Die Hautevolee schlägt zurück

Im Juni wird der erste alternative Ehrenbürger Kölns geehrt. Nicht alle freuen sich darüber.

 

Franz Meurer ist ein Anreger. Seit fast zehn Jahren hat er als katholischer Pfarrer in den Stadtteilen Höhenberg und Vingst ein beeindruckendes soziales Netzwerk aufgebaut. Ob regelmäßige Essens- und Kleiderausgabe, Mittagsbetreuung für Kinder von Sozialhilfeempfängern oder Gabelstaplerkurse für Analphabeten: Mit Überzeugungskraft und durch seinen eigenen tatkräftigen Einsatz ermutigt Franz Meurer die Menschen im Stadtteil, für einander aktiv zu werden. In Kürze wird dem Pastor die erste alternative Ehrenbürgerschaft verliehen. Meurer nimmt die Auszeichnung gerne an, weil er »gerne Widersprüchliches annimmt«. Einen damit verbundenen Geldpreis hat er jedoch abgelehnt, noch bevor das Geld überhaupt gesammelt war. Respekt ist ihm wichtiger.

Kritik an offizieller Ehrenbürgerschaft

Respekt gibt es nicht nur für Pfarrer Meurer, sondern für das gesamte Netzwerk solidarischen Verhaltens im Stadtteil; das werde gleich mit geehrt, erklärt Martin Stankowski, einer der Initiatoren der alternativen Auszeichnung. Stankowski und seine Mitstreiter, darunter auch der Kabarettist Heinrich Pachl, waren durch die an vielen Stellen laut gewordene Kritik an den jüngsten offiziellen Ehrenbürgerschaften in Köln zu ihrer Idee angeregt worden. Mit dem Schoko-Industriellen Hans Imhoff und Verleger Alfred Neven DuMont seien zwei Bürger geehrt worden, die sich nicht nur um die Stadt, sondern auch »an der Stadt verdient gemacht haben«, erklärt Pachl. Um nicht nur dagegen zu sein, sondern auch etwas dagegen zu setzen, riefen Pachl und Stankowski zusammen mit Jürgen Becker und Karl-Heinz Pütz den Initiativkreis alternative Ehrenbürgerschaft ins Leben.

Schnelle Entscheidung

Rund 30 mehr oder weniger Prominente, darunter die üblichen Verdächtigen aus Kölschrock, Karneval und altlinker Promi-Szene, wurden zur Mitwirkung eingeladen. Die Entscheidung für Meurer war schnell getroffen, doch ein jeder aus der zusammengerufen Gruppe hatte seine eigene Begründung dafür sich zu engagieren. Für den einen war es wichtig, mal wieder einen kölschen Typen auszuzeichnen, für den anderen, die Ehrenbürgerschaft als eine von Bürgern verliehene Auszeichnung für sozial vorbildliches Verhalten zu verstehen. Uneinigkeit herrscht auch in der Frage, ob die Ehrung nun als Gegensatz oder als Alternative zur traditionellen Ehrenbürgerschaft zu sehen ist. Während die vier Gründer ihre Initiative durchaus als Opposition zur Entscheidung des Stadtrates verstehen, äussern sich andere versöhnlicher und sehen die alternative Ehrenbürgerschaft eher als Ergänzung der bisherigen Tradition.

Nicht amüsiert

Wie sie auch gemeint sein mag, die Auszeichnung stößt nicht überall auf Begeisterung. Oberbürgermeister Fritz Schramma sah sich veranlasst, auf seine »Verpflichtung« hinzuweisen, »Schaden von dieser Ehrenbürgerwürde, das Höchste, was unsere Stadt einem ihrer Bürger verleihen kann, abzuwenden«. Auch Neu-Ehrenbürger Alfred Neven Dumont war nicht amüsiert. In einem Brief an den OB und die Vorsitzenden der Ratsfraktionen bezeichnet er sich und Hans Imhoff als zwei durch die Initiative »geschädigte neue Ehrenbürger dieser Stadt, die sich schwerlich wehren können« und weist darauf hin, »dass dies für eine Berufung von zukünftigen Ehrenbürgern eine Entmutigung darstellen kann«.

WDR und kalte Füße

Eine für April geplante Gala zur Verleihung der alternativen Würde, die vom Gürzenich aus im WDR Fernsehen gesendet werden sollte, wurde abgesagt. Der Sender hatte offenbar kurz vorher kalte Füße bekommen, und sein Engagement sowie die Finanzierung der Veranstaltung zurückgezogen. Zur Begründung wurden »allgemeine Turbulenzen« in Köln genannt: Der WDR wolle sich zurzeit nicht in Lokalpolitik einmischen. Für Turbulenzen hatte auch der zum alternativen Initiativkreis gehörende konservative Klüngelforscher Erwin Scheuch gesorgt. Er spricht von einer »Verwässerung von Standards für die Ehrenbürgerwürde« bei der Entscheidung für Imhoff und Neven DuMont. Die Auszeichnung sei, laut Scheuch, in den letzten zehn Jahren »viel zu freigiebig verliehen« worden. Fünf der 21 Ehrenbürgerschaften seit 1856 wurden nach 1990 verliehen, darunter zwei an ehemalige Oberbürgermeister der Stadt.
So geteilt die Meinungen über die alternative Ehrung auch sind – in einem sind sich alle Beteiligten einig: Wenn sie schon verliehen wird, gehört Pfarrer Meurer zu den ersten, die sie verdient haben. Am 13. Juni bekommt er sie. In Köln-Vingst und ohne Liveübertragung, aber sicherlich unter viel Zustimmung der Menschen in Stadtteilen, in denen er sich engagiert. Ehre wem Ehre gebührt.

Verleihung des 1. Alternativen Ehrenbürgers an Pfarrer Franz Meurer am 13.6. um 19.30 Uhr im Rahmen eines Sommerfestes in der Pfarrei St. Theodor, Burgstr. 42, Köln-Vingst.
Jürgen Becker wird das Programm moderieren, bei dem u.a. Gerd Köster & Frank Hocker, Brings und das Blasorchester Dicke Luft auftreten.