Der Markt ist weder gut noch böse, aber hart umkämpft: Art Cologne 2010

Der coole ­Höhepunkt

Vor der 45. Art Cologne zeigen sich die Kölner Galerien krisengezeichnet, aber gelassen

 

»Auch an einem umkämpfteren Kunstmarkt wird das Geschäft auf den Messen gemacht«, mit diesem Credo warb die Plattform artnet im Januar für ihren VIP-Kalender 2011 mit den wichtigs­ten Kunstmärkten und internationalen Ausstellungsevents. »So wird der Kunsthandel zum Reiseplan, der von São Paulo nach Dubai, von London nach Berlin oder von Peking nach Miami führt.« Plagen dürfte die hiesigen Kunsthändler weniger das Klischee einer gut gelaunt durch die krisengeschüttelte Welt jettenden Kunst­szene als vielmehr die Frage: Liegt das Rheinland auf der Route? Genauer: die Art Cologne?

 

Darüber wird auch dieses Jahr geredet, die Krise, die Zukunft, die Konkurrenz Berlin. Und doch ist irgendwas anders. Einen Monat vor Messebeginn lässt sich die Stimmung in Köln am ehesten beschreiben als: business as usual. Diese unaufgeregte Haltung hat durchaus etwas souveränes, gerade weil sie nicht auf der Gewissheit einer soliden Marktsituation basiert. Der internationale Kunst­markt ist derzeit unübersichtlich, höchst dynamisch und kaum kalkulierbar.

 

Neues und altes Geld sind unterwegs, professionelle Sammler, kunstferne Spekulanten, besserverdienende Gelegenheitskäufer, der millionenschwere Oligarch eher die Ausnahme. Messen in Nahost und Asien boomen, andere brechen ein, und jüngst debattierte alles über die erste reine Internet-Messe, bei der das who is who internationaler Galerien virtuelle Messekojen bespielte: Ist die »VIP Fair« (Viewing In Private) eine sinnvolle Ergänzung, ein Flop oder die Avatar-bevölkerte Zukunft?

 

Wie ein Sinnbild für mangelnde Weitsicht und unvorhersehbare Wendungen sorgte zur Eröffnung der letzten Art Cologne die Aschewolke des isländischen Vulkans für fehlende Gäste und improvisierte Messestände – trotzdem wurden Geschäfte gemacht. Das trifft die Lage der Kölner Galerien ganz gut, auch wenn jede sehr individuell betroffen ist. Einigen – keiner gibt es gern offen zu – steht das Wasser bis zum Hals, und im business as usual steckt auch ein gutes Stück Ratlosigkeit. Man arbeitet hart, wurschtelt sich durch, sucht Nischen, Kooperationen, neue Modelle. Und vielleicht funktioniert das Köln-Orakel ja noch: Schon immer schien das Schicksal der Kunststadt eng mit dem der Art Cologne verknüpft, die in den letzten beiden Jahren bewies, dass Totgesagte zügig revitalisiert werden können.

 

Unter Direktor Daniel Hug, der statt auf modische Hippness auf seriöse Weiterentwicklung der Traditionsmesse setzt (»Die Art Cologne ist eine intellektuelle Messe für Denker«), meldeten sich wichtige Aussteller zurück. Auch die Kölner Galeristen, so Sprecherin Anke Schmidt, seien zufrieden mit Daniel Hug, der tatsächlich der beste Werbeträger dieser Messe ist, wenn er wie ein guter Fußballtrainer Erfolge aufzählt und gleichzeitig klar macht, dass das längst nicht alles ist – nächstes Mal wird noch besser, versprochen.

 

Für diese Ausgabe freut Hug sich über Rückkehrer wie Fons Welters, Fred Jahn und Leo König sowie die guten Kontakte nach Paris (Lelong, Jocelyn Wolff) und Benelux (Catherine Bastide, Deweer, Meessen de Clercq, Guy Pieters). Und betont, dass der größte Trumpf der Art Cologne außerhalb des Messegeländes liegt: die enorme Dichte und Qualität der Museen, Institutionen, Kunstvereine und Sammler im Rheinland. Stimmt natürlich, und zur Messe gibt es überall reputable Ausstellungen – doch die neue Köl­ner Nüchternheit verträgt sich schlecht mit Legendenbildung.

 

Die vielbeschworene rheinische Sammlerschaft, sie gibt es noch, so die Galeriensprecherin,  ihr Geld gebe sie indes oft woanders aus und der Nachwuchs fehle. In Köln seien die jüngeren Galerien sehr aktiv, ehemals zentrale Akteure wie Buchholz, Capitain und Nagel jedoch weniger präsent. Und Köln ist eben Köln: Ihr Kollege Thomas Rehbein fordert seit langem, dass die Stadt – anstatt ständig Dom, Kölsch und Karneval herauszustellen – endlich ihr Marketing als Kunststadt verbessert. Bislang reagiere da niemand.

 

Zuletzt sind da diejenigen, die viel radikalere Reformen fordern und ihre eigenen Konsequenzen ziehen. Die Düsseldorfer Konrad Fischer und Thomas Flor verzichten 2011 auf die Art Cologne, der Kölner Michael Wiesehöfer auf sämtliche Messeteilnahmen. Unterm Strich rechne es sich für ihn nicht, und auf das Wartelisten-Spiel der Art Basel, die Sammlern als »Weihe« gilt und ihm 2006 für seine Peter Piller-Präsentation einen Preis einbrachte, hat er keine Lust mehr. Er wirkt nachdenklich, aber alles andere als demotiviert: Zur Art Cologne startet er, parallel zur Galerieausstellung, das erste Projekt (Django Hernández) einer neuen Kooperation mit dem Designhändler Marc Boucherie. Raus aus dem White Cube, ein Experiment.

 

Wo letzte Antworten fehlen, sind Experimente ja keine schlechte Methode, neue Erfahrungen und Erkennt­nisse zu sammeln. Ein Novum zur rechten Zeit dürfte sein, dass die Art Cologne 2011 erstmals den neuen Lacroix-Award für die beste junge Galerie vergibt. Und manchmal profitiert man auch unverhofft vom Misserfolg an anderer Stelle: Schon vorab gelten neue Bilder und eine Skulptur von Neo Rauch als Highlight der kommenden Art Cologne – weil dessen Berliner Galerist Harry Lybke, aus eher unerfindlichen  Gründen, 2011 nicht zur Art Basel zugelassen wurde und Rauch nun exklusiv in Köln präsentiert.
Gewissheiten? Nur die: Ohne die Art Cologne, um die herum Ausstellungshöhepunkte, Preisverleihungen und Debatten sich verdichten und die Stadt internationaler funkelt, hätte das Kölner Kunstjahr auch zwölf Monate, aber alle wären gleich.