Porträt Franz I., 1532/33, courtesy: Suermondt-Ludwig-Museum

Die Postmoderne um 1520

Aachen entdeckt den »Leonardo des Nordens« Joos van Cleve

Lange war er vergessen – vielleicht, weil die Kunstgeschichte in ihm keinen großen stilistischen Innovator erblickte. So zeigt das Werk des nach seinem Geburtsort benannten Joos van Cleve (1485/90 bis 1540/41) auch nicht jene dramatische Exzentrik, welche die bekannten Landschaften seines Zeitgenossen Joachim Patinir auszeichnet. Doch möglicherweise konnte sich van Cleve für spezielle Ausgestaltungen sogar Patinirs Anstellung leisten – denn für einige Jahre unterhielt van Cleve eine der bestgehendsten Malerwerkstätten Antwerpens.

 

 

Augenfällig zeigt seine erste große Retrospektive im Suermondt Ludwig Museum in Aachen, was seinen Erfolg begründete: In einzigartiger Weise kombinierte er flämische und italienische Hochrenaissance-Errungenschaften. Da Vincis »Sfumato«-Kolorierung gestaltet van Cleeves Menschen elegant und lebensnah, während unzählige feine Details im Bild­raum auf den Stil seiner Heimat verweisen. Zudem entwickelte er eine Ölpapier-basierte Technik der Kopie und Vervielfältigung. So machte er ausgewählte italienische Motive einer mitteleuropäischen Kundschaft zugänglich. Doch selbst die mit variablen Hintergründen individuell gestalteten Bilder aus seiner Werkstatt bezeu­gen immer noch seine außergewöhnliche Fähigkeit, Stoffe, Pelze und Schmuck oder subtile Emotio­nen abzubilden. Das verdeutlicht auch der Vergleich mit den ebenfalls in der Ausstellung gezeigten italienischen Originalen.

 

 

Statt eines cleveren Kopisten entdeckt man einen Künstler, der am Ende der Renaissance auf ihre komplett durchgespielten Mög­lich­keiten mit einer neuen Sprache reagiert: jene der Kombinatorik. Zumindest teilweise eine Absage an das genialistische Original – des­sen Ansprüchen er aber durchaus standhalten konnte. Vielleicht wäre er 1960 Pop-Art Künstler gewesen. Doch sicher kein Leichtgewicht, sondern ein präziser Beobachter mit einem Gespür für den Stil seiner Zeit. Details wie Marias schwarze Augen, ein lächelnder Drache oder die emotionale Nähe in seinen zugleich penibel konstruierten Altarwerken beweisen dies.

 

 

Schön, nach der exzellenten Hans-von-Aachen-Schau im letzten Jahr wieder eine derart aufwändig kuratierte, von sinnvoll erläuternden Digital-Animatio­nen ergänzte und sorgfältig ausgeleuchtete Ausstellung in der Nähe zu wissen. Der Weg nach Aachen – warum nicht kombiniert mit dem Besuch des Ludwig-Forums oder einem Zwischenstop im Leopold Hoesch Museum Düren? – ist dabei unumgänglich, denn diese Ausstellung wird nicht reisen.