Club Königsforst: Wandern mit Erfolgserlebnis

Wald-Geocacher sind von Spaziergängern kaum zu unterscheiden. Immer mit neuester Technik unterwegs, stehen sie aber auch für die Entzauberung der Natur. Christian Steigels hat einen Cacher begleitet

»Ich ging im Walde, so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn«, dichtete Johann Wolfgang von Goethe Anfang des 19. Jahrhunderts. Auf den ersten Blick passt dieser Vierzeiler perfekt zu Sven von Loga. Outdoor-Jacke, Rucksack, Wanderschuhe, Früchtetee in der Thermoskanne. Der 49-Jährige schaut aus wie ein klassischer Wanderer. Und ist auch einer, sagt er. »Ich kann dabei super abschalten. Man hat nicht ständig etwas, was einen ablenkt.«

 

Trotzdem ist sein Hobby auch ein wenig die Antithese zu Goethes Ode an das unbeschwerte Lustwandeln, denn von Loga sucht:  Er verbringt seine Freizeit mit Geocaching, einer Art satellitengestützter Schnitzeljagd. Jemand versteckt eine kleine Kiste oder ein Filmdöschen mit Nippes, und stellt die Koordinaten nebst einer Beschreibung des Ortes ins Internet. Andere Cacher können dann per GPS-Gerät zu dem Schatz navigieren und sich in einem Logbuch eintragen. Seit etwa zehn Jahren wächst die Anhängerschaft in Deutschland, rund 150.000 solcher Caches gibt es hierzulande inzwischen.

 

Auch der Königsforst ist längst Cache-Gebiet. Knapp dreißig Caches warten hier darauf, gefunden zu werden. Sie hören auf rollenspielhafte Namen wie »Zwischen Himmel und Untereschbach«, »Der Schatz vom Goldbach« oder »Der Goldene Kompass«. Weniger blumig sind die technischen Details: 50° 56.383 nördlicher Breite, 007° 06.851 östlicher Länge. Der exakte Ort ist verzeichnet und unveränderbar – Satelliten wachen über den Cache.

 

»Rund um den Tütberg«, heißt von Logas heutige Aufgabe. Am nordöstlichen Zipfel des Königsforsts geht es los, hinein in den Wald. Geparkt hat er seinen Kleinwagen an Position  50° 57.479 nördlicher Breite, 007° 11.114 östlicher Länge. Alle paar Meter schaut er auf das GPS-Display. Dann wieder weiter, das mobiltelefongroße Gerät in der Hand. »Da vorne geht der Weg hoch, aber der Cache liegt eher in der anderen Richtung. 400 Meter nach dort«, sagt von Loga, und dreht sich dabei beinahe einmal um die eigene Achse.

 

Von Loga mag Spaziergänge durch die Natur, sagt er, im klassischen goetheschen Sinne. Besonders im Wald. Nicht verwunderlich, wuchs er doch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Königsforst auf, in Brück. Mittlerweile wohnt er in Klettenberg. Zum Geocaching kam er vor sechs Jahren. Dass er sofort begeistert war, verwundert nicht. Von Loga  hat Geologie und im Nebenfach Geografie und Kartografie studiert – neben dem Betrachten ist die Vermessung der Welt sein Ding. Mittlerweile kann er auf eine lange Karriere zurückblicken: Er hat Caches gefunden in den Alpen, auf den Kanarischen Inseln Gomera und El Hierro, in Paris, im Schwarzwald, auf der Hallig Hooge, und in der Eifel. Am liebsten aber mag er Aufgaben wie im Königsforst. »Natur, Ruhe, Landschaft, das sind meine Lieblingscaches«, sagt er, die GPS-Anzeige stets im Blick.

 

Ein großer Vorteil des Waldes: Hier sind weitaus weniger »Muggel« unterwegs als andernorts. So nennen Geocacher alle Nicht-Cacher. Frei nach den Harry-Potter-Büchern, in denen die zauberunkundigen Menschen als Muggel bezeichnet werden. Auch die Cacher achten darauf, dass die Muggel möglichst wenig von ihren Aktivitäten mitbekommen. Von Loga erzählt, wie er einmal einen Cache in Vogelsang in einem Park versteckt hatte. »Als ich den einmal überprüfte, kam ein Mann vorbei und guckte ganz komisch. Ich dachte ,Blöder Muggel’ und ging erstmal weiter.« Als von Loga später zurück kam, war der Cache weg. Zwei Tage später stellte er den Mann zur Rede. Der entschuldigte sich – er habe gedacht, das sei eine Drogengeschichte und den Cache zur Polizei gebracht. »Aber die kannten das Spiel wohl, und haben die Kiste zurückgelegt.«

 

Heute sind kaum Muggel im Königsforst unterwegs. Nur zwei Spaziergängerinnen, ein Mann mit Hund und ein einzelner Jogger. Von Loga ist mittlerweile auf einer Lichtung mit Hochsitz angekommen. Die Anzeige auf dem GPS-Gerät schwankt. 98 Meter, 97 Meter, 96 Meter. Dann wieder 99 Meter. »Ganz exakt ist das nie«, erklärt er. Das hänge davon ab, was die Satelliten dort oben machten. »Schön hier«, sagt er noch, »wenn es ein bisschen wärmer wäre, würde ich hier anschließend picknicken.«

 

Es piept. Ankunft »Rund um den Tütberg«, meldet das Gerät. »Das macht es zehn Meter vorher«, sagt von Loga. Noch fünf Meter. Er schaut sich um. »Man entwickelt mit der Zeit einen Cacherblick.« Kurz darauf greift von Loga in ein hohles Astloch und zieht eine kleine Tupperdosenkiste heraus. Darin: eine billige Pfeffer-und-Salz-Streuer-Kombination, ein Plastik-Nilpferd. Und das Logbuch. Das Allerheiligste der Cacher. Hier trägt man sich ein, um zu beweisen, dass man da war, bevor man den Schatz wieder in seinem Versteck verstaut. Da entdecke man oft jede Menge illustre Leute, sagt von Loga. »Sachsen, Amerikaner oder Kubaner«.

 

Die Sonne steht mittlerweile recht tief. Zeit, aufzubrechen. Den Rückweg gibt wieder das GPS-Gerät vor. Man weiß, wo man hingehen muss, und wo man herkommt. Der zurückgelegte Weg wird gespeichert. Man kann sogar sehen, an welcher Stelle man kurz austreten war im Gebüsch. »Das könnte man auch dem Partner in die Handtasche stecken und schauen, ob der ins Museum geht oder zur Geliebten«, sagt von Loga.

 

Aller Technik zum Trotz – für ihn steht das Naturerlebnis im Vordergrund. »Das ist nichts anderes als normales Wandern. Nur eben mit einem Ziel. Wandern mit Erfolgserlebnis«, sagt er. Ein Erfolgserlebnis an Position 50° 56.735 nördlicher Breite und 007° 11.510 östlicher Länge, um genau zu sein.