Foto: Manfred Wegener

Soziokultureller Weihrauch

Das Bürgerzentrum Alte Feuerwache streitet über die geplante millionenschwere »Kulturbotschaft«. Doch der Konflikt geht tiefer: Eine Programmdebatte ist überfällig, meint Hans-Chris­toph Zimmermann

 

Die Bagger stehen bereits im Hof. Gelbe Ungetüme, die sich bedrohlich um die Platane im Hof des Bürgerzentrums Alte Feuerwache (BAF) gruppieren. Auch wenn es nur um den Bau einer Rampe geht, das Bild besitzt einen gewissen Symbolwert für das, was derzeit die Gemüter in der Nordstadt erhitzt. Das BAF plant das vielleicht größte Projekt seiner 33-jährigen Geschichte. Anstelle der herunter­gekommenen Ausstellungshalle an der Mel­chior­straße soll ein vier- bis fünfstöckiger Neu­bau entstehen. Die Planungen des Architekturbüros Schaller/Theodor sehen ein Raum­programm mit einer neuen Halle sowie 17 größeren und 13 kleineren Appartements vor. Hier soll 2014 die »Kulturbotschaft« des BAF eröffnen.

 

Hinter dem hochtrabenden Begriff ver­birgt sich die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Künstler, Journalisten und Wissenschaftler aus aller Welt während eines kurz- oder längerfristigen Aufenthalts in Köln wohnen und arbeiten. Angemietet werden sollen die Appartements von Institutionen wie dem Lite­raturhaus, dem Rautenstrauch-Joest-Museum oder der Kunsthochschule für Medien (KHM). Man möchte jedoch keine Künstlerresidenz wie die Villa Massimo schaffen. »Entscheidend wird sein«, so Hans-Georg Lützenkirchen, Vorstandssprecher des BAF, »dass die Gäste in einen Austausch mit der Alten Feuerwache, den Menschen des Viertels und der Stadt kommen.« Seit 2004 plant das BAF das Projekt, über das die Vollversammlung des Vereins am 30. März abstimmen soll.

 

Doch inzwischen regt sich heftiger Widerstand. So von Barbara Röhl, die seit zehn Jahren Vereinsmitglied ist, im Vorstand saß und die Idee der Kulturbotschaft sogar mitentwickelt hat. »Es war damals alles viel kleiner gedacht«, sagt die Übersetzerin. Seit Architekt und Investor mit im Boot sitzen, steht für sie der Baugedanke zu sehr im Vordergrund: »Ich mutmaße, dass Eigeninteressen über die Feuerwache gestellt werden.«

 

Es kratzt außerdem an ihrem basis­demokrati­schen Empfinden, dass der Investor sich bis heute den Vereinsmitgliedern nicht vorgestellt hat. Dass Architekt Christian Schaller sogar Mitglied des BAF ist, lässt sie als Argument nicht gelten. Schließlich befürchtet Barbara Röhl, dass mit den Ankermietern, die langfristig Appartements mieten sollen, die »Mainstreamkultur« Einzug hält und das BAF im Kuratorium der Kulturbotschafts-Stiftung nicht nur überstimmt werden, sondern letztlich sogar das Gelände verlieren könnte.

 

Das riecht nach soziokulturellem Weihrauch, wonach Hochkultur und Investoren des Teufels sind – doch die Bedenken sind durchaus ernst zu nehmen. Umso mehr, als Barbara Röhl der Kulturbotschafts-AG um Gregor Leschig unsolides Rechnen vorwirft: »Die Betriebskosten- und Einnahmeplanung ist sehr undurchsichtig.«

 

Fragt man beim Dezernat für Soziales, Integration und Umwelt nach, das das BAF fördert, stößt man auf eine ähnliche Argumentation. Wolfgang Guth, Abteilungsleiter im Amt für Soziales und Senioren, begrüßt die Idee zwar. Er bestehe aber mit Nachdruck auf einer strengen rechtlichen und betrieblichen Trennung von Bürgerzentrum und Kulturbotschaft, sagt er. Die Stadt, der das Areal der Feuerwache gehört, ist offenbar bereit, der BAF das Grundstück für den Neubau in Erbpacht zu überlassen, möchte aber um keinen Preis in Haftung genommen werden, falls das Projekt scheitert.

 

Dass die Finanzierung ihre blinden Flecken hat, ist unübersehbar. Das BAF arbeitet mit dem Düsseldorfer Projektentwickler Development Partner (DP) zusammen, der die 6,5 Millionen Euro teure Kulturbotschaft von der Kreditbeschaffung bis zur Schlüsselübergabe realisieren soll. Die DP betreut derzeit ausschließlich Büro- und Geschäftsimmobilien wie das Kranhaus 1 im Rheinauhafen. Was sie an der Kulturbotschaft interessiert, ließ sich nicht klären, da das Unternehmen zu einem Gespräch nicht bereit ist. Nach Aussage von Gregor Leschig erwartet man in Düsseldorf 280.000 Euro Tilgung pro Jahr von der Stiftung Kulturbotschaft, die nach eigenen Berechnungen bei einer Mietauslastung von siebzig Prozent gerade einmal auf 170.000 Euro kommt.

