Mural von Escif, Graffity-­Meister aus Valencia, coutesy: artrmx

Der gemeinsame Nenner ist die Straße - das »Cityleaks« Festival

Das »Cityleaks« Festival bringt im Sommer über dreißig internationale Street Art-Künstler nach Köln. Christine Badke fragte die Organisatoren, was die Szene umtreibt

StadtRevue: Der Stadtraum ist zahlreich möbliert mit Skulpturen und Denkmälern. Warum brauchen wir noch Kunst im öffentlichen Raum?

 

Georg Barringhaus: Kunst im öffentlichen Raum soll provozieren, soll Bewusstsein und Ästhetik schaffen?...

 

Iren Tonoian: ...?und einen vielleicht auch überrumpeln, so dass man einen Anstoß zum Nachdenken erhält.

 

Anne Scherer: Kunst will intervenieren. Die Werke im öffentlichen Raum sind Geschenke an die Stadt und ihre Bewohner. Sie kommunizieren, auch mit Personen, die normalerweise nicht in eine Galerie oder ins Museum gehen. Street Art ist temporär, hat viel mit Vergänglichkeit zu tun. Die Kunst kann von einem auf den anderen Tag wieder weg sein: überstrichen, abgerissen, übermalt, verwittert.

 

In eurer Ankündigung ist die Rede von Protest gegen einen Stadtraum, der von Logos und ­Werbetafeln dominiert wird. Was kann Urban Art besser oder anders als Skulpturen im Park oder auf der Straße?

 

Anne: Egal ob die Künstler aus China, Bra­silien oder Berlin kommen, sie nutzen die Möglichkeit, ihre Umwelt aktiv und visuell zu gestalten. Die Techniken können Paste Ups, Malerei oder Graffiti sein. Der gemeinsame Nenner ist eben die Straße – und die Inter­aktion mit dem öffentlichen Raum. In der ­Galerie ist Urban Art für mich keine Street Art mehr und dennoch ernstzunehmende Kunst. Das Stadtbild ist omnipräsent mit Werbebotschaften übersät. Die Street-Art-Szene wendet sich gegen Konsum und Kapitalismus. Auf der anderen Seite nutzen die Künstler auch gern die Stilmittel der Werbung – das ist sehr spannend!

 

Georg: Urbane Kunst ist direkter, entspringt dem Bedürfnis, sich mitzuteilen. Werbung nimmt sich das Recht heraus, den öffentlichen Raum zu gestalten, über finanzielle Möglichkeiten. Der Künstler besitzt kein Geld, um an diese Flächen kommen und setzt sich darüber hinweg. Werbung ist abgehoben von dem, was wir in unserem täglichen Leben wahrnehmen, alles ist Hochglanz, die Menschen sind schön. Das ist alles weit, weit von unserer Realität entfernt. Die Bilder der Künstler  an den Wänden sind ein Versuch, dieser Realität zu entsprechen.

 

Für CityLeaks habt ihr die Hausbesitzer aber ­gezielt ausgesucht und um Erlaubnis gefragt. ­Widerspricht dieses »Brave« nicht dem Anspruch von Street Art?

 

Georg: Illegal wäre es gar nicht möglich, so große Wände zu bekommen. Und die Arbeiten bilden auch wieder einen Ansatzpunkt für andere Künstler.

 

Welche Widerstände gab es? Schließlich gilt Street Art vielen noch immer als Schmiererei.

 

Georg: Das ist Überzeugungsarbeit. Es gab aber auch einen Fall, wo ein Eigentümer mit einer gut einsehbaren Wand am Hauptbahnhof sich seit Jahren trotz häufiger Anfragen weigert, eine Fläche für Werbung zur Verfügung zu stellen. Aber auf CityLeaks freut er sich!

 

Anne: In Köln wird Street Art noch nicht als künstlerische Ausdruckform verstanden: Es ist eine  Entwicklung der zeitgenössischen Kunst ...! Die Szene ist international vernetzt und ihr folgen über das Internet große Fangemeinden. Während CityLeaks werden viele Menschen, ob in Polen oder San Francisco, nach Köln blicken, weil sich Bilder und Filme auch über das Internet schnell verbreiten.

 

Wie sieht es denn aus im obligatorischen Vergleich mit Berlin beispielsweise, wo Umcodierungen und Markierungen ja anders funktionieren, wo durch Leerstände und Brachen ganz andere Flächen zur Verfügung stehen?

 

Iren: Die Situation ist hier schwierig zu durchforsten. Schon bei Artrmx Cologne Vol I haben viele Künstler gefragt, warum in Köln so wenig Street Art zu sehen ist, warum viele Industriebrachen und Flächen nicht genutzt werden. Das Potential ist nicht ausgeschöpft.

 

Anne: Wenn die Wände weiß sind, hat das Volk nichts zu melden, sagt ein chinesischer Ausspruch. CityLeaks ist genau das, was Köln jetzt braucht. Auf der einen Seite  ist die Stadt baulich recht hässlich, auf der anderen besteht dieser hohe kulturelle Anspruch.  Die Kölner werden es lieben, sie sind lebensfroh und kommunizieren gern. Warum gerade eine Stadt wie Köln bislang noch nicht visuell mitreden kann, ist mir ein Rätsel, dabei verkleiden sich die Kölner doch so gerne?...

 

Im Interview: Iren Tonoian, artrmx e.V., Anne Scherer, freie Kuratorin für artrmx e.V., Georg Barringhaus, colorrevolution

 

»CityLeaks« wird veranstaltet von den Kunstvereinen artrmx und colorrevolution. Künstler aus Europa, den USA und Südamerika (u.a. Jim Avignon, Herbert Baglione, ­Stefan Strumbel, ROA und Faith 47) bespielen Wände von Ehrenfeld bis Deutz; Ausstellun­gen finden in der Rheinlandhalle, Galerien und Off Spaces statt. Im Rahmen­programm bieten artrmx und colorrevo­lution geführ­te Touren, Themenabende, Diskussionen, Konzerte und ­Partys. Einige Werke und Dokumentationen sind schon zur Preview im Juni zu sehen. Info: cityleaks-festival.com

 

Festival: Outdoor-Aktionsphase: 5.9. bis 15.9. 2011 //

Ausstellungswoche: 16.9. bis 25.9. 2011