Skrupellos zielgerichtet: Robert Hunger-Bühler

Völlig losgelöst

Beziehungsdrama im Bankermilieu: Unter dir die Stadt von Christoph Hochhäusler

 

Lässt sich die Finanzkrise verfilmen? J. C. Chandor hat es mit seinem auf der Berlinale präsentierten Langfilmdebüt »Margin Call« mit respektablem Ergebnis versucht, Oliver Stone ist mit seinem Sequel »Wall Street: Money Never Sleeps« dagegen gescheitert. Christoph Hochhäusler nimmt die Krise nun als Hintergrund für seinen dritten Spielfilm »Unter dir die Stadt«, wobei er selbst in seinem Blog »Parallel Film« einschränkend notiert hat: »Zwar versucht sich ›Unter dir die Stadt‹ durchaus an einer Versöhnung aus Mikro- und Makroperspektive, aber im Zentrum steht einmal mehr ›the formation of a couple‹ (Žižek)«.

 

Das Paar, um dessen Bildung sich der Film dreht, besteht aus einem mächtigen Mann und der Ehefrau eines seiner Mitarbeiter: Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler) und Svenja Steve (Nicolette Krebitz). Der Mann, ein Frankfurter Banker, wirbt um die junge Frau. »Ich möchte mit Ihnen schlafen«, sagt er nach einem Kammerkonzert in seinem Haus. Steve entgegnet: »Man kann nicht alles haben.« Aber Cordes kann eben doch alles haben. Er taktiert kühl, setzt sich durch, kennt keine Skrupel. Was er haben will, eignet er sich an.

 

Nein, »Unter dir die Stadt« ist kein Film über die Finanzkrise, er ist das kühle Psychogramm der beiden Protagonisten. Trotzdem spielt die Krise eine entscheidende Rolle: in der Gestaltung des filmischen Raums. Immer wieder arbeiten Hochhäusler und der Kameramann Bernhard Keller mit den vertikal hochschießenden Linien der Frankfurter Bürogebäude und mit dem Kontrast von oben und unten, von Büro und Straße. Offensichtlich agieren die Banker losgelöst vom Rest der Welt und von den Konsequenzen ihrer Arbeit.

 

Auffällig ist zudem, wie oft die Kamera auf Glasfronten blickt. Dabei sind die Scheiben selten, was sie zu sein versprechen: durchsichtig. Eine gläserne Drehtür etwa lässt nichts vom Raum dahinter erkennen, dafür umso mehr Fragmente aus dem gespiegelten Straßenraum, Autos, Passanten. Nichts von dem, was wir da sehen, ist greifbar und verlässlich.

 

In solchen Einstellungen scheint das Moment der Täuschung auf, das die Krise überhaupt erst möglich machte. Der Täuschung, dass Geringverdiener hohe Kredite abbezahlen könnten; dass Hypotheken den doppelten Wert des Hauses abdeckten, auf das sie gewährt wurden; dass sich solche Kredite immer weiter verschieben ließen. Es ist eine subtile Entzauberung, der die Illusion und Ideologie des Neoliberalismus in »Unter dir die Stadt« anheimfallen.

 

Unter dir die Stadt. D 2010, R: Christoph Hochhäusler, D: Nicolette Krebitz,
Robert Hunger-Bühler, Mark Waschke, 110 Min. Start: 31.3.