© NEUE ROAD MOVIES GmbH, Foto: Donata Wenders

Das Phantom der Kompagnie

Das Paradox von 3D-Bildern besteht darin, dass sie die Vorstellung eines dreidimensionalen Raumes hervorrufen, während die Körper, die in diesem Raum agieren, merkwürdig flach bleiben. Im schlimmsten Fall sehen die Figuren wie in einem Stehauf-Bilderbuch aus, derweil sich der Raum von der Nasenspitze des Zuschauers bis hin zu einem imaginären Punkt weit hinter die Leinwand erstreckt. Für einen Film, der den Choreografien Pina Bauschs gerecht werden möchte, ist das keine gute Voraussetzung.

Während man beim Zuschauen noch meint, ein Gazeschleier im Vordergrund der Bühne habe eben die eigenen Wimpern gestreift, wirken die hinter dem Vorhang sich bewegenden Tänzer so, als sei ihnen die Körperlichkeit abhandengekommen. Dass dies nun ausgerechnet bei der Körperkunst Tanz geschieht, ist ein doppeltes Problem, mag Wim ­Wenders, der Regisseur von »Pina«, auch das Gegenteil beteuern.

Noch zu Lebzeiten der im Sommer 2009 verstorbenen Bausch trug sich Wenders mit dem Gedanken, ihr einen Film zu widmen. Zusammen wählten sie Inszenierungen aus, die für das Filmprojekt in Frage kamen: »Sacre du Printemps«, »Kontakthof«, »Café Müller« und »Vollmond«. Dass diese Inszenierungen etwas Berückendes haben, ist in »Pina« jedoch umso weniger wahrnehmbar, je weiter sich die 3D-Effekte in den Vordergrund drängen. Bis man die Schönheit und Spannung der Choreografien erfassen kann, vergeht eine Weile. Auch Bauschs spezifische Art, das Vergehen der Zeit zum Gegenstand ihrer Arbeit zu machen, indem sie etwa die Tänzer und Tänzerinnen ein Stück aus dem Jahr 1978 30 Jahre später noch einmal tanzen ließ, kommt nur langsam zum Vorschein.

Das zweite Problem von »Pina« liegt darin, dass Wenders den Film als Hommage und nicht als Dokumentation konzipiert hat. Zu den Bildern der Aufführungen gesellen sich Interview­szenen, in denen die Tänzer und Tänzerinnen ausnahmslos die bes­ten Worte für Pina Bausch finden. So entsteht der Eindruck, dass sie entweder ein Wesen von einem anderen Stern oder die Wuppertaler Kompagnie eine Art Sekte war, in der das Charisma der Chefin alle um den Verstand brachte. In den weihevollen Erinnerungen wird Bausch zu einem Menschen, dem niemand das Wasser reichen konnte. Die Idealisierung verstellt den Blick auf ihre Leistungen und ihre Begabung eher, als dass sie ihn freigäbe. In »Pina« bleibt die Wuppertaler Choreografin ein Phantom: ein- statt mehrdimensional.

Pina. D/F 2011, R: Wim Wenders,
107 Min. Start: 24.2.