des Hauses. Die Förderung von Filmen bleibt zentrale Aufgabe, darüber hinaus werden wir uns um Vernetzung und Marketing kümmern und eine neue Rolle in der Standortentwicklung übernehmen. Vor allem aber werden wir uns für neue Medien öffnen. Hier geht es inzwischen um ein kreatives Kontinuum, das von Film und Fernsehen, Games und Web-Inhalten bis hin zu 3D und visuellen Effekten reicht. Für die Filmbranche ist es überlebenswichtig, sich mit den neuen Medien und den neuen Möglichkeiten in Produktion und Distribution auseinander zu setzen.

Wäre es unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll, die interaktiven Medien wesentlich stärker zu fördern? Schließlich setzt allein die Gamesbranche seit Jahren mehr um als die gesamte Filmindus­trie.

Die Gamesbranche ist in der Tat eine der erfolgreichsten Medienbranchen. Games gehören inzwischen zur audiovisuellen Kultur wie Film und Fernsehen. Sie sind das Erfolgsformat der digitalen Medien, als interaktives Entertainment und als Innovationstreiber. Und hier hat NRW ordentlich punkten können. Köln hat die Gamescom geholt, Ubisoft und Electronic Arts und zahlreiche Entwickler sitzen in NRW. Dennoch kann es nicht die Aufgabe eines föderalen Filmförderhauses sein, vollständige Gamesproduktionen zu fördern. Uns geht es vielmehr darum, jungen Unternehmen und Kreativen vor Ort Starthilfe zu geben. Hierzu werden wir ein Pilotprogramm zur Entwicklung von Prototypen auflegen mit einem Volumen von zunächst 1,5 Millionen Euro für drei Jahre. Das jährliche Filmförderbudget beträgt weiterhin rund 33 Millionen Euro. Im Übrigen sollte man Film und Neue Medien nicht gegeneinander ausspielen.

Nach Ihrer Berufung gab es auch skeptische Stimmen: Da kommt die Frau von der Standortförderung, was wird aus der Filmkultur?

Ich glaube, diese Bedenken haben sich inzwischen zerstreut. Das Filmförderbudget bleibt erhalten. Christina Bentlage, langjährige Förderspezialistin in der Filmstiftung, hat die Leitung der Förderabteilung angetreten. Die Zeichen stehen hier auf Kontinuität und schrittweise Erweiterung. Auch was mich betrifft, kann ich beruhigen. Ich habe einen kulturwissenschaftlichen Hintergrund, und als Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg ging es bei meiner Arbeit immer um Film und Medien, Fes­tivals, Professionalisierung etc. Aber eines ist sicher richtig: Mich interessieren immer auch die konkreten Effekte der Förderung. Sowohl für den Standort, der eine gute Auslastung braucht, als auch für den einzelnen Kreativen, der von seiner Arbeit leben muss.

Gute Inhalte brauchen gute Kreative. In diesem Bereich hat es in den letzten Jahren eine große Abwanderung Richtung Berlin gegeben.

Es ist nicht zu leugnen, dass viele Kreative, Autoren, Schauspieler und Regisseure heute in Berlin leben. Das liegt am Hauptstadtfaktor, am kreativen Klima und nicht zuletzt an den günstigen Lebenshaltungskosten. Was NRW tun kann, ist konsequent Nachwuchs auszubilden und für Bedingungen zu sorgen, die den Standort für Kreative attraktiv machen.

Kreative bleiben vielleicht auch, wenn das kulturelle Angebot stimmt. Köln ist allerdings nicht gerade ein Kino- oder Festivalstandort.

Auch das ist nicht zu leugnen, und es ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist es schlicht mangelnde Tradition. Kulturell interessierte Bürger treffen Sie bei der Art Cologne oder lit.cologne viel eher als im Kino. Köln war stark in der Bildenden Kunst und der Literatur, und dann im Fernsehen, aber eine Verankerung von Film und Kino, ein Publikum oder gar ein Ort für ein Festival fehlen offenbar. Hier ist etwas zu tun. Über kreative Stadtentwicklung, Attraktivität und Lebensqualität ist in den vergangenen Jahren national und international viel diskutiert worden. Hier hat Köln möglicherweise noch Nachholbedarf.

Was kann die Filmstiftung tun?

Die Filmstiftung kann oft, aber nicht immer und überall fördern, sie kann vernetzen, Themen bündeln, Aufmerksamkeit erzeugen und Diskussionen anstoßen. Am Rande des Kinoprogrammpreises 2010 in den Rheinterrassen ging es unter anderem auch um die Kinosituation in Köln, das Fehlen eines zentralen Premierenkinos und damit letztlich um die
Frage: Wo trifft sich die Film- und Medienbranche in Köln?
Wo kann man das Film- und Medienschaffen präsentieren? Wohin mit einem Festival? Das sind wichtige Fragen der Standort- und der Stadtentwicklung, an denen man dran bleiben muss. Für die Branche, aber auch für die Bürger.



Filmstiftung NRW:

Vor zwanzig Jahren wurde die Filmstiftung NRW vom Land und dem WDR ins Leben gerufen und schnell zu einer der größten Filmfördererinstitutionen Europas aufgebaut. Zu den ursprünglichen Gesellschaftern stießen ZDF, RTL und die Landesanstalt für Medien hinzu. 2010 betrug der Gesamtförderetat 39 Millionen Euro, insgesamt wurden 122 Filme gefördert. Unterstützt werden aber auch Verleihe, Vertriebe, Kinos und Festivals. Unter der seit dem 1. September in Düsseldorf arbeitenden neuen Geschäftsführerin Petra Müller soll das Haus zur Film und Medienstiftung ausgebaut werden, dafür wird der Etat 2011 um bis zu sieben Millionen Euro steigen.


Petra Müller:

Petra Müller hat Germanistik, Kunstgeschichte und Ethnologie an der Universität Köln studiert. Sie begann ihre Karriere in einer Unternehmensberatung für strategisches Marketing in Köln, arbeitete am Grimme-Institut und als Direktorin der Cologne Conference. 2004 wurde sie Co-Geschäftsführerin der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH, wo sie unter anderem für Strategie, Marketing und Kommunikation des Medienstandorts verantwortlich war. Seit September 2010 ist Petra Müller Geschäftsführerin der Filmstiftung NRW.