Alles andere als freundlich: »Flic Story«

Gewalt ist eine Lösung

Eher bewundert als geliebt: Eine Hommage an Jean-Louis Trintignant im Filmclub 813

Wenige dürften behaupten, sie seien Fans von Jean-Louis Trintignant, auch wenn er zu den besten und charismatischsten Darstellern des französischen Kinos des letzten halben Jahrhunderts gehört. Der Grund dafür ist simpel: Trintignant bewundert man – aber lieben? Wer würde einem Mann zu nahe kommen wollen, bei dem sich nie sagen lässt, was er in der nächsten Sekunde tut – vor allem, wenn man weiß, dass er vor Gewalt nicht zurückschreckt? In der sechs Filme umfassenden Trintignant-Hommage des Filmclub 813 wird vor allem diese dunkle Seite seiner filmischen Persona beleuchtet. Der Charme von François Truffauts gut gelaunter Charles-William-Adaption »Auf Liebe und Tod« (1983) ist hier entschieden die Ausnahme, die neurotische Brutalität von Gé­rard Pirès’ entdeckungswürdigem Selbst­justizschocker »Die Entfesselten« (1975) hingegen die Regel.

 

Jean-Louis Trintignant wurde 1930 in wohlhabende Verhältnisse geboren. Zwei seiner Onkel, ­Louis und Maurice Trintignant, waren erfolgreiche Rennfahrer, was insofern erwähnenswert ist, als dass sich zwei seiner bekanntesten Filme ums Autofahren bzw. den Motorsport drehen: Claude ­Lelouchs Durchbruchswerk »Ein Mann und eine Frau« (1966) und Dino Risis Monument »Verliebt in scharfe Kurven« (1962), in dem Trintignant als naive Memme die meiste Zeit auf dem Beifahrersitz hockt, während Vittorio Gassman Gas gibt. Beide Filme sind aber leider nicht in der Auswahl des Filmclub 813 vertreten.

 

Bekannt war Trintignant schon Mitte der 50er Jahre, unter anderem durch mehrere Arbeiten mit Roger Vadim. Sein wirklicher Durchbruch kam aber erst Anfang der 60er dank diverser italienischer Werke. Die erste  aus heutiger Sicht  klassische Trin­tignant-Performance findet sich in Alain Cavaliers unter Wert gehandeltem »Der Kampf auf der Insel« (1962), einem leicht modernistischen, frostigen Kunst-Politthriller, bei dem man lernt, warum es gut ist, ein Linker zu sein: Am Ende bekommt man Romy Schneider.

 

Vergleichbare Außenseiter, deren Moral alles andere als freundlich ist, spielte er für Sergio Corbucci in »Leichen pflastern seinen Weg« (1968), für den viel zu selten angemessen gefeierten Genre-Meister Jacques Deray (»Flic Story«, 1975) oder für den erwähnten Gérard Pirès, der durch Trintignants Präsenz und ein geniales Drehbuch von Jean-Patrick Manchette in »Die Entfesselten« zu einer unerwarteten Höchstleis­tung inspiriert wurde.
In den letzten Jahren hat sich Trintignant weitgehend ins Theater zurückgezogen, man kann es verstehen. Was hätte das gegenwärtige französische Kino einem Mann wie ihm zu bieten?