 

Leschig, der das Projekt für das BAF seit fünf Jahren betreut, ist zuversichtlich, gibt aber zu, dass neben den Mieteinnahmen noch »zusätzlich Mittel für den Betrieb akquiriert werden müssen«. Das heißt, man hofft auf Zustifter. Da fischen dann Kulturbotschaft und die Akademie der Künste der Welt wohl im selben Teich. In der gegenwärtigen Diskussion kommt Gregor Leschig »der Spirit« etwas zu kurz. Er spricht von Vision und von Aufbruch und weiß zugleich, dass die ausformulierten Trägerschafts-, Stiftungs-, Erbpacht- und Kooperationsverträge schwer zu durchschauen sind. Aufgrund klar formulier­ter Bedingungen sieht er aber keine Gefahr für das BAF: »Es wird die Kulturbotschaft nicht geben, wenn es keine Ankermieter gibt.«

 

Die allerdings halten sich auf Nachfrage bedeckt. Das Literaturhaus bekundet großes Interesse, kann sich aber nicht so weit im Voraus finanziell binden. Die KHM prüft die Kulturbotschaft als eine von mehreren Optionen und das Rautenstrauch-Joest-Museum hält aufgrund der Finanzlage nur Anmietungen nach Bedarf für möglich. Derzeit blockiert man sich im BAF vor allem gegenseitig. Die Kritiker möchten den Nachweis der Ankermieter sehen, die Befürworter argumentieren, ohne Beschluss der Vollversammlung könne man keine Verträge abschließen.

 

Der Streit um die Kulturbotschaft offenbart aber eine noch grundsätzlichere Debatte. Die Einrichtungen der Bürgerzentren sind ein Produkt der 70er Jahre, als man mit Schlagworten wie »Kultur von unten« eine Demokratisierung des Kulturbegriffs vorantrieb. Orientierung aufs Viertel, niederschwellige Angebote, künstlerische Experimentiermöglichkeiten, Zusammenarbeit mit Initiativen, darin haben sich die Bürgerzentren bewährt.

 

Generell ist allerdings eine Akzentverschiebung in den Programmen vom Sozialen ins Kulturelle zu beobachten. Außerdem gibt es das Bürgerzentrum sowieso nicht. Die Modellpalette reicht von professionellen Veranstaltungsorten über künstlerische Produktionsstätten bis hin zum viertelsorientierten Zentrum. Dem BAF komme, so das Sozialdezernat, eine Sonderstellung in Köln zu, die es dazu bestimmt, das Programm auf alle Bürger der Stadt auszurichten.

 

Die Kulturbotschaft ist also vielmehr ein Symptom für einen Richtungsstreit um das Profil des BAF in der Zukunft. Auf der einen Seite argumentieren die Kritiker um Barbara Röhl eher sozialpolitisch mit einem klassischen Bürgerzentrumsbegriff, durchaus im Sinne des Rahmenkonzepts, das der Kölner Rat 2008 verabschiedet hat. Auf der anderen Seite betont BAF-Vorstandssprecher Hans-Georg Lützenkirchen, dass »die Aufgaben eines soziokulturellen Zentrums angesichts von Transkulturalität oder interkultureller Erfahrung neu definiert« werden müssen.

 

Dass die Akademie der Künste der Welt und die Kulturbotschaft quasi zeitgleich auf der Agenda erscheinen, kommt nicht von ungefähr. Die Befürchtung, die beiden Einrichtungen könnten sich Konkurrenz machen, muss man nach der jeweiligen Profilbeschreibung nicht haben: Während die eine internationale Künstler nach Köln holt, sorgt die andere für Unterbringung, Arbeitsstätten und Auftrittsmöglichkeiten. Und mehr Ateliers in der Stadt können auch nicht schaden. Das sieht auch der Leiter des Kulturamts Konrad Schmidt-Werthern so. Er begrüßt das Projekt, allerdings unter der Voraussetzung, dass dort »herausragende internationale Künstler« einen Ort finden.

 

Womit wir wieder beim Grundkonflikt wären: So kann sich Gregor Leschig vorstellen, die Aufnahme von politisch oder ethnisch verfolgten Künstlern zur Bedingung zu machen, während Hans-Georg Lützenkirchen sich eine abgestimmte Förderung durch Sozial- und Kulturamt vorstellen kann. Unabhängig davon, was die Vollversammlung am 30. März beschließt, die Entscheidung pro oder contra Kulturbotschaft enthebt das BAF nicht einer Programmdebatte – und zwar noch bevor die Bagger rollen.