Foto: Manfred Wegener

Kein Kleber auf dem Sessel

 

Schauspielchefin Karin Beier geht 2013 ans Hamburger ­Schauspielhaus.

Nun also doch. Karin Beier, die die bislang wahrscheinlich erfolgreichste Kölner Schauspielintendanz aller Zeiten führte, geht 2013 ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Das Kölner Theater erlebte unter ihrer Leitung einen beispiellosen Aufwind, Kritik, Publikum, die Szene, alle waren und sind begeistert. Und nun springt die Chefin einfach ab? Sie kann und darf. Man sollte von Beier am Ende keine Pflichterfüllung verlangen, auch wenn ihr Vertrag noch bis 2014 läuft und sie die Sanierung des Schauspielhauses maßgeblich zu verantworten hat.
Die Verlockung war einfach zu groß. Das Deutsche Schauspielhaus ist das größte Sprechtheater der Republik, so etwas lässt man sich in diesem Gewerbe mit Mitte 40 nicht entgehen. Bei ihrer Vertragsverlängerung vor kurzem hatte sie gesagt, sie fühle sich moralisch verpflichtet, die Sanierung ihres Hauses ordentlich zu begleiten. Aber da lag ja auch das lukrative Angebot noch nicht vor.

Der andere Grund, warum man ihr keinen Vorwurf machen kann: Die Stadt hat sich im Umgang mit dieser Intendantin mal wieder nicht mit Ruhm bekleckert. Den Bühnen wurde im Herbst der Betriebskostenzuschuss um 1,3 Millionen Euro herabgesetzt – zu einer Zeit, als das Theater gerade überall Erfolge gefeiert hatte und zu Recht »Theater des Jahres« wurde. Die Intendantin hat die Kürzung »als ein Zeichen dafür« gewertet, »welchen Wert dieses Theater für die Stadtoberen hat.« Zu ihren Leistungen sollen ihr immer nur die Grünen gratuliert haben, und der Oberbürgermeister glänz­te nicht gerade mit Premierenpräsenz in der kulturellen Erfolgsinstitution seiner Stadt.

Jetzt hat Beier den Spieß umgedreht. In Hamburg konnte sie Forderungen stellen, und offenbar hat man ihr ein parteiübergreifendes Interesse zugesichert, das finanziell ebenfalls angeschla­gene Haus wieder besser auszustatten. Die Stadt Köln jedoch hat Karin Beiers Arbeit bis zum Schluss nicht gebührend anerkannt, hat den realen und symbolischen kulturellen Gewinn, den sie aufgrund von Beiers Leis­tun­gen eingefahren hat, nicht zu würdigen verstanden.

Als erfolgsbewusste Strategin klebt die starke Intendantin und vielseitige Regisseurin nicht an ihrem Sessel. Und noch etwas mag hinzu kommen: Vielleicht ist es gar nicht mehr ganz so schön wie am Anfang, ist der ein oder andere Mitarbeiter ausgebrannt, tut sich hier und da eine Kluft zwischen Führung und Fußvolk auf. Viele, aber auch nicht alle am Haus jubeln über die Erfolge. Für die Stadt und ihr Theater ist es dennoch, man muss das so sagen, ein herber Verlust.

Gleichwohl gilt: Es gibt Kandidaten wie zum Beispiel Matthias Lilienthal, der 2012 scheidende Chef des Berliner Hebbel am Ufer (»Theater des Jahres« 2004), die das Zeug haben, das Kölner Schauspiel auf neue und eigene Weise zu bereichern. Auch in schwierigen Interimszeiten